The Crazy Ones – Review

TV-Kritik zur ProSieben-Comedy mit Robin Williams – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 21.05.2014, 10:02 Uhr

Werbeagentur als Familienunternehmen: Simon Roberts (Robin Williams) mit Tochter Sydney (Sarah-Michelle Gellar).

„Ein Hoch auf die Verrückten! Die Außenseiter, die Rebellen, die Unruhestifter … denn diejenigen, die verrückt genug sind um zu denken, dass sie die Welt verändern können – tun das auch“. Wenn man schon kein konkretes Produkt anzupreisen hat, dann doch zumindest ein Lebensgefühl. So könnte man die Quintessenz des legendären Apple-Werbespots aus den 1980er Jahren zusammenfassen, der unter dem Slogan „Think Different“ eine Lobeshymne auf jene „Crazy Ones“ anstimmte, zu denen in der mit sentimentaler Musik unterlegten Montage Albert Einstein, Maria Callas, Gandhi, Amelia Earhart oder Alfred Hitchcock gehörten. Nun mögen diese Legenden in ihren jeweiligen Wirkungsbereichen durchaus unsere Welt verändert haben. Aber kann das auch auf die fünf Protagonisten der CBS-Comedy „The Crazy Ones“ zutreffen? Zumindest sollen uns die zahlreichen Preise im Büro von Werbe-Ikone Simon Roberts alias Robin Williams genau dies vermitteln. Letztendlich dient der Titel als ein Insider-Verweis auf die Werbebranche, ähnlich wie „Mad Men“, und genau wie beim großen Drama-Bruder wird der Bezug lediglich nur einmal kurz im Piloten erklärt.

Inspiration zieht „The Crazy Ones“ vor allem aus den Erfahrungen von John Montgomery, dem Kreativdirektor der weltweit tätigen Werbeagentur Leo Burnett. Montgomery fungiert als Berater der Comedyserie, deren Pilot aus der Feder von David E. Kelley stammt. Der Schöpfer zahlreicher Kult-Dramedys wie „Ally McBeal“, „Boston Legal“ oder „Picket Fences“ hatte zuletzt mit dem Krankenhausdrama „Monday Mornings“ auf TNT einen Flop hingelegt. Seiner neuen Serie „The Crazy Ones“ kamen nach erfolgreichem Start zuletzt die Zuschauer abhanden. Womöglich fiel sie einem Phänomen zum Opfer, dass der Werbebranche kaum fremd sein dürfte. Unter dem schönen Schein fehlt es nämlich in den ersten drei Episoden an einem handfesten, tiefergehenden Kern – oder er wird zumindest nicht wirkungsvoll genug präsentiert.

James Wolk als selbstbewusster Copywriter Zach Cropper.
Robin Williams ist als Simon Roberts, Chef der Agentur Roberts & Roberts in Chicago, genauso aufgedreht, schnellsprechend und unberechenbar wie man es von Robin Williams erwartet – und von einer Hauptfigur in einer David-E.-Kelley-Serie. Damit übertönt er zunächst im Piloten leider seine Ensemble-Kollegen, was in den weiteren Episoden glücklicherweise nicht mehr der Fall ist. Simons Tochter Sydney (Sarah-Michelle Gellar) hält von den Eskapaden ihres Vaters, die von Roboterkämpfen bis zu Ententeich-Rettungsaktionen reichen, eher wenig. Als nüchterne und hart arbeitende Geschäftsfrau hat sie es bis zur Kreativdirektorin gebracht, dabei aber so manchen Konflikt mit ihrem Vater aus Kinder- und Teenagertagen noch überhaupt nicht aufgearbeitet.

Williams und Gellar sind durchaus glaubhaft und charmant in der Vater-Tochter-Konstellation, allerdings reicht ihre Chemie kaum an die zwischen Simon und dem selbstbewusstem Copywriter Zach Roberts heran. James Wolk war als der geheimnisvolle (und in enganliegenden Shorts für Furore sorgende) Bob Benson bereits einer der interessantesten Bestandteile der sechsten „Mad Men“-Staffel. Auch bei „The Crazy Ones“ verhält sich dies nicht anders. Die Szenen, in denen Simon und Zach als Kumpels aktiv werden und sich die Bälle in rasender Geschwindigkeit zuspielen, sprühen geradezu vor Spielfreude.

Das enge Verhältnis der beiden, die gemeinsam den verrücktesten Ideen ohne Rücksicht auf Verlust nachgehen, provoziert dann zunächst auch so manche Eifersüchtelei durch Andrew Keanelly. Der korrekte und introvertierte Art Director, verkörpert von Hamish Linklater („The New Adventures of Old Christine“), gehört gemeinsam mit Sydney zur rationalen Fraktion der Agentur. Er kann dennoch nicht umhin, in Simon eine Vaterfigur zu sehen und ist auch durchaus gerührt, wenn der ihn mit wichtigen Aufgaben betraut – beispielsweise mit der Reinigung der Hintern einer Schar von adoptierten kleinen Enten in der zweiten Episode. Gerade Sydney versucht wiederholt Andrews Selbstbewusstsein aufzubauen, auch indem sie ihn praktisch anfleht, sich bei der Partnerwahl nicht mit einer Frau zufrieden zu geben, die ihn einfach nur in Wolljacken stecken will. Dann ist da noch die Assistentin Lauren Slotsky, die aufgrund der dünnen Vorlage wohl mehr als alle anderen Figuren auf ihre Darstellerin angewiesen ist. Mit ihren sorgsam platzierten Gesichtsausdrücken zeigt Amanda Setton oft die gleiche Verwirrung, Verwunderung oder Belustigung, die wohl auch der Zuschauer in dem Moment empfindet. Lauren und Zach verbindet eine zwanglose Affäre, doch riskiert er damit wohl auch irgendwann in einer ihrer Poetry-Slam-Sessions aufzutauchen, mit denen sie ihre Enttäuschungen über Männer verarbeitet.

Wenn es letztendlich einen Grund gibt, „The Crazy Ones“ eine ernsthafte Chance zu geben, dann ist es das Ensemble. Selbst in den langweiligsten Momenten der ersten Episoden sieht man ihnen einfach wahnsinnig gerne zu. Auch die jeweiligen Gastdarsteller, die als Kunden die Dienste von Roberts & Roberts in Anspruch nehmen, sind bislang erstklassig. Um etwas Werbe-Realismus in das grelle und hektische Geschehen zu bringen, verwenden Kelley und Co. echte Marken wie McDonald’s oder den Zahnpasta-Hersteller Crest, für die Simon und Sydney Kampagnen entwerfen. Letztendlich hilft dies der Glaubwürdigkeit hier aber nur bedingt auf die Sprünge, zumal die Schwierigkeiten und Ideen bei der Umsetzung der Kampagnen genauso exzentrisch und sprunghaft daherkommen wie die Hauptfiguren selbst.

Sprunghaft ist „The Crazy Ones“ leider auch in seiner erzählerischen Qualität. Immer wieder finden sich in den ersten Episoden Momente, die den Zuschauer förmlich zum Brüllen bringen. Sei es die Entenfamilie, die hinter Simon und Andrew hinterher watschelt und die Andrew bereits als Ziehmutter akzeptiert hat. Oder Simon und Sydneys filmische Umsetzung eines emotionalen Meilensteins zwischen Vater und Tochter – der von allen, die den fertigen Werbespot dann aber sehen, als ein Beispiel für den „schlimmsten Vater der Welt“ interpretiert wird. Oder der von Robin Williams und James Wolk gemeinsam improvisierte Song über Fast Food und Sex, der Popstar Kelly Clarkson dazu bewegen soll, einen Jingle für McDonald’s einzusingen.

Zwischen diesen herausragenden Momenten verpuffen weite Teile der ersten Episoden durch Dialoge, die in Maschinengewehr-Tempo auf den Zuschauer losgelassen werden. Letztendlich kann die Geschwindigkeit darüber hinwegtäuschen, dass sie über weite Strecken alles andere als gewitzt und geschliffen sind. Umso bedauerlicher ist dies, da die Macher reichlich tolle Ideen für ihre Protagonisten in petto haben und die Figuren auch in interessante Richtungen lenken. Vor allem Episode 3 ist hier das größte Negativbeispiel. Zwei hervorragende Ideen (eine Analogie mit Andrew als Putzerfisch des Hais Zach und Sydneys Angst vor dem Autofahren, die sie ihrem Vater verdankt), verpuffen hier unbefriedigend und langatmig nach einem vielversprechenden Set-Up.

So lässt sich das Team von Roberts & Roberts zunächst kaum in die Riege der zu Beginn genannten „Crazy Ones“ einreihen – sondern vielmehr in die lange Reihe von hochkarätigen, vor Chemie übersprühenden Serien-Ensembles, die mit Material arbeiten mussten, das schlichtweg nicht gut genug war. Zumindest nicht in den ersten Folgen. Und doch, irgendwie will man nicht wegschalten, ist man länger als sonst gewillt durchzuhalten in der Hoffnung, dass der Inhalt der späteren Folgen genauso stark ist wie Sydneys Arbeitseifer, Simons Schlagfertigkeit oder Zachs gewinnendes Lächeln. So wird „The Crazy Ones“ unfreiwillig zu so etwas wie einem Anti-„Mad Men“ – zu einer Serie über die Werbeindustrie, die vor allem durch ihre oberflächlichsten Reize besticht, was ja fast schon wieder eine sich selbst erfüllende Prophezeiung darstellt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Folgen von „The Crazy Ones“.

Meine Wertung: 3/​5

Ralf Döbele
© Alle Bilder: CBS

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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