The Borgias – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 03.05.2011

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Juan Borgia (David Oakes) schlägt gern über die Stränge

Auf dem Papier haben die „Borgias“ alles, was eine neue, historische Serie dieser Tage braucht: Intrigen, Skandale, der Kampf um Macht, Liebe, Tragik und auch – für US-Verhältnisse – sehr freizügige Sexszenen. Doch dass es unter der Kutte so richtig zur Sache geht ist, bei dem gutaussehenden Francois Arnaud keine wirkliche Überraschung, Priesteramt hin oder her. Es stellt sich aber schnell die Frage, wieso die gute Darstellerriege, abgesehen von den Bettszenen des Priesters Cesare, seltsam unterbeschäftigt wirkt.

Man erfährt zunächst wenig über die Konstellation dieser besonderen Familie. Es bleibt unklar, wie die Borgias ihre Stellung und ihren immensen Einfluss in der römischen Gesellschaft erringen konnten. Stattdessen wird der Zuschauer sofort mit dem vorläufigen Höhepunkt des Machtapparates der Borgia-Familie konfrontiert: Rodrigo wird zum Papst ernannt. So bleiben die Figuren zunächst weitgehend leer, spielen distanziert ihren Part in den geschichtlichen Abläufen, ohne dass wir je wirklich hinter ihre äußere Fassade sehen können. Einzige Ausnahme ist vielleicht Rodrigo selbst, der nach der Ernennung zum Papst über die Einsamkeit an der Spitze des Vatikans klagt. Es mutet doch merkwürdig an, dass ein Mann, der sein ganzes Leben auf dieses Ziel hingearbeitet hat, innerhalb der ersten drei Minuten, in denen er in Amt und Würden ist, plötzlich in eine derartige Sinnkrise fällt.

Dennoch sind es Jeremy Irons und Francois Arnaud, die in den ersten 90 Minuten den Zuschauer bei der Stange halten. Ihr Sinn für Humor und Ironie trägt die lau vor sich hin plätschernde Handlung und lässt immerhin nicht komplette Langeweile aufkommen. Ihre Kollegen haben ebenfalls Potential, doch verbringt man hier noch viel zu viel Zeit im Konzil statt bei der Familie. Auf diese Weise wird man die Borgias nicht kennen lernen – ein Fehler, der hoffentlich in kommenden Episoden korrigiert wird. Nicht durch schummrig beleuchtete Vatikangänge, gutaussehende Protagonisten in teils freizügigen Situationen oder -Kostüm- und Set-Design sollte der Zuschauer bei der Stange gehalten werden. Vielmehr sollten faszinierende Figuren im Mittelpunkt der Geschichte stehen, deren Ausstrahlungskraft langfristig fesseln kann. Als ausgearbeitete, dreidimensionale Charaktere sind die Figuren der „Borgias“ bislang praktisch nicht existent. Nicht einmal die berüchtigte Lukrezia kann hier überzeugen – Holliday Grainger wirkt in dieser Rolle einfach nur erstaunlich blass.

Rodrigo mit Ehefrau (Joanne Whalley) und Geliebter (Lotte Verbeek)

Letztendlich ist das größte Problem der „Borgias“ aber vielleicht, dass sie sich einfach nicht genug von ihren herausragenden Kollegen, den „Tudors“ unterscheiden. Selbst „Spartacus: Blood and Sand“ vermochte, sich durch Überstilisierung von Außenkulissen sowie durch Sex und Gewalt von dem Vorgänger „Rom“ abzuheben; ob das Resultat zufriedenstellend war, kann jeder selbst beurteilen. „Boardwalk Empire“ transportierte uns in die Zwanziger, die zuvor noch nie in einer Hochglanzserie eines US-Bezahlsenders thematisiert worden war. Doch „The Borgias“ setzt am Ende des 15. Jahrhunderts ein, nur rund 20 Jahre vor dem Start der Handlung der „Tudors“, einer Serie die voll war mit kirchlichen Intrigen, korrupter Lust und tragischer Grausamkeit. „Die Tudors“ standen allerdings auch für hervorragende Musik, elegantes Produktionsdesign und herausragende Darsteller. In praktisch jeder dieser Komponenten können die „Borgias“ nicht mithalten. Dabei stammt die Musik sogar aus der Feder des gleichen Komponisten, Trevor Morris, fällt aber um vieles schlichter und weniger melodisch aus. Die Atmosphäre des Piloten ist ebenfalls nicht besonders einladend, die andauernde, staubige Beige-Überflutung ohne überraschende Momente oder atemberaubende Sets trägt letztendlich zur Langeweile bei.

Vielleicht wäre Showtime besser beraten gewesen, sich mit seiner nächsten, historischen Serie, ähnlich wie „Boardwalk Empire“, einem Zeitalter und einer Thematik zu widmen, die man bislang bei US-Bezahlsendern noch nicht aufgearbeitet hat. So würden die Vergleiche mit den „Tudors“ von Anfang an unterbleiben. Doch die lassen sich nur schwer vermeiden, da man hier sich praktisch sofort Henry, Charles und Anne Boleyn zurückwünscht. Sorry, Rodrigo.

Meine Wertung: 2,5/​5

Autor: Ralf Döbele

Alle Bilder: © 2011 CBS Corporation

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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