Divorce – Review

Kein Sex in dieser City: Sarah Jessica Parker auf dem steinigen Weg zur Scheidung – von Jana Bärenwaldt

Rezension von Jana Bärenwaldt – 20.10.2016, 17:30 Uhr

Alle Scheidung ist schwer: Frances (Sarah Jessica Parker) mit Robert (Thomas Haden Church)

Wenn eine neue Comedy von HBO mit Sarah Jessica Parker („Sex and the City“, „Zum Ausziehen verführt“) in der Hauptrolle angekündigt wird, sind die Erwartungen natürlich hoch, war ihre Paraderolle doch die der Carrie Bradshaw in „Sex and the City“. Und vom Inhalt her könnte die neue TV-Serie „Divorce“ durchaus die Geschichte von Carrie fortführen. Parker spielt in der Comedy Serie Frances, eine New Yorkerin, die eigentlich ein Bilderbuchleben führt. Sie lebt mit ihrem Ehemann Robert (Thomas Haden Church, „Sideways“, „Spider-Man 3“) der als Bauunternehmer tätig ist, und ihren zwei Teenager-Kindern in einem schönen Häuschen in der Vorstadt. Während Frances seit einiger Zeit überlegt, sich mit einer eigenen Kunstgalerie selbstständig zu machen gibt es eigentlich an ihrem Leben nichts auszusetzen. Aber Frances ist unglücklich in ihrer Ehe. Robert geht ihr mit seinen Marotten gehörig auf die Nerven und von der einstmaligen Leidenschaft ist auch nicht mehr viel übrig.

Auf dem 50. Geburtstag ihrer Freundin Diane (Molly Shannon, „Saturday Night Live“) kommt es schließlich zum Eklat: Diane ist ebenfalls unglücklich in ihrer eigenen Ehe mit Nick (Tracy Letts, „Homeland“) und die Ereignisse spitzen sich im Verlauf des Abends solange zu, bis die betrunkene Diane Nick schließlich mit einer Waffe bedroht und der einen Herzinfarkt erleidet. Frances bleibt zutiefst verstört zurück.

Der Vorfall wird für sie zu einem Weckruf und sie erklärt Robert, dass sie ihn nicht mehr liebe und die Scheidung wolle. Der findet das – wortwörtlich – zum Kotzen. Frances beste Freundin Dallas (Talia Balsam, „Mad Men“) hält die Scheidung für keine gute Idee und erklärt ihr, dass sie da draußen nichts Besseres finden und im Endeffekt nur allein sein werde.

Allerdings hat Frances schon längst einen Plan B in Form einer Affäre mit Universitäts-Professor Julian (Jemaine Clement, „Flight of the Conchords“). So wie die zwei Freundinnen über ihn reden, könnte man meinen, dass Julian der Traummann a la Mr. Big ist. Umso größer ist die Verwunderung beim Zuschauer und später die Enttäuschung bei Frances, als Julian sich nüchtern betrachtet als verschroben wirkender, Wollpullover tragender und mit offenem Mund kauender ewiger Junggeselle herausstellt. Er punktet weder durch ein umwerfendes Äußeres, noch durch Intellekt, Charme oder Einfühlungsvermögen.

Letzteres stellt er auch sogleich unter Beweis, als Frances ihm von ihren Plänen bezüglich der Scheidung in Kenntnis setzt. Da zieht sich der Professor dann lieber mal sprichwörtlich aus der Affäre. Zurück bleibt eine maßlos enttäuschte Frances, die sich immerhin ziemlich sicher war, Julian zu lieben. Dann halt wieder zurück zu Robert, dem sie erklärt es mit dem Scheidungswunsch nicht so gemeint zu haben. Dumm nur, dass Robert kurze Zeit später die Affäre seiner Frau aufdeckt – dabei hatte sie Julian doch so unauffällig unter „J“ in ihrem Handy abgespeichert. Robert fühlt sich zu Recht hintergangen und setzt Frances kurzerhand vor die Tür (inklusive ausgetauschtem Schloss) – nicht aber ohne ihr in großer Detailtiefe auszumalen, wie sehr sie ihr Handeln noch bereuen werde.

Das Poster zu „Divorce“
So kalt und ungerührt wie Robert sich in dieser Szene verhält, dürfte sich auch ungefähr der Zuschauer fühlen. Beide Hauptfiguren zeigen sich hier nicht gerade von ihrer emotionalen Seite, obwohl in diesem Moment der Bruch ihrer Ehe offenbar wird. Während Roberts trotziges Verhalten noch einigermaßen verständlich ist, erscheint Frances gesamter Handlungsbogen doch recht fragwürdig. Sie ist offensichtlich unglücklich in ihrer Ehe und verdeutlicht das auch insbesondere als sie sagt, dass es nicht einmal mehr ein kleines bisschen Liebe oder Glück in ihrem Leben mit Robert geben würde. Dann ist sie sich halbwegs sicher, dass sie Julian liebt, will dann auf einmal aber doch wieder ihre Ehe weiterführen als ihr Liebhaber einen Rückzieher macht. Damit hat Frances in der Serie weder Glaubwürdigkeit noch Sympathie auf ihrer Seite.

Über die Vorgeschichte des Ehepaares wird nichts enthüllt, weder die guten Zeiten noch die Entwicklung der schlechten Zeiten wird illustriert. So bleibt für den Zuschauer auch unverständlich, warum sie sich einst ineinander verliebt haben, scheinen sie doch aktuell rein gar nichts mehr miteinander gemein zu haben. Da der Zuschauer schlicht und ergreifend fast nichts über die Protagonisten von „Divorce“ weiß, ist es einfach schwierig Empathie für die Figuren zu entwickeln oder sich von der Geschichte mitreißen zu lassen.

Vieles scheint in der neuen HBO Comedy nicht so recht passen zu wollen. Obwohl Frances eine eigene Kunstgalerie eröffnen will, ist die Einrichtung ihres Eigenheims an Spießigkeit kaum mehr zu überbieten. Auch, warum sie ausgerechnet mit dem verschrobenen Professor Julian eine Affäre begann, bleibt einfach schleierhaft. Darüberhinaus führt die Kategorisierung der Serie als Comedy den Zuschauer leicht in die Irre, denn zum Schmunzeln oder geschweige denn zum Lachen ist einem bei „Divorce“ wirklich nicht zu Mute. Eher feinsinniger, schwarzer Humor blitzt am ehesten in den Details auf, etwa der Mimik oder den Dialogen der Figuren. Vor allem die Dialoge der beiden Protagonisten sind oft eher unbequemer Natur, was hier aber keinesfalls negativ ausgelegt werden soll. Gespräche in einer Ehe sind nun einmal nicht immer drehbuchreich und lassen die gesamte Serie ein gutes Stück realistischer wirken.

Realismus gewinnt „Divorce“ auch durch Details, die vor allem am Anfang der Pilotfolge herausstechen. Frances und Robert sind genervt von allen möglichen Kleinigkeiten beim anderen, was auf eine tiefergehende Unzufriedenheit schließen lässt: Robert ist gereizt, weil Frances mal wieder das Bad in Beschlag nimmt, während Frances es nicht ertragen kann, dass ihr Mann beim Autofahren die Musik mitsummt. Genau diese Kleinigkeiten schaffen es schnell, dem Zuschauer die emotionale Situation des Ehepaars zu verdeutlichen und sorgen für die entsprechende Grundstimmung in der Serie. Generell ist „Divorce“ eine Serie, die ihre wahren Qualitäten oft erst auf den zweiten Blick offenbart. Beispielsweise wirken die Dialoge zwischen Frances und Julian sehr oberflächlich – was aber auch beabsichtigt ist, da ihre Dialoge ein Spiegel ihrer oberflächlichen Beziehung sind.

Die neue HBO Comedy „Divorce“ lässt den Zuschauer mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits verwehrt sie den Zuschauern den doch so wichtigen Zugang zu den Hauptfiguren. Andererseits besticht die TV-Serie mit authentischen Details und realistisch unbequemen Dialogen. Wer hier auf eine Fortsetzung von „Sex and the City“ gehofft hatte, wird eine Enttäuschung erleben. Natürlich will „Divorce“ dieser Erwartungshaltung auch keinesfalls gerecht werden – jedoch ist es nicht einfach Sarah Jessica Parker nicht mehr mit Carrie Bradshaw in Verbindung zu bringen. Letztendlich bietet die neue HBO-Serie durchaus Potential, hat aber noch Luft nach oben, um die
Charaktere noch weiter auszuarbeiten. Denn nur, wenn es der Serie noch gelingt, die Zuschauer eine tiefere Verbindung zu den Figuren aufbauen zu lassen, kann „Divorce“ sich Hoffnungen auf einen Erfolg machen.


Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie.

Meine Wertung: 3,5/​5

Jana Bärenwaldt
© Alle Bilder: HBO


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