Blue Bloods – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 07.11.2010

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Danny (Donnie Wahlberg) und Partner Demarcus (Flex Alexander) suchen nach einem entführten Mädchen.

Es ist keine Überraschung, dass an „Blue Bloods“ vor allem die Besetzung begeistert. Tom Selleck ist als Frank Reagan autoritär, verkniffen, herzlich und absolut unangefochten, nicht nur als Chef der New Yorker Polizei, sondern auch innerhalb der Familie. Dabei lässt Selleck diese Autorität auch recht unaufdringlich verströmen, setzt eher auf Understatement, was sicher ein Gewinn ist. In der Darstellung seiner Figur schwingt auch stets der Schmerz mit, den er noch über den Verlust seiner Ehefrau empfindet. Jamie wird darauf aufmerksam, dass es aber im Leben seines Vaters vermutlich nach all der Zeit wieder jemanden gibt, der ihm etwas bedeutet. Die so folgende, morgendliche Aussprache am Hudson River beschert Selleck und Will Estes eine wunderbare Szene, die den Piloten gelungen abrundet.

Will Estes könnte ohnehin nicht besser besetzt sein als der junge und recht idealistische Jamie, der sich unvermittelt in einem Interessenkonflikt wiederfindet. All seine Beziehungen in „Blue Bloods“ sind sofort interessant, auch die zu seiner Verlobten und besser verdienenden Sydney (Dylan Moore), die sich erst einmal der Gefahr bewusst wird, der Jamie jeden Tag im Einsatz ausgesetzt ist. Der begegnet er immerhin gemeinsam mit seinem Trainings-Offizier Sgt. Anthony Renzulli, fabelhaft verkörpert von „N.Y.P.D. Blue“-Veteran Nicholas Turturro. In Renuzlli scheint Jamie eine Art neuen großen Bruder gefunden zu haben, der ihn aber durchaus regelmäßig zusammenstaucht. Die Chemie zwischen den beiden stimmt, ihnen folgt man gerne in den Einsatz.

Henry (Len Cariou) und Frank (Tom Selleck): Großvater und Vater einer Polizei-Dynastie.

Dies gilt nicht unbedingt für Danny und seinen Partner Demarcus King, der nach dem Piloten ohnehin in der Versenkung verschwindet. Dannys eigene Vergangenheit ist da bei weitem interessanter. Neigt er aufgrund seiner Erfahrungen als Soldat im Irak zu seinen emotionalen Ausbrüchen, die schließlich seiner Schwester im Gerichtssaal das Leben schwer machen? Bridget Moynahan lässt Erin fast noch tougher als ihre Brüder erscheinen und entspricht damit genau jenem Bild, das man spätestens seit diversen „Law & Order“-Inkarnationen von New Yorker Staatsanwältinnen hat. Len Cariou ist als Großvater Henry fast schon das genaue Gegenteil seines Sohnes. Er scheint das Leben auch im hohen Alter noch sichtlich zu genießen, blüht im Kreise seiner Lieben so richtig auf und hält mit seinen Ansichten nicht hinter dem Berg. Ob er in seiner Zeit als Polizei-Chef allerdings die Dinge so locker sah, darf bezweifelt werden. Zumal recht schnell angedeutet wird, dass Henry möglicherweise nicht freiwillig den Chefsessel räumen musste. Die Vergangenheit der Familie Reagan wird im Laufe der Staffel hoffentlich umfassend beleuchtet, interessant scheint sie allemal zu sein.

Was „Blue Bloods“ zunächst trotz des hervorragenden Ensembles den inhaltlichen Erfolg etwas vermiest, ist der Entführungsfall des kleinen Mädchens, dem doch im Piloten sehr viel Zeit eingeräumt wird. Dabei fallen die Erfolge Danny etwas zu sehr in den Schoß. Die ganze Sache mit der Puppe, die sich als seltener Prototyp entpuppt, wirkt einfach nur aufgesetzt. Sämtliche Familienszenen sind da hundertmal interessanter, weshalb „Blue Bloods“ sofort in eine Schieflage gerät, in der man als Zuschauer A- gegen B-Plot abwägt. Man wünscht sich mehr Zeit mit den Familienmitgliedern, mehr Alltag im Job als ein großer, bestimmender Fall, den man schon hundertmal in diversen, anderen Polizeiserien besser gesehen hat. Etwas abgemildert wird dies durch Aufnahmen „on location“, in denen New York in all seinen Facetten hervorragend eingefangen wird. Dabei gelingt es „Blue Bloods“ erstaunlicherweise sich stark von New Yorker Serien wie „Law & Order“ zu distanzieren, vor allem da auch Vororte verstärkt gezeigt werden.

Die Reagans in „Blue Blood“

Äußerst negativ fallen in der ersten Folge, die von den Serienerfindern Robin Green und Mitchell Burgess verfasst wurde, allerdings die Dialoge auf, die äußerst hölzern daherkommen und wirklich aufpoliert gehören. Gerade in den Familienszenen, die ja besonders alltäglich und realitätsnah wirken sollten, fällt dies auf. So wirkt die Diskussion am Familientisch beim Sonntagsmahl über den Sinn oder Unsinn von Folter als Verhörmethode nach Dannys Ausraster doch reichlich platt. Derartige Schwächen fallen in den anschließenden Episoden weniger ins Gewicht, dennoch ist die optimale Balance zwischen Fall der Woche und Familiendrama noch immer nicht gefunden.

So bleibt im Moment „nur“ das großartige Ensemble und die äußerst interessante Palette von Hauptfiguren in dieser doch überraschend vielschichtigen Cop-Familie. So bleibt „Blue Bloods“ trotz der Anfangsfehler sehenswert. Können die Verantwortlichen die genannte Schieflage noch besser in den Griff bekommen, dann wird „Blue Bloods“ das Aufgebot von CBS, ähnlich wie „Good Wife“, durch tiefergehende Storylines als in anderer Serienware des Senders wirkungsvoll verstärken. Ein bisschen Geduld sollte man mit den Reagans haben, es könnte sich lohnen.

Meine Wertung: 3,5/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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