Mr. Shi und der Gesang der Zikaden
- USA 2007 (A Thousand Years of Good Prayers, 83 Min.)
- Tragikomödie
Mr. Shi (Henry O), ein verwitweter Rentner, der niemals die Volksrepublik China verlassen hat, besucht seine einzige Tochter Yilan (Feihong Yu), die vor zwölf Jahren in die USA auswanderte. Nach ihrer Scheidung will Shi seiner Tochter beistehen, die sich ihm gegenüber aber sehr zurückhaltend gibt und den alten Herrn am liebsten auf eine Rundreise durch die Staaten schicken würde. Shi bleibt jedoch hartnäckig. Während sie Tag für Tag zur Arbeit geht, wartet er, um sie abends üppig zu bekochen. Vor dem Hintergrund dieser beiläufigen Rollenumkehrung kommt es zu einer schwierigen Annäherung, die Wang mit einfühlsamen Dialogen und zurückhaltend poetischer Bildsprache schildert.
Reiz- und Schlüsselthema ist die chinesische Kulturrevolution, über die der Vater erstmals spricht. Im Rahmen eines typischen Schauprozesses wurde der unschuldige Shi einst gezwungen, sich öffentlich als Ehebrecher zu bezichtigen. Seine standhafte Weigerung führte zur Zerrüttung seines Ehelebens und Degradierung des ambitionierten Raketentechnikers, der aber trotz allem überzeugter Kommunist blieb. Diese Ereignisse entfremdeten Yilan zutiefst von der chinesischen Heimat, sie konnte ihre Gefühle nicht mehr in der Sprache ihres Vaterlandes ausdrücken, letztlich ein Grund für die Trennung von ihrem chinesischen Mann.
Und auch ihre aktuelle Affäre mit dem verheirateten Russen Boris (Pasha Lychnikoff) scheint keine Zukunft zu haben. Seit Beginn seines filmischen Schaffens thematisiert Wayne Wang immer wieder das Schicksal chinesischer Immigranten in den USA. Diese Vorliebe hat autobiografische Wurzeln: Bereits sein Name entstand aus dem Faible seines Vaters für den Western-Darsteller John Wayne. Die Reibungsfläche zwischen der chinesischen Kultur und dem „American Way of Life“, die er immer wieder untersuchte, bildet auch das Thema dieser subtilen Vater-Tochter-Geschichte.
Das komplexe Puzzle aus Gefühlen, Träumen und den Fallstricken des persönlichen Verstehens setzt Wang auf genial einfache, beinahe meditative Weise zusammen. Immer wieder gelingen ihm überraschende Szenen voller untergründiger Komik – etwa wenn die Botschaft mormonischer Missionare sich überraschend mit den Worten von Karl Marx deckt, oder Mr. Shi eine ältere Exiliranerin (Vida Ghahremani) als Freundin gewinnt, obwohl beide sich nur radebrechend verständigen können. (Text: ARD)
Originalsprache: Englisch
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