Der Freiheits-Camper

Thomas Schmidt kündigt kurzerhand seinen Job und zieht auf den Campingplatz „Am Wiesensee“ im Westerwald. Zwei Jahre muss er Überzeugungsarbeit leisten, dann verlassen auch Ehefrau Sonja (45) und Tochter Eva (13) die bisherige 98-Quadratmeter-Wohnung und ziehen zu ihm ins Mobilheim. Bei Wolfram Mielke (73) war es der Auspuff seines Autos, der ihn auf den Campingplatz getrieben hat. Der war nämlich kaputtgegangen und Mielke fehlte das Geld, um einen neuen Auspuff zu kaufen. Da entschied er, dass seine 1.000 Euro Rente zu wenig sind für ein gutes Leben in einer „normalen“ Wohnung und kaufte sich ein gebrauchtes Mobilheim. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt er heute. Claudia (56) und Detlef Stein (59) trennen sich gerade von ihrem großen Haus, in dem sie drei Kinder großgezogen haben.
Künftig wollen sie auf 42 Quadratmetern „Am Wiesensee“ leben, „weil man sich da auch im Alter noch was leisten kann“. Noch steht ihr neues Mobilheim aber nicht auf seinem Platz. Welche Abenteuer ihnen gleich zu Beginn ihres Neustarts auf dem Campingplatz bevorstehen, ahnen sie zu Anfang noch nicht. Das Leben im Mobilheim hat eben auch seine Tücken: Die Wände sind dünn und die Winter viel härter als gewohnt. Es ist innen eng und draußen matschig, wenn es regnet. Und die scheinbar so eingeschworene Gemeinschaft auf dem Campingplatz ist sich manchmal gar nicht so grün, wie es im ersten Moment scheint. (Text: SWR)

Sonja Schmidts Hoffnung auf ein harmonisches Familienleben erfüllt sich nur zum Teil: Weil ihr Mann Thomas als Platzwart auf dem Campingplatz ständig beschäftigt und selbst am Wochenende kaum zuhause ist. So sieht sie ihn noch weniger als früher, als sie noch eine Fernbeziehung führten. Hinzu kommt, dass Thomas Schmidt sein altes Domizil auf dem Platz behalten hat und Ehefrau Sonja mit Tochter Eva meistens allein im neuen Mobilheim hockt. Bald wird klar: Zwei Wohnsitze auf dem Campingplatz sind für die Familie einer zu viel. So wird das schicke Mobilheim im Sommer wieder verkauft und Sonja zieht in den kleinen, aber liebevoll ausgebauten Wohnwagen ihres Mannes.
Tochter Eva bekommt einen eigenen Wohnwagen gleich nebenan und findet diese Lösung prima: Damit hat die 13-jährige ein eigenes kleines Reich für sich allein. Doch es droht Ärger mit den Behörden. Plötzlich steht in Frage, ob die Campingplatz-Bewohner hier ihren ersten Wohnsitz anmelden dürfen. Doch wo sollten sie sich sonst anmelden? Und als im Oktober der Sommer schlagartig zu Ende geht und Kälte und Nässe sich auf dem Platz breitmachen, wird das Leben mit einem Mal sehr mühsam. (Text: SWR)

Auf dem Campingplatz steht der Winter vor der Tür. Thomas Schmidt beliefert die Bewohner*innen mit neuen Gasflaschen für die Heizung und kommt mit dem Nachschub kaum hinterher. Die Kälte zieht schnell durch alle Ritzen eines Mobilheims oder Wohnwagens, so dass sich Ehefrau Sonja schon ausmalt, wie es wäre, wieder in eine „richtige Wohnung“ zu ziehen. Dabei stellt sie ernüchtert fest: „Wir hätten ja gar keine Möbel mehr!“. Platzwart Thomas Schmidt alias Major Tom hat Ärger mit der Polizei. Ein Mitbewohner auf dem Platz überzieht ihn mit Klagen wegen Hausfriedensbruch, Beleidigung und Unterschlagung.
Völlig ungerechtfertigt, findet Major Tom, dennoch muss er immer wieder zur Polizei zu einer Anhörung und zu seinem Anwalt, um sich beraten zu lassen. Die Anzeigen vermiesen ihm jeden Spaß am Leben auf dem Campingplatz – am liebsten würde er nur noch weg hier. Das will seine Frau Sonja auch, denn ihr ist es einfach zu kalt im Westerwald. Kurz vor Weihnachten machen sie ernst: Sie flüchten mit dem Auto auf einen Campingplatz in Spanien, wo sie sich über die Vermittlung eines Freundes noch einen Wohnwagen gekauft haben, „einen ohne eingebauten Regen“. (Text: SWR)

Udo Tarrey hält es inzwischen für einen Fehler, auf den Campingplatz im Westerwald gezogen zu sein. Der 80-jährige gehört zu den wohlhabenden Bewohnern auf dem Platz und lebt in einem großen Mobilheim mit Park drumherum und einem Tiny-Haus gleich nebenan für seine Gäste. Doch der Winter macht ihm keinen Spaß. Nun ärgert er sich, dass er sich nicht auf einem Campingplatz in Spanien eingekauft hat. Andererseits reißt der Andrang von Menschen, die gerne hier auf dem Campingplatz leben möchten, selbst im Winter nicht ab. Fast täglich führt Major Tom alias Thomas Schmidt neue Interessentinnen und Interessenten durch die noch freien Wohngelegenheiten und erklärt die Unterschiede zwischen Wohnwagen, Mobilheimen und Tiny-Häusern.
Wer zum ersten Mal ein solches Domizil von innen sieht, ist entweder begeistert oder entsetzt: Camping findet eben nicht jede*r wunderbar. Bei Wolfram Mielke gibt es einen besonderen Filmabend im gut geheizten Mobilheim: In Hamburg, beim Treffen seiner ehemaligen Mannschaftskollegen von der „TS Hanseatic“, hat er einen Computer-Stick mit einer Reportage über die letzte Fahrt des berühmten Passagierdampfers bekommen. Zusammen mit seiner Tochter Yvonne will er diesen Film aus den 1960er Jahren jetzt ansehen. Er kann kaum erwarten, dass es losgeht – denn bei dieser Fahrt war auch er selbst dabei. (Text: SWR)

Maria Egenolf wurde Corona ausgebremst. Nicht, dass sie sich angesteckt hätte – doch ihr Umzug ins Mobilheim konnte nicht wie geplant stattfinden, weil der Campingplatz Corona-bedingt geschlossen war. Jetzt erst kann sie in ihr neues Leben einziehen und ist überglücklich, dass es endlich losgeht. Denn die Verzögerung war teuer: Sie musste länger Miete zahlen in der alten Wohnung bei gleichzeitigem Einkommensverlust durch Kurzarbeit. Unerwartete Ausgaben auch bei Wolfram Mielke: Sein Auto ist kaputt, eine Reparatur lohnt sich nicht mehr. Die schmalen Ersparnisse aber braucht er für die Platzmiete, die in wenigen Wochen fällig ist.
Nachbar Udo Tarrey hilft ihm zunächst mit seinem Zweitwagen aus, doch eine Dauerlösung ist das nicht. Irgendwoher muss Mielke etwas Geld auftreiben, um sich ein „neues altes“ Auto kaufen zu können. Fast gleichzeitig gibt auch die Familienkutsche der Schmidts ihren Geist auf: durchgefallen beim TÜV, Reparatur viel zu teuer. Da auch hier das Geld knapp ist, muss Sonjas Spaßmobil, ihr Quad, dran glauben. Erst vor wenigen Monaten hatte sie es geschenkt bekommen von ihrem Mann Thomas. Doch Sonja ist klar: Ohne Auto funktioniert ein Leben auf dem Campingplatz nicht. (Text: SWR)

Es gibt neue Autos auf dem Campingplatz: Wolfram Mielke hat einen preiswerten Kleinwagen ergattert und ist heilfroh, wieder mobil zu sein. Und auch die Schmidts haben wieder eine Familienkutsche, einen alten Kombi „mit bösem Blick“, wie Sonja findet. Sofort macht sie sich an die Innen-Dekoration mit Farbakzenten in rosa und pink, was Ehemann Thomas alias Major Tom nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Das schöne Frühlingswetter sorgt für gute Stimmung auf dem Platz. Endlich kann jeder wieder basteln an seinem kleinen Paradies, kann Hecken beschneiden, Satellitenschüsseln installieren und Major Tom um Rat und Hilfe bitten.
Doch der kommt ans Ende seiner Kräfte und steht kurz davor, alles hinzuschmeißen. Niemand versteht, was eigentlich mit ihm los ist, bis herauskommt, dass er gar kein Werkzeug mehr zur Verfügung hat. Platzchef Paul Verhoeven ist damit unterwegs, um auf einem anderen Campingplatz zu arbeiten. Seinen Platzwart am Wiesensee hat er dabei offenbar einfach vergessen. (Text: SWR)

Sonja Schmidt reicht es. Ginge es nach ihr, könnte das Leben auf dem Campingplatz bald ein Ende finden. Ihr Mann Thomas ist als Platzwart ständig im Einsatz, das Wetter ist meistens grau und die Stimmung auf dem Platz wird immer schlechter. Eine kleine Wohnung findet Sonja da viel attraktiver. Nur Tochter Eva ist und bleibt begeistert: Seitdem sie im eigenen kleinen Wohnwagen lebt, ist der Campingplatz für sie der beste Wohnort aller Zeiten. Ehemann Thomas gibt sein Bestes, um die Stimmung seiner Frau ein wenig aufzuhellen: Er schenkt ihr wieder ein neues Quad (nachdem das alte Quad für den Kauf eines neuen Autos versilbert werden musste) und gibt ihr freie Hand bei der Dekoration des neuen Klohäuschens. Bei ihm herrscht Aufbruchstimmung: Ganz in der Nähe hat er ein verwunschenes Gelände mit Teich und Blockhaus entdeckt, auf dem er am liebsten sofort einen eigenen Campingplatz eröffnen möchte. (Text: SWR)