13 Filme, Folge 1–13

  • Folge 1
    „Ich denke, wenn ich mich geoutet hätte, wäre das besser gewesen. Da war ich zu feige.“ Das späte Outing eines pensionierten Lehrers aus Leipzig, der sich erst im Zuge der Dreharbeiten zu „Unter Männern“ öffentlich zu seinem Schwul-Sein bekennt. Homosexualität wurde in der DDR nicht verfolgt. Trotzdem, geoutet hat sich keiner, denn anders sein – egal auf welche Art und Weise – ist in keinem totalitären System besonders gefragt. In der DDR konnte man damit leicht zum Staatsfeind avancieren und ins Visier der Stasi geraten. Aber auch das ganz gewöhnliche Alltags-Dasein im Arbeiter- und Bauernstaat war für Schwule nicht ohne Tücken: die Verschwörung des Schweigens, die Ächtung, das Unverständnis und Intoleranz vieler Mitmenschen.
    Der Druck zu Gesellschaftskonformität und sexueller Diskretion, das alles lastete schwer. Wie also lebte man als Schwuler in der DDR? Wie wurde Homosexualität im „real existierenden Sozialismus“ gelebt, in einem Staat, dessen Ideologen in der Homosexualität einen Rest bürgerlich-dekadenter Moral witterten und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft sahen? Regisseur Ringo Rösner lässt sechs Männer zu Wort kommen, die in aller Offenheit über ihre sozialen und intimen Erfahrungen sprechen.
    Wir lernen Menschen kennen, die unterschiedlicher, auch widersprüchlicher, nicht sein könnten. Christian Schulz ist fast achtzig. Der pensionierte Lehrer hat sich nie offen als schwul geoutet und wollte eigentlich gar nicht bei dem Film mitmachen. Er tat es trotzdem, denn „vielleicht hilft es manchen anderen, aus meinem Leben Lehren zu ziehen“. Jahrelang hat er gegen seine Homosexualität angekämpft, mit psychiatrischer Hilfe wollte er „gesellschaftskonformer“ werden.
    Lange hat er seine sexuelle Neigung nicht ausgelebt, sondern sich stattdessen in den Sport gestürzt. Der Turner ist der Zweifler unter den Porträtierten, der nun mit seinem (nicht) gelebten Leben hadert. Es sind offene Gesprächssituationen, in denen auch die anderen Männer vor der Kamera viel von sich preis geben: Eduard Stapels, Theologe und als treibende Kraft der ostdeutschen Schwulenbewegung immer im Schussfeld der Stasi; der Grafiker Jürgen Wittdorf, der davon erzählt, wie es ist „wenn man Liebe sucht und mit dem Tod bedroht wird“; der Glaskünstler John Zinner, der sich traute, sich in der tiefsten Thüringischen Provinz zu outen und „damit eine Lawine lostrat“; Helwin, aus Chile eingewandert, für den die DDR ein wahres „Schwulenparadies“ war.
    Und der Szene-Friseur Frank Schäfer, als Paradiesvogel mit bunten Klamotten und Punkfrisur häufig im Konflikt mit der Staatsmacht, aber „viel verhaftet war auch viel cool“. Er ist der einzige, der sich in den Westen absetzte, der Liebe wegen. Jeder der sechs Protagonisten hat seine persönlichen, negativen wie positiven Erfahrungen gemacht und ist seinen ganz eigenen Lebensweg gegangen, in „Unter Männern – Schwul in der DDR“ entsteht daraus ein differenzierter Einblick in das (schwule) Leben in der DDR und gleichzeitig eine universelle Reflexion über Lebenslauf und Selbstbestimmung.
    Ein einzigartiger Dokumentarfilm über ein besonderes Kapitel deutscher Geschichte, das im öffentlichen Bewusstsein bislang fast vollständig ausgeblendet war. Ein Film, der mit beachtlicher Resonanz im Rahmen der Berlinale 2012 seine Premiere hatte und – inzwischen mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ versehen – für viel Wirbel gesorgt hat. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereSo 23.06.2019MDR
  • Folge 2
    Wie ein Schlag trifft es Philipp, als er Matthias begegnet. Jetzt weiß er, dass er ein Leben lang auf ihn gewartet hat. Aber da ist Tanja, die ihn liebt, sind Vorurteile in der Gesellschaft gegenüber unüblicher Partnerschaft. Nicht nur Philipp gerät in eine Krise. Philipp (Matthias Freihof) ist ein Lehrer, wie ihn sich Schüler wünschen. Intelligent, gutaussehend und kreativ, begeistert er sie für den Unterricht. Kaum vorstellbar, dass ihn etwas aus der Bahn werfen kann. Und genau das passiert, als er auf Matthias (Dirk Kummer) trifft. Unerwartet offenbart sich in dieser Begegnung seine homosexuelle Veranlagung. Eine schmerzhafte, konfliktreiche Selbstfindung beginnt. Nicht nur für den Lehrer. Auch für seine Freundin Tanja (Dagmar Manzel), die ein Kind erwartet.
    Für die Mutter (Walfriede Schmitt) bricht nach der Offenbarung des Sohnes eine Welt zusammen. Schließlich jagt ein Rettungswagen durch die Silvesternacht, in dem Matthias mit dem Tode ringt. Mit „Coming out“ knüpft Heiner Carow an seine besten Filme der 1970er-Jahre an („Die Legende von Paul und Paula“, „Bis dass der Tod euch scheidet“, „Die Russen kommen“). Um das Bekenntnis seiner Helden zu sich selbst, ihren Gefühlen und ihrer Individualität herauszufordern, treibt sie der Regisseur bis an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit. Emotional, spannend und ehrlich plädiert der Film für Verständnis und Toleranz gegenüber jeglicher Art von Anderssein. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereMo 24.06.2019MDR
  • Folge 3
    Als der 11-jährige taffe Bandenboss Ole zusammen mit seinen Jungs Marco und Milan den Schulranzen der 13-jährigen Davie „zockt“, denkt er nicht im Traum daran, dass er wenig später zusammen mit ihr, geschminkt und in einem Prinzessinnenkleid auf der Bühne eines Schul-Karaoke-Contests stehen wird … und seine Freunde erst recht nicht! Kindheit und Identität wird meist erst in der Pubertät Gegenstand von Filmerzählungen. Die Frage, ob ein Kind sich als Junge oder als Mädchen fühlt, wird aber erstaunlich früh virulent. Und so muss sich die Hauptfigur Ole mit seinem Hang zu Mädchenkleidern auseinandersetzen. Dass ausgerechnet ein von ihm erst verachtetes Mädchen ihm hilft, zu sich zu stehen, erzählt diese Geschichte um Freundschaft und Loyalität. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereMo 24.06.2019MDR
  • Folge 4
    Jackie und Martin sind seit einer gefühlten Ewigkeit ein Paar. Doch eines Tages lernt Jackie Serge kennen, der heftig mit ihr flirtet. Martin, der glaubt, seine Frau könnte nie einen anderen lieben, freundet sich auch mit Serge an. Längst ist der Franzose nicht mehr nur an Jackie interessiert. Bei Jackie (Paula Kalenberg) und Martin (Florian Panzner), seit zehn Jahren ein Dreamteam, stehen alle Vorzeichen auf Familienglück. Mitsamt „Omma“ Gisela (Barbara Nüsse), der engsten Vertrauten, zieht das junge Paar vom Ruhrpott ins weltstädtische München.
    Während er als gut bezahlter Messebauer das Geld verdient, hofft sie auf baldigen Nachwuchs. Die wohlgeordneten Moleküle ihrer Bilderbuchehe geraten durch eine Zufallsbekanntschaft in ein Chaos. Grund dafür ist Serge (Vladimir Korneev), der eine Creperie im Szeneviertel betreibt. Unverschämt sexy flirtet er mit Jackie. Der lässige Bretone hat etwas Verwegenes, das ihrem „Mann fürs Leben“ fehlt. Wie stark ihre Hormone in Wallungen geraten, merkt Martin, durch den neuen Job viel unterwegs, zunächst nicht. Er ist sich seiner Frau ohnehin absolut sicher und freundet sich ganz souverän mit Serge an.
    Bei einem ausgelassenen Abendessen zu dritt erfährt das Ehepaar mehr vom „Savoir-vivre“ des Franzosen. Dessen Freigeistigkeit gefällt zu Jackies Erstaunen auch ihrer „Omma“, die mit Ruhrpott-Pragmatismus rät: Einmal ist keinmal – und wenn man es hinter sich bringt, erledigt sich die erotische Neugier. Jackie zögert allerdings noch, sich auf Serges Sinnlichkeit einzulassen, die inzwischen nicht mehr nur ihr gilt. Aber noch ist Martin nicht bereit, sich auf eine „Ménage a trois“ ohne Tabus einzulassen. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDi 25.06.2019MDR
  • Folge 5
    Thor und Kristján leben in einem entlegenen Dorf in Island. Doch die Jungen bemerken, dass sie sich allmählich verändern. Als Thor nicht weiß, wie er sich einem Mädchen aus dem Ort nähern soll, bietet Kristján seine Hilfe an. Doch der muss zugleich mit der immer stärkeren Zuneigung leben, die er für seinen besten Freund empfindet. Thor (Baldur Einarsson) und Kristján (Blar Hinriksson) leben in einem kleinen entlegenen Fischerort in Island. Ihren Sommer verbringen die 13-jährigen dort, so gut es eben geht. Sie vertreiben sich die Zeit beim Fischefangen an der Hafenmole, auf dem Schrottplatz oder vor dem Spielautomaten.
    Sie vertrauen einander – was viel wert ist in einem Dorf, in dem auf die Erwachsenen eher wenig Verlass ist, und kaum eine Peinlichkeit vor der Gemeinschaft verborgen bleibt. Doch die Freunde bemerken auch, dass sie sich allmählich verändern. Thor hat es nicht leicht, gegen die größer gewachsenen Jungen und seine älteren Schwestern zu bestehen. Als er nicht weiß, wie er sich Beta (Diljá Valsdóttir), einem Mädchen aus dem Ort nähern soll, bietet Kristján ihm seine Hilfe an. Doch der muss zugleich mit der immer stärkeren Zuneigung leben, die er für seinen besten Freund empfindet.
    In Island wurde Homosexualität bereits 1940 entkriminalisiert. Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir war 2009 die erste offen lesbische Regierungschefin der Welt. Ein Drittel der Bevölkerung schaut jedes Jahr beim Christopher Street Day vorbei. Doch das bewegende, mehrfach preisgekrönte Jugenddrama zeigt, das selbst das tolerante Island kein queeres Paradies ist. Der provinziellen Enge der Dorfgemeinschaft stellt Regisseur Guðmundur Arnar Guðmundsson die Weite der atemberaubenden isländischen Natur entgegen. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDi 25.06.2019MDR
  • Folge 6
    Für Neele und ihre Lebenspartnerin Steff scheint der Traum vom eigenen Kind in Erfüllung zu gehen: Steff ist schwanger. Aber bei der künstlichen Befruchtung kam es zu einer Verwechslung: Sie bekamen die eines schwulen Paares: Kalle und Jens wünschen sich ebenfalls ein Baby und betrachten die Verwechslung als eine Art Fügung. Endlich schwanger! Für die Hamburger Literaturdozentin Neele (Christina Hecke) und ihre Lebenspartnerin, Zahntechnikerin Steff (Friederike Kempter), geht damit ein Traum in Erfüllung. Schon lange wünschen sich die beiden ein Kind.
    Allerdings werden die Pläne von künftiger Mama-Mami-Baby-Dreisamkeit jäh zerstört – denn wie sich herausstellt, kam es bei der künstlichen Befruchtung zu einer folgenschweren Verwechslung: Der Erzeuger ist nicht der sorgsam ausgesuchte junge Samenspender ohne Vaterambitionen, sondern der freundliche Kalle (Christian Näthe), der mit seinem Mann Jens (Marc Hosemann) ebenfalls vom eigenen Nachwuchs träumt. Da die Leihmutter des sympathischen Männerpaares im letzten Moment einen Rückzieher machte, sehen die beiden in der Verwechslung eine Art Fügung des Schicksals.
    Sie freuen sich schon darauf, dem Mutterpaar als aktive Väter zur Seite zu stehen – am liebsten Wand an Wand im gemeinsamen Vorstadt-Doppelhaus. Steff und Neele fallen angesichts dieser Idee aus allen Wolken. Für die beiden ist allein schon der Gedanke an eine geteilte Fürsorge der reinste Albtraum. Sie sehen in dem Sportreporter Kalle und dem Makler Jens lediglich zwei schwule Spießer mit gänzlich anderen Lebenseinstellungen. Vor allem Neele lässt nichts unversucht, um die lästigen Kindsväter zu vergraulen.
    Erst nach einigen Reibereien und verbalen Scharmützeln wird dem ungleichen Vierergespann klar, dass es bei der Sache nicht um persönliche Interessen gehen darf, sondern um ihr gemeinsames Kind: Statt Gezeter und Gezerre ist Kooperationsbereitschaft gefragt. Und tatsächlich stellt sich mit der Zeit ein gegenseitiges Vertrauen und so etwas wie ein „Vier“-Gefühl ein. Doch es kommt anders – und die angehende Patchwork-Regenbogenfamilie wird vom Schicksal auf eine harte Probe gestellt.
    Die Kinderwünsche gleichgeschlechtlicher Paare sind ein hochaktuelles, oft umstrittenes Thema. Die Gesellschaftskomödie „Vier kriegen ein Kind“ zeigt mit hintersinnigem Humor, aber auch ernsteren Untertönen, dass gute Elternschaft in allererster Linie eine Frage der Herzensbildung ist. Drehbuchautor Volker Krappen und Regisseur Matthias Steurer zeichnen die vier Hauptfiguren mit einem feinen Gespür für charakterliche Eigenheiten und in einer gelungenen Balance aus Lebensnähe und sanft-ironischer Überzeichnung. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.06.2019MDR
  • Folge 7
    „Ich bin ein Mädchen.“ Ein einfacher Satz, aber mit einer Menge Zündstoff. Denn er stammt vom 17-jährigen Finn, der damit für Aufruhr in seinem Umfeld sorgt – am meisten bei seinem Vater Tobias. Auch wenn einige von ihnen es nach dem ersten Schock für einen Scherz halten, für Finn ist es nichts als die Wahrheit. Schon als Kind fühlte er sich fremd im eigenen Körper. Ein Austauschjahr in den USA hat er genutzt, um sich auch optisch in ein Mädchen zu verwandeln: Helen. Ein leichter Weg wird es nicht, für keinen der Beteiligten. Als Tobias Wilke (Heino Ferch) den 17-jährigen Finn (Jannik Schümann) nach dessen einjährigem Auslandsaufenthalt vom Flughafen abholen will, steht ihm eine junge Frau gegenüber, in der er nur langsam seinen Sohn wiedererkennt.
    Finn erklärt seinem verwirrten Vater, sich schon immer als Mädchen im Jungenkörper gefühlt zu haben. Er nennt sich nun Helen. Das Austauschjahr bei seiner Tante in den USA hat er genutzt, um die sexuelle Identität endlich offen zu zeigen. In der Zeit in San Francisco ist sein Entschluss endgültig gereift, sich ab sofort als Mädchen zu kleiden, um den gesetzlich vorgeschriebenen „Alltagstest“ bestehen und bei Eintritt der Volljährigkeit eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen lassen zu können. Für sein Umfeld beginnt der Härtetest.
    Nach dem ersten Schrecken sieht sich der aufgewühlte Vater mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert: Wie kann es sein, dass er nichts gemerkt hat? Hat seine vor zwei Jahren tödlich verunglückte Frau, deren Verlust Tobias noch nicht überwunden hat, etwas gewusst? Aber auch Helen muss sich schmerzlichen Fragen stellen: Wird es ihr gelingen, bei ihrem Entschluss zu bleiben? Selbst auf die Gefahr hin, die Menschen, die ihr am meisten bedeuten, zu verlieren? Gemeinsam begeben sich Vater und Tochter auf eine Reise, die sie gleichermaßen zueinander und zu sich selbst führt: ein komisches, liebevolles Ringen um Wahrheit und Selbstbestimmung.
    Das Thema Transgender rückt immer stärker in den Fokus des öffentlichen Interesses, auch als Filmthema. Eindrucksvoll, authentisch und klug wird hier die Problematik in all ihren Schattierungen beleuchtet. Eine Dramedy mit feinem Humor, weder sentimental noch düster. Jannik Schümann glänzt mit seiner berührenden Darstellung von Finn/​Helen. Und Heino Ferch als alleinerziehender Witwer stellt die emotionale Achterbahnfahrt vom gänzlich überforderten bis zum verständnisvollen Vater glaubhaft dar. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.06.2019MDR
  • Folge 8
    Kussforscher Fred Hintermeier trifft die junge Buchautorin Luzie, die mit ihrer Freundin Sibil das Seelenleben der Männer ergründet. Der Wissenschaftler ist fasziniert von dem attraktiven Paar und besucht die beiden in ihrem Landhaus in der Provinz. Dabei wird der nüchterne Wissenschaftler selbst zum Forschungsobjekt der Frauen.
    Dr. Fred Hintermeier (Peter Knaack) arbeitet am biochemischen Institut in Berlin. Als Philematologe erforscht er die neurophysiologischen Effekte des menschlichen Nervensystems beim Küssen. Freiwillige Versuchspersonen tauschen in seinem Labor eng umschlungen Zärtlichkeiten aus. Mit kritischem Blick überwacht Hintermeier ihr Verhalten via Monitor. Diese kühle wissenschaftliche Distanz gegenüber der Liebe zerstört leider das Privatleben des Gelehrten: Seine Frau lässt sich scheiden, den Geburtstag verbringt der vereinsamte Wissenschaftler mit einem Callgirl. Sein tristes Leben ändert sich durch die Bekanntschaft mit der jungen Luzie (Katharina Lorenz) und ihrer Freundin Sibil (Seyneb Saleh). Die beiden sind ein Paar und brauchen eigentlich keine Männer, doch als Romanschriftstellerin hat Luzie das gleiche Forschungsgebiet wie Fred.
    Sie interessiert allerdings mehr die emotionale Seite des Küssens – für Hintermeier ist dies Neuland. Bereitwillig wechselt er die Seiten und stellt sich den beiden attraktiven Frauen als Forschungsobjekt zur Verfügung, zumal der Versuchsaufbau sich als verführerisch erweist: In einem roten Kuschelzimmer, ausgestattet mit Kissen, Matratzen und einem Fernseher, kommt es zu zärtlichen Annäherungen. Fred muss genau erklären, was er fühlt. Der Kussforscher ist begeistert von dieser Versuchsanordnung und unterschreibt einen Beziehungsvertrag – mit seinem eigenen Blut. Das amouröse Arrangement kostet ihn allerdings 3.000 Euro im Monat.
    In dieser amüsanten Hinterfragung der Geschlechterrollen gibt Rudolf Thome sich selbstironisch. Wie so häufig erzählt der Autorenfilmer in seinem filmischen Paralleluniversum von herrlich skurrilen Versuchsanordnungen. Das war schon in seinem frühen Meisterwerk „Rote Sonne“ so, in dem die Frauen nahmen, was sie wollten – auf ihre Weise. In „Das rote Zimmer“, einer altersmilden Fortsetzung dieser Männermeuchelei, beschreibt Thome nun die Abenteuer eines Kussforschers. Burgschauspieler Peter Knaack spielt diesen Erbsenzähler der Lust als verklemmten Volvofahrer. Wie in einem Tagtraum gerät er an ebenso sinnliche wie dominante Frauen. Katharina Lorenz und Seyneb Saleh als menschliche, allzu menschliche Liebesgöttinnen sind sehenswert.
    Nur unterschwellig ahnt man, dass sie möglicherweise Gottesanbeterinnen sind, die ihr „Objekt“ irgendwann verspeisen. Der gelassenen Darstellung dieser doppelbödigen Erotikphantasie tut diese Irritation allerdings keinen Abbruch. Wie immer am Ende eines Thome-Films ziehen die Protagonisten los – ans Meer, wohin sonst? Anlässlich des 50. Jahrestags des Christopher Street Day präsentiert das MDR-Fernsehen zum ersten Mal eine Filmreihe jenseits der Hetero-Norm. Bis zum 29. Juni laufen zahlreiche queere Liebesgeschichten, Coming-of-Age-Filme, Beziehungsdramen und -komödien sowie Kurzfilme. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 27.06.2019MDR
  • Folge 9
    Carola Martin, Frau eines Bonner Möbelunternehmers und Mutter einer erwachsenen Tochter, hat ihr Leben im Griff. Doch nach dem tragischen Unfalltod ihres Mannes merkt sie, dass sie jahrelang mit einer Lüge gelebt hat: Dieter war schwul und hatte eine intensive Beziehung mit einem jungen Anwalt. Carola Martin (Thekla Carola Wied) ist nicht scharf darauf, im Rampenlicht zu stehen. Aber als eine Lokalreporterin sie beim 50. Jubiläum des Familienunternehmens „Möbelhaus Martin“ nach ihrem Rezept für eine gelungene Ehe fragt, gibt sie gerne gute Ratschläge: Ehrlichkeit und Vertrauen gehören unbedingt dazu.
    Carolas private Bilanz scheint ihr recht zu geben. Sie ist seit 25 Jahren glücklich verheiratet, hat eine patente Tochter (Valerie Koch) großgezogen und ist inzwischen wieder berufstätig, als Lektorin in Berlin. Dass sie sich ihrem Mann Dieter (Miguel Herz-Kestranek) ein wenig entfremdet hat, führt Carola auf die Umstände zurück – ihre häufige Abwesenheit, den Stress. Dann kommt Dieter bei einem Autounfall ums Leben. Und als die verzweifelte Carola notgedrungen – die Möbelfirma hat sie bisher kaum interessiert – Einblick in seine Unterlagen nimmt, begreift sie, dass sie ihren Mann nie wirklich gekannt hat: Dieter war schwul und führte jahrelang eine Beziehung mit dem jungen Anwalt Tobias Volperius (Heikko Deutschmann).
    Als Carola auch noch erfährt, dass ihre Tochter Simone von der Existenz des Liebhabers wusste, bricht für sie eine Welt zusammen. Während sie eigentlich um die Firma ihres Mannes kämpfen müsste, die von dem intriganten Prokuristen Viktor Lipinski (Fritz Karl) wegen des angeblich drohenden Bankrotts zum Kauf angeboten wird, versinkt Carola in tiefe Depression und versucht sogar, sich umzubringen.
    In dieser Situation ist es ausgerechnet der sensible, von einer schweren Krankheit gezeichnete Tobias, der ihr zur Seite steht. Er ist der Auffassung, dass Dieters Ehe und seine Homosexualität ganz einfach „Zwei Seiten der Liebe“ sind. Seine Vernunft und Beharrlichkeit bringen Carola schließlich dazu, ihr Verhältnis zu ihrer Familie und ihr eigenes Rollenverständnis zu überdenken. In ihrer populärsten Serie „Ich heirate eine Familie“ war die Schauspielerin Thekla Carola Wied Mittelpunkt einer heilen Familienwelt.
    Aber die beliebte Schauspielerin hat sich längst vom Rollenklischee der patenten Mutter entfernt und zeigt unter der Regie von Bodo Fürneisen, mit dem sie bereits „Eine Frau will nach oben“ drehte, erneut ihre Fähigkeit, komplexe, moderne Charaktere zu gestalten. Carola, die Hauptfigur des ebenso gefühlvoll wie umsichtig inszenierten Dramas über die „Zwei Seiten der Liebe“, geht aus einer existenziellen Krise gestärkt hervor, indem sie lernt, alternative Lebensentwürfe zu akzeptieren. In der Rolle des schwulen Tobias liefert Heikko Deutschmann eine eindrucksvolle Vorstellung. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereFr 28.06.2019MDR
  • Folge 10
    Das anstrengendste, liebenswerteste, unberechenbarste Kind der Welt läuft jetzt fast von alleine – es wird auch Zeit. Jahrelang hat Mutter Susann für ihren 17-jährigen Sohn Milan die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt. Jetzt hat sie sich einen Traum erfüllt: die eigene Arzt-Praxis. Vielleicht als Reaktion darauf fühlt Vater Gustav sich in seinem Architektenjob plötzlich unterfordert. Möbelrücken im Herzen der Familie. Die Statik, sie verändert sich. Und dann baut Milan einen schlimmen Unfall, mit dem Wagen seines Vaters und mit 1,7 Promille im Blut. Was sich wie ein aufflammendes postpubertäres Milan-Chaos anfühlt, entpuppt sich als Selbstmordversuch. Den Grund kennt vorläufig nur er selbst: Im betrunkenen Überschwang hat Milan seinen besten Freund Christoph geküsst und damit sein Innerstes offenbart.
    Milan ist schwul. Erst eine Affäre mit dem älteren Fotografen Harro gibt Milan die Kraft, es seinen Eltern zu sagen. Susann und Gustav fällt es wie Schuppen von den Augen. Milan ist schwul und endlich normal! Gustav nutzt die Chance und tritt einen neuen Job in Berlin an. Susann nimmt ihm seine einsame Entscheidung übel und setzt in einer Trotzreaktion ihre Ehe aufs Spiel. Milans neue Liebe wird enttäuscht. Aber er findet neue Energie auf der Suche nach seiner sexuellen Identität. Dabei wird die Familie vor ganz neue Fragen gestellt. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereFr 28.06.2019MDR
  • Folge 11
    Herr Jonas und Herr Schmidt erscheinen auf den ersten Blick wie gewöhnliche Vertreter, aber sie haben ihre Geheimnisse. Unter den perfekten Anzügen scheinen Liebe, Courage und andere faszinierende Eigenschaften durch. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereFr 28.06.2019MDR
  • Folge 12
    In der Fortsetzung „URSUS 2 – Die Berliner Bären sind zurück“ verfolgen Gerald Backhaus und sein Team, was aus den drei Bären, dem Prenzlbär, dem Weddingbär und dem Marzahnbär, nach ein paar Jahren geworden ist. Dabei werden aktuelle Themen wie drohende Verdrängung und Gentrifizierung, Regenbogenfamilien und häufig auftretende typische Entwicklungen in Partnerschaften und Familien aufgegriffen. „URSUS BERLINENSIS- Die Bären von Berlin“ ist eine Studie über das Berliner Wappentier im Raubtierdschungel der Hauptstadt. Das Vorgängerwerk kam daher wie eine Dokumentation über Tiere. Die Komödie zeigte aus der Perspektive von Tierforschern anhand von drei Beispielen, wie die Menschen in den Berliner Stadtteilen Marzahn, Wedding und Prenzlauer Berg leben. Der Film gipfelte in einem Experiment, das mit den Protagonisten durchgeführt wurde. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereFr 28.06.2019MDR
  • Folge 13
    New York, in den 1950er Jahren. Die elegante Hausfrau Carol (Cate Blanchett) möchte ihrem Goldenen Käfig entfliehen: Sie ist fest entschlossen, sich von ihrem wohlhabenden Ehemann Harge (Kyle Chandler) zu trennen und mit ihm das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter zu teilen. Was der wahre Grund für das Scheitern der äußerlich perfekten Ehe ist, darf niemand außer ihrer besten Freundin Abby (Sarah Paulson) wissen: Carol fühlt sich zu Frauen hingezogen. Als sie in einem Warenhaus die Verkäuferin Therese Belivet (Rooney Mara) kennenlernt, ist es für beide Liebe auf den ersten Blick.
    Auch die junge Frau, deren Freund Richard Semco (Jake Lacy) bereits Pläne für eine gemeinsame Zukunft schmiedet, lässt sich auf das Abenteuer ein. Harge gibt jedoch nicht auf und fängt einen Scheidungskrieg an: Er will Carol ihre Tochter entziehen und sie so zwingen, in die Rolle als Ehefrau und Mutter zurückzukehren. Während Carol ihr neues Leben zu genießen beginnt, scheut er vor keinem Mittel zurück, ihren „unmoralischen“ Lebensstil auszuschlachten.
    Carol steht vor der schweren Wahl, sich für ihr Kind oder ihre Geliebte entscheiden zu müssen. Die zweifache Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett und Rooney Mara begeistern in dem eleganten Hollywood-Melodram „Carol“ als Liebespaar. Die Romanvorlage „Salz und sein Preis“ veröffentlichte Patricia Highsmith im Jahr 1952 unter Pseudonym, weil das damals brisante Thema einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ihren Aufstieg als Krimiautorin hätte gefährden können. „Carol“ feierte 2015 Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes, wo Rooney Mara als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde.
    Meisterhaft ist Edward Lachmans Kamera, die wie ein dezenter Beobachter die Handlung begleitet, die Darstellerinnen atemberaubend schön inszeniert und in aller Stille stilsichere Zeitporträts schafft. „Carol“ schließt die queere Filmreihe ab, die das MDR-Fernsehen anlässlich des 50. Jahrestags des Christopher Street Day ausgestrahlt hat. Eine Woche lang waren zahlreiche Liebesgeschichten, Coming-of-Age-Filme, Beziehungsdramen und -komödien sowie Kurzfilme jenseits der Hetero-Norm zu sehen. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereSa 29.06.2019MDR

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