2016/2017, Folge 498–513

  • Folge 498
    Damit hatte niemand gerechnet: Erstmals räumt die Bundeskanzlerin Fehler in der Flüchtlingspolitik ein. Denn immer tiefer gerät Merkels Regierungskoalition von Union und SPD in die Vertrauenskrise. Bei der Berlin-Wahl erreichten sie zusammen nicht einmal mehr 40 Prozent. Sind die Volksparteien Vergangenheit, die Protestparteien von rechts und links die Zukunft – mit unabsehbaren Folgen für die politische Stabilität im Lande?
    Die Gäste:
    Katarina Barley, SPD (Generalsekretärin)
    „Merkels Teflonschicht ist angekratzt, und ihr fliegt der Laden im Moment heftig um die Ohren“, sagt die Bundestagsabgeordnete und macht die Union für die Verluste der SPD mitverantwortlich. „Die Koalition wird in einen Topf geschmissen. Aber wir machen einen richtig guten Job. Wir können uns nicht für die Fehler der CSU mitverhaften lassen.“ Deswegen hat die Fortsetzung der Großen Koalition für die SPD-Politikerin nach der nächsten Bundestagswahl „keine Präferenz“ mehr.
    Sahra Wagenknecht, Die Linke (Fraktionsvorsitzende)
    „Nicht wenige wählen die AfD faktisch in einer Art Notwehr, um auf sich aufmerksam zu machen“, kommentiert die linke Spitzenpolitikerin die jüngsten Erfolge der Rechtspopulisten. Es sei Merkels Politik gewesen, die der Partei letztlich den Durchbruch gebracht habe. Nach dem Wahlerfolg der Linken in Berlin kann sich die Fraktionsvorsitzende eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene vorstellen. „Ob es dazu kommen kann, hängt nicht in erster Linie von uns ab, sondern davon, ob die SPD überhaupt bereit ist, eine sozialere Politik zu machen“, warnt Sahra Wagenknecht.
    Frauke Petry, AfD (Bundesvorsitzende)
    „Die AfD ist gekommen, um zu bleiben“, kommentiert die Bundesvorsitzende der AfD den Wahlerfolg ihrer Partei, die damit in zehn Landtagen vertreten ist. Die etablierten Parteien „verlieren immer mehr an eigener Identität, bis sie in der Bedeutungslosigkeit versinken“, glaubt sie. Die großen Parteien hätten „den Wählern zu lange nicht zugehört“. Im kommenden Jahr will sie mit der AfD in den Bundestag einziehen. „Mittelfristig kommt uns die Aufgabe zu, die CDU als Volkspartei zu ersetzen“, prophezeit Frauke Petry selbstbewusst.
    Peter Radunski, CDU (ehemaliger Bundesgeschäftsführer)
    Der langjährige Wahlkampfmanager Helmut Kohls rät seiner eigenen Partei zum Tabubruch. Die Union solle endlich den Bann gegen die AfD aufheben und im Zweifel auch eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei eingehen. „Wenn der AfD Regierungsverantwortung übertragen wird, wäre das der härteste Existenztest für die Partei“, glaubt der Politikberater, der zwischen 1976 und 1990 alle Bundestagswahlkämpfe der CDU leitete. Die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin verteidigt der ehemalige Berliner Senator und beklagt den mangelnden Rückhalt in der Union.
    Albrecht von Lucke (Politikwissenschaftler)
    „Mit dem Aufstieg der AfD geht die Destabilisierung der alten bundesrepublikanischen Ordnung einher“, sagt der Parteienexperte. Die alte Bonner Zweiteilung, gekennzeichnet durch zwei stabile Volksparteien, sei völlig aus dem Lot geraten. Bisher habe der Grundsatz gegolten: „Wenn nichts mehr geht, große Koalition geht immer“, erklärt der Politikwissenschaftler. Das gelte nun nur noch bedingt. Dabei sei „maßgeblich die CSU durch das Schüren einer Angststimmung für die AfD-Erfolge zuletzt verantwortlich“, glaubt Albrecht von Lucke. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 21.09.2016Das Erste
  • Folge 499
    Viele Internetnutzer unterschätzen die Bedrohung: Verbrecher tarnen sich mit falschen Identitäten und erschleichen sich das Vertrauen ihrer Opfer. Das Tatmotiv: Geld oder Sex. So werden Kinder, die in vermeintlich harmlosen Chatrooms Kontakte suchen, Opfer sexuellen Missbrauchs. Kriminalisten nennen es Cyber-Grooming. Oder es trifft Singles, die in sozialen Netzwerken oder Dating-Portalen nach Partnern suchen. Sie werden von Betrügern ausgenommen, die ihnen Liebe oder Sex versprechen, aber am Ende nur auf Geld aus sind.
    Gäste: Monika Beisler (Tochter nach Cyber-Grooming verschwunden), Arne Völker (Erpressungsopfer)
    Thomas-Gabriel Rüdiger (Kriminologe), Beate Krafft-Schöning (Jugendschutz-Expertin), Yvonne Willicks (TV-Moderatorin, „Der große Haushaltscheck“)
    Monika Beisler
    Der Fall macht seit drei Jahren Schlagzeilen: Maria, die Tochter von Monika Beisler, wurde das Opfer von Cyber-Grooming. Ein 53-jähriger Familienvater gab sich in einem Online-Chat als Teenager aus und erschlich sich das Vertrauen der damals 13-Jährigen. Sie traf sich mit dem Elektriker und verschwand im Mai 2013. „Ich habe richtig Angst gekriegt und die Polizei gerufen“, erinnert sich die Freiburgerin. Eine große Fahndung wurde gestartet – doch ohne Erfolg. Bis heute bleibt Maria vermisst. Ihre Mutter hat die Hoffnung nie aufgegeben und wartet jeden Tag auf ein Lebenszeichen: „Es ist ein ständiges Weitermachen. Mein einziges Ziel ist, dass meine Tochter nach Hause kommt.“
    Arne Völker
    Der Single tappte im Internet in eine Sex-Falle. Es begann als Flirt auf Facebook mit einer attraktiven jungen Frau. „Sie hat mich um den Finger gewickelt, und ich vergaß alle Bedenken“, erzählt der Werbetexter. Schließlich überredet ihn die angeblich 23-Jährige, sich zu entblößen. Kurz darauf der Schock: Arne Völker wird mit den Nacktbildern erpresst. Die Verbrecher drohen ihn als Kinderschänder zu brandmarken, wenn er nicht 75.000 Schweizer Franken zahlt. Doch der 48-Jährige tritt die Flucht nach vorne an und macht die Erpressung öffentlich.
    Thomas-Gabriel Rüdiger
    „Das Netz ist ein Geschenk Gottes an die Straftäter“, sagt der Experte für Verbrechen im Internet. Besonders das Cyber-Grooming mit Kindern habe sich in jüngster Zeit extrem ausgebreitet. „Praktisch jedes Kind hatte im Internet bereits mit einem Täter Kontakt, oft auch ohne es zu wissen“, glaubt der Kriminologe, der seit Jahren vor den Gefahren für Kinder im Internet warnt. Die Straftäter fühlen sich in der Anonymität sicher. Tatsächlich werden die meisten Delikte nicht zur Anzeige gebracht, berichtet Thomas-Gabriel Rüdiger.
    Beate Krafft-Schöning
    „Kinder präsentieren sich im Netz völlig ungeschützt, oft haben weder sie noch ihre Eltern ein Bewusstsein für die enorme Gefahr“, sagt die Journalistin, die das Thema seit vielen Jahren auf ungewöhnliche Weise recherchiert. Auf Chatseiten gibt sie sich als Kind aus. Sie hat so zahlreiche mutmaßliche Täter zu einem Treffen gelockt und gestellt. „Leider hat sich in all den Jahren in der Bekämpfung dieser Verbrechen nicht viel verbessert“, kritisiert Beate Krafft-Schöning. Dabei machten sich die Pädophilen neuerdings an immer jüngere Kinder heran.
    Yvonne Willicks
    „Ich würde einem 12-Jährigen kein Smartphone erlauben“, sagt die Fernsehmoderatorin und dreifache Mutter und kritisiert, dass vielen Eltern die ständige Kontrolle ihrer Kinder schlicht zu anstrengend sei. Yvonne Willicks fordert strenge Regeln zur Internetnutzung: „Mit meinen eigenen Kindern habe ich sogar schriftliche Verträge aufgesetzt, sie durften nie ohne Aufsicht an den Computer, das W-LAN und Datenvolumen wurde streng begrenzt.“ Sie mahnt dringend einen vorsichtigeren Umgang mit den eigenen Daten im Internet an: „Wir alle wissen, wie schnell Daten geklaut werden.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 28.09.2016Das Erste
  • Folge 500
    Die EU-weite Genugtuung über die Niederlage Viktor Orbáns bei dem ungarischen Referendum darf nicht darüber hinwegtäuschen: Die Flüchtlingskrise bleibt ein Spaltpilz in Deutschland und Europa. Und das, obwohl der deutsche Innenminister Thomas de Maizière jetzt die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge, die letztes Jahr kamen, deutlich nach unten korrigiert hat. Haben uns die Populisten in Deutschland, Frankreich oder Österreich mit ihrer Panikmache ins Bockshorn gejagt? Zeigt sich jetzt, dass Merkels Flüchtlingspolitik viel weitsichtiger war als alle Untergangsszenarien?
    Gäste: Lea Rosh (Journalistin), Anton Hofreiter, B’90/​Grüne (Fraktionsvorsitzender), Beatrix von Storch, AfD (stellvertretende Parteivorsitzende), Jean Asselborn (Außenminister Luxemburg),
    Gergely Pröhle (Ungarischer Diplomat)
    Lea Rosh
    „Nur Angela Merkel kann Europa zusammen halten“, glaubt die langjährige
    Fernsehmoderatorin. Ein Zerbrechen der EU wäre in ihren Augen eine Katastrophe. Mit
    großer Sorge sieht Lea Rosh die Haltung vieler osteuropäischer Länder in der
    Flüchtlingsfrage: „Es ist furchtbar, was dort passiert. Aber rausschmeißen kann man sie nicht,
    das wäre tatsächlich das Ende der EU.“ Volksabstimmungen wie in Ungarn lehnt die
    Journalistin ab. „Dafür sind unsere Parlamente da. Es wäre in einzelnen Punkten schrecklich,
    was durch Volksabstimmungen durchgesetzt werden könnte.“
    Anton Hofreiter
    „Wir müssen für ein offenes und solidarisches Europa streiten und gegen die nationalen
    Egoismen und den Rechtsruck kämpfen“, fordert der Fraktionschef der Grünen im Bundestag.
    Dass Orbáns „aggressive Kampagne gegen Flüchtlinge und Migranten“ nicht genügend
    Ungarn überzeugen konnte, lasse hoffen, so Anton Hofreiter. Obwohl er die Gefahr sieht,
    „dass direkte Demokratie auch für menschenverachtende Hetze und Diskriminierung benutzt
    werden kann“, setzt sich der grüne Spitzenpolitiker für Volkentscheide auf Bundesebene ein.
    Beatrix von Storch
    Die Europaabgeordnete hält das Ungarn-Referendum nicht für gescheitert: „98 Prozent haben
    zugestimmt. Dieses Ergebnis eine Niederlage zu nennen, ist erstaunlich.“ Die stellvertretende
    Parteivorsitzende befürwortet Orbáns Kurs, kritisiert die europäische Einmischung in die
    nationalstaatliche Souveränität und fordert auch in der Bundesrepublik ein Referendum. „Den
    Deutschen sollte die Möglichkeit gegeben werden, über ihren Verbleib in der EU und
    Eurozone abzustimmen. Das ist Demokratie“, sagt Beatrix von Storch.
    Jean Asselborn
    Der überzeugte Europäer forderte vor dem Referendum den EU-Ausschluss Ungarns, sollte
    sich eine Mehrheit gegen die Verteilung von Flüchtlingen aussprechen. Der luxemburgische
    Außenminister wirft Ministerpräsidenten Orbán massive Verletzung von Grundwerten vor.
    Ungarn sei nicht weit entfernt vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge und behandle Menschen
    „fast schlimmer als wilde Tiere“, so Jean Asselborn. Jetzt habe das ungarische Volk sich
    europäischer als seine Regierung gezeigt. Trotzdem hält der sozialdemokratische Politiker
    nichts von Referenden: „Wenn man Europa kaputt machen will, braucht man nur mehr
    Referenden zu veranstalten.“
    Gergely Pröhle
    „Das Ergebnis der Volksbefragung in Ungarn ist keineswegs eine Sympathiebekundung für
    Angela Merkels Flüchtlingspolitik“, sagt der ehemalige ungarische Botschafter in
    Deutschland. Zwar sei das Referendum wegen der geringen Wahlbeteiligung ungültig, doch
    die Stimmung im Land habe sich nicht geändert: „Masseneinwanderung ist für uns Ungarn
    nicht akzeptabel“, erklärt der Diplomat. Die Mehrheit seiner Landsleute fürchte, dass die
    ungarische Gesellschaft so aus dem Gleichgewicht gerate.
    Deutsche TV-PremiereMi 05.10.2016Das Erste
  • Folge 501
    Erfurt, Winnenden, München: Wie immer nach solchen Taten stellt sich auch nach dem jüngsten Amoklauf in der bayerischen Hauptstadt die Frage: Warum erschießt ein junger Mann wahllos Menschen? Ist niemandem aufgefallen, dass er ein solches Verbrechen plante? Müssten Eltern nicht erkennen, dass ihre Söhne potenzielle Täter sind? Warum fallen Mitschülern oder Lehrern keine alarmierenden Vorzeichen auf?
    Gäste: Arbnor Segashi (Schwester starb bei Münchner Amoklauf), Gisela Mayer (Mutter eines Amok-Opfers), Pascal Mauf (überlebte Erfurter Amoklauf), Prof. Dr. Britta Bannenberg (Kriminologin)
    Arbnor Segashi
    Die jüngere Schwester des Studenten wurde am 22. Juli 2016 bei dem Amoklauf in München getötet. Als der Student von den Schüssen am Olympia-Einkaufszentrum hörte, geriet er in Panik. Denn seine Schwester Armela war mit einer Freundin dorthin gegangen. Zwölf Stunden suchte er vergeblich nach der 14-Jährigen. „Mit dem Tod von Armela haben meine Familie und ich alles Glück verloren“, sagt Arbnor Segashi. Hass auf den Täter empfindet der 21-Jährige trotzdem nicht: „Hass ist der falsche Weg, denn Hass hat auch den Amokläufer zu seinen Taten getrieben.“
    Gisela Mayer
    Am 11. März 2009 tötete der Schüler Tim K. in Winnenden 15 Menschen und verletzte 13 schwer. „Es war der schwärzeste Tag meines Lebens“, erinnert sich Gisela Mayer. Ihre 24 Jahre alte Tochter, eine angehende Lehrerin, wurde von dem 17-Jährigen in der Albertville-Realschule erschossen. Nach der Tat versuchte Gisela Mayer mehrmals, Kontakt zu den Eltern des Amokläufers aufzunehmen, um mehr über dessen Motiv zu erfahren – ohne Erfolg. Die 59-Jährige engagiert sich seit der Tat gegen Gewalt an Schulen.
    Pascal Mauf
    Den 26. April 2002 wird der 33-Jährige nie mehr vergessen. Ein Amokläufer platzte mitten in seine Abiturprüfung am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt und erschoss vor den Augen der Schüler seine Lehrerin. Pascal Mauf und seine Mitschüler verbarrikadierten sich stundenlang im Klassenraum, bis sie von der Polizei gerettet wurden. Der Amokläufer, ein ehemaliger Mitschüler, tötete 16 Menschen, bevor er sich selbst erschoss. „Ich kannte ihn ja vorher als Schüler, also stellte ich mir lange die Frage: Warum habe ich nicht gemerkt, dass etwas falsch läuft“, sagt der heutige stellvertretende Pressesprecher eines thüringischen Landesministeriums.
    Prof. Dr. Britta Bannenberg
    „Die Profile der Amoktäter ähneln sich. Sie haben eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, sind Einzelgänger, extrem kränkbar, aber nicht impulsiv oder aggressiv auffällig“, erklärt die Amokexpertin. Seit über zehn Jahren analysiert die Wissenschaftlerin Verhaltensmuster und spricht mit überlebenden Tätern und Angehörigen. Britta Bannenberg hält es für möglich, Amoktaten zu verhindern: „Gerade junge Täter machen im Vorfeld eine Reihe von Andeutungen.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 12.10.2016Das Erste
  • Folge 502
    Gäste: Winfried Kretschmann (B’90/​Grüne, Ministerpräsident Baden-Württemberg), Maren Kroymann (Schauspielerin), Jakob Augstein (Publizist)
    Winfried Kretschmann
    Er ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Sein unorthodoxer Politikstil gilt als unvergleichlich. „Eine einzigartige Mischung aus Intellektualität, Provinzialität und Anstand“ bescheinigt die „Welt“ dem gebürtigen Schwaben. Der 68-Jährige eckt gerne bei seiner eigenen Partei an und lobt bisweilen den politischen Gegner. Manchem Kritiker gilt der begeisterte Heimwerker und gläubige Katholik gar als Konservativer im grünen Gewand.
    Maren Kroymann
    Ob als „Frau Häfele“ oder als „Nachtschwester Kroymann“ – nicht zuletzt als Vorzeigeschwäbin wurde sie bekannt. Die feministische Kabarettistin und Schauspielerin, die in Tübingen aufwuchs, erklärt das politische Erfolgsrezept des grünen Ministerpräsidenten in einem traditionell konservativen Bundesland wie Baden-Württemberg.
    Jakob Augstein
    Der „Freitag“-Verleger und „Spiegel“-Kolumnist kritisiert schwarz-grüne Gedankenspiele für eine Bundesregierung und fordert stattdessen eine rot-rot-grüne Koalition: „Es wäre die Aufgabe der linken Parteien, eine Alternative für Deutschland anzubieten. Sie müssten den Mut zum Unterschied haben und die Kraft zur politischen Gestaltung.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 02.11.2016Das Erste
  • Folge 503
    Es ist die wichtigste Wahl des Jahres: Die Entscheidung über den neuen amerikanischen Präsidenten. Die wird nicht ohne globale Folgen bleiben für die Beziehung des Westens zu Russland, der Syrienkrieg, nicht zuletzt das transatlantische Verhältnis und die TTIP-Verhandlungen. Die gesamte weltpolitische Agenda könnte kräftig durcheinander geraten.
    Gäste: Thomas Roth (Ehem. „Tagesthemen“-Moderator), Oskar Lafontaine (Die Linke, Ehem. Parteivorsitzender), Alice Schwarzer (Publizistin und Feministin), Nadja Atwal (PR-Expertin und Trump-Unterstützerin), Julian Reichelt (Bild.de-Chefredakteur)
    Thomas Roth
    Der langjährige Russland und Amerika-Korrespondent der ARD lobt den scheidenden US-Präsidenten: Barack Obama sei ein glänzender Redner, der die Menschen begeistern konnte. Und er habe außenpolitisch richtig gehandelt, als er zum Beispiel die amerikanischen Truppen aus dem Irak zurückgezogen habe. Welche Außenpolitik aber werden Hillary Clinton oder Donald Trump verfolgen? Und wie wird der Kreml-Chef auf den neuen amerikanischen Präsidenten reagieren?
    Oskar Lafontaine
    Der frühere SPD-Chef kritisiert seit langem die in seinen Augen aggressive Außenpolitik der USA und wirft Hillary Clinton vor, von Spenden der Wall Street und der Rüstungsindustrie abhängig zu sein. Donald Trump hält er zu Gute, „dass er noch keinen Krieg geführt hat.“ Dennoch gab es für den saarländischen Fraktionschef in diesem Wahlkampf nur einen geeigneten Kandidaten – den linken Bernie Sanders. „Leider hat das Establishment in der demokratischen Partei dafür gesorgt, dass er nicht nominiert wurde.“
    Alice Schwarzer
    „Es gibt keine Frau, die in den vergangenen Jahrzehnten öffentlich so vorgeführt und gedemütigt worden ist wie Hillary Clinton“, glaubt Deutschlands streitbarste Feministin und ist sich sicher: „Als Präsidentin wäre sie selbstverständlich ein starkes Signal für die Gleichberechtigung der Frauen.“ Donald Trump hingegen zöge eine „Klientel der Verlierer“ an. Er sei ein „Psychopath und Frauenverachter“, sagt die „Emma“-Herausgeberin.
    Nadja Atwal
    Die gebürtige Deutsche lebt seit 14 Jahren in den USA und hofft, dass Donald Trump das Rennen macht: „Ich bin von einer milden Trump-Unterstützerin zu einer leidenschaftlichen Anhängerin geworden“, sagt die PR-Expertin, die den US-Wahlkampf für den rechten Fernsehsender „Fox News“ kommentierte. Unter der Demokratin Hillary Clinton werde das Leben in den Vereinigten Staaten unsicherer werden. Sie sei „völlig inkompetent, durch die E-Mail-Affäre erpressbar und ein Sicherheitsrisiko.“ Trump habe recht, wenn er vor deutschen Verhältnissen warne und Flüchtlingsströme stärker kontrollieren wolle.
    Julian Reichelt
    Der Journalist rechnet mit Barack Obama ab, der ganz maßgeblich Verantwortung für die Spaltung der USA trage. „In einem Land, in dem ein Präsident einende Kraft entfalten kann wie in keinem anderen auf der Welt, muss man das als Totalversagen werten. Obama war den Weißen nicht weiß und den Schwarzen nicht schwarz genug.“ Noch mehr aber als in der Innenpolitik hinterlasse Obama außenpolitisch ein Trümmerfeld: „Amerikas Feinde haben keine Angst mehr vor dem US-Präsidenten, Amerikas Freunde kein Vertrauen mehr in ihn“, sagt der Bild.de-Chef. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 09.11.2016Das Erste
  • Folge 504
    Gäste: Katrin Göring-Eckardt (B’90/​Grüne), Andreas Scheuer (CSU)
    Scharfe Attacken gegen Zuwanderer und Muslime: Viele Menschen befürchten nach dem Wahlsieg von Donald Trump eine Zeitenwende, nicht nur in den USA. Sind jetzt Werte wie Religionsfreiheit und Toleranz in Gefahr? Verschärft sich auch die Islamdebatte bei uns? Sandra Maischberger hat erstmals Zuschauer aus ganz Deutschland in ihr Studio eingeladen, um mit Ihnen zu diskutieren. In der Publikumsdebatte kommen außerdem Experten und die Politiker Katrin Göring-Eckardt (B’90/​Grüne) sowie Andreas Scheuer (CSU) zu Wort. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 16.11.2016Das Erste
  • Folge 505
    Vollzeitjob – und trotzdem arm? Immer weniger Menschen in Europa können von ihrer Arbeit noch leben, heißt es in einer aktuellen Studie. Auch in Deutschland fühlen sich trotz robuster Konjunktur viele Menschen abgehängt: Niedriglöhner, Multijobber, aber auch junge Familien. Drohen auch in Deutschland soziale Verhältnisse wie in den USA? Bleibt hier wie dort eine wachsende Unterschicht finanziell abgehängt und fern von gesellschaftlicher Teilhabe – ohne Chance, jemals der Armut zu entkommen?
    Gäste: Jochen Schweizer (Unternehmer, „Die Höhle der Löwen“), Katja Kipping (Die Linke, Parteivorsitzende), Dorothea Siems (Journalistin), Jutta Czekay (Multijobberin), Klaus Milchau (Ehemaliger Industriearbeiter), Georg Cremer (Generalsekretär Deutscher Caritasverband)
    Jochen Schweizer
    Der Investor aus „Die Höhle der Löwen“ (Vox) kämpfte sich als Sohn einer allein erziehenden Mutter aus einfachen Verhältnissen nach oben. Heute erzielt der Event-Unternehmer mit über 500 Mitarbeitern Millionenumsätze und sagt: „Ich definiere Erfolg nicht über die Höhe meines Einkommens, sondern über die Sinnhaftigkeit meines Tuns.“ Als Motivationstrainer füllt Jochen Schweizer die Hallen. Sein Credo: Die Menschen sollen den entscheidenden Impuls bekommen, mehr aus ihrem Leben zu machen.
    Katja Kipping
    „Die Reichen werden immer reicher, während die Mitte eher vom Abstieg bedroht ist.“ Die Parteivorsitzende kritisiert die soziale Spaltung. Wer Gerechtigkeit wolle, müsse sich mit den Superreichen anlegen. Seit Jahren fordert die Linke in ihrem Parteiprogramm die Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Form einer Millionärssteuer. Hartz IV dagegen soll abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung von monatlich 1050 € ersetzt werden.
    Dorothea Siems
    „Der Vorwurf des linken Lagers, die Wohlhabenden würden zu wenig Steuern zahlen, ist absurd“, sagt die Wirtschaftsredakteurin der „Welt“. Schließlich trügen die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung deutlich mehr als die Hälfte der gesamten Einkommenssteuerlast. Der Sozialstaat, so Dorothea Siems, sei mitverantwortlich dafür, dass sich Armut in bestimmten Milieus verfestigt habe: „Mit seinen Transfers bietet er keine Hilfe zur Selbsthilfe, sondern stellt die Bedürftigen ruhig und macht sie lethargisch.“
    Jutta Czekay
    Die 45-jährige Berlinerin arbeitet als Putzfrau und zusätzlich auf Minijobbasis bei einer Essensausgabe. Trotz der Doppelbelastung lebt sie mit ihren drei Töchtern von rund 1200 Euro im Monat. „Davon bezahle ich meine Miete und den Einkauf, dann ist das Geld weg.“ Für die Altersvorsorge oder einen Urlaub bleibt kein Geld. Dennoch ist die gelernte Schneiderin stolz, dass sie es aus eigener Kraft schafft. „Lieber putzen gehen als Hartz IV. Ich will unabhängig sein. Man muss den Kindern zeigen, dass Du etwas tun und kämpfen musst.“
    Klaus Milchau
    Der 66-jährige Mitinitiator der Montagsdemonstrationen in Dortmund beobachtet, dass der Wirtschaftsboom in einer traditionellen Industrieregion wie dem Ruhrgebiet nicht ankommt. „Die Mittelschicht hat keinen gerechten Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Das Lohnniveau ist zu niedrig“, kritisiert Klaus Milchau, der selbst 48 Jahre gearbeitet hat. Durch prekäre Arbeitsbedingungen, etwa in der Zeitarbeit, hätten junge Familien heute keine Perspektive und Sicherheit mehr.
    Georg Cremer
    Die deutsche Debatte über Armut sei gefährlich populistisch, warnt der Caritas-Generalsekretär. Er kritisiert die rituelle Empörung von Sozialverbänden und Politikern bei der regelmäßigen Nachricht, die Armen würden immer ärmer werden. Solche Empörung entwerte unseren Sozialstaat und spiele Populisten in die Hände. Den wirklich Armen sei damit nicht geholfen, meint Georg Cremer. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 23.11.2016Das Erste
  • Folge 506
    Sie kungeln mit den Mächtigen der Politik, lassen sich instrumentalisieren. Sie berichten nur, was in ihr Weltbild passt, verdrehen oder verschweigen Fakten: Die Vorwürfe gegen Journalisten werden lauter, befeuert durch Ereignisse wie der Silvesternacht von Köln oder falschen Prognosen bei der US-Wahl und dem Brexit. Immer häufiger wird aus sachlicher Kritik ungebremste Wut, die auf Demonstrationen und im Internet ausgelebt wird.
    Die Gäste: Ulrich Wickert (Journalist), Vera Lengsfeld (ehem. Bürgerrechtlerin und CDU-Bundestagsabgeordnete), Sascha Lobo (Blogger und Social-Media-Experte), Joachim Radke (Angestellter und Pegida-Demonstrant)
    Ulrich Wickert
    „Die deutsche Medienlandschaft ist eine der besten auf der Welt“, sagt der langjährige „Tagesthemen“-Moderator. „Der Vorwurf der Lügenpresse, der von populistischen Bewegungen wie Pegida oder AfD erhoben wird“, spiegele nicht das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Berichterstattung wider, glaubt Ulrich Wickert. Der Bestsellerautor kritisiert Hass- und Gewalt-Attacken gegen Journalisten und unterstellt der Polizei Versagen beim Schutz der Presse.
    Vera Lengsfeld
    Die Publizistin und frühere Bundestagsabgeordnete beklagt die Arroganz der Medien in Deutschland: „Da muss man sich nicht über den Vorwurf der ‚Lügenpresse‘ wundern.“ Vielen Journalisten fehle eine kritische Distanz. „Stattdessen sehen sie sich als Volkserzieher“, sagt Vera Lengsfeld, die begrüßt, dass „das Internet das Informationsmonopol der Herrschenden“ gebrochen habe.
    Sascha Lobo
    „Wer ‚Lügenpresse‘ sagt, meint eigentlich: ‚Die Medien sind nicht bereit, meine extremistische und kompromisslose Welthaltung abzubilden‘“, glaubt der „Spiegel-Online“-Kolumnist. Trump- oder AfD-Wähler interpretierten Widerspruch zu ihren Meinungen als gefühltes Verbot. Die Kritik, dass über Flüchtlinge einseitig berichtet wurde, teilt Sascha Lobo nicht: „Die öffentlich-rechtlichen Medien wollen tatsächlich ein Wertebild transportieren und Menschenfeindlichkeit ist keine Meinung.“
    Joachim Radke
    „’Lügenpresse’ – auch ich habe das schon auf Demonstrationen gerufen“, sagt der 55-jährige. Denn seit drei Jahren habe er den Eindruck, die Berichterstattung der Medien wirke gesteuert. Besonders kritisch sieht das AfD-Mitglied den Umgang der Presse mit seiner Partei und den Pegida-Demonstranten: „Diese Bürger gehen friedlich und mit demokratischen Absichten auf die Straße und werden als rechtsextrem diskreditiert und diffamiert. Ich erwarte von Medien eine neutrale und wertungsfreie Berichterstattung“, so der Berliner Busfahrer. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 30.11.2016Das Erste
  • Folge 507
    Der Mord an einer Freiburger Studentin hat viele erschüttert: Als Tatverdächtiger wurde ein 17-jähriger Flüchtling verhaftet. Die meisten Politiker reagierten besonnen und warnten davor, geflohene Menschen unter einen Generalverdacht zu stellen. Trotzdem scheint diese Tat sich auf tragische Weise in eine politisch verhärtete Debatte zu fügen. Wie soll der Staat die Ausreise krimineller Ausländer, vor allem aber abgewiesener Asylbewerber, durchsetzen? Die CDU will auf ihrem Parteitag eine Verschärfung der Abschiebepraxis beschließen. Wird aus der Willkommens- jetzt eine Abschiedskultur?
    Die Gäste: Gesine Schwan (SPD, Politikwissenschaftlerin), Ranga Yogeshwar (ARD-Moderator), Boris Palmer (B’90/​Grüne, Tübinger Oberbürgermeister), Alice Weidel (AfD, Bundesvorstand), Paul Ziemiak (CDU, Vorsitzender Junge Union)
    Gesine Schwan
    Die zweimalige Bundespräsidentschaftskandidatin spricht sich weiterhin für die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland aus. Eine Politik der Abschottung, wie sie Angela Merkels CDU jetzt betreibe, sei keine Lösung. „Es wird derzeit das merkwürdige Bild vermittelt, dass wegen der Flüchtlinge überall in Deutschland Angst herrscht“, kritisiert die Politikwissenschaftlerin. Umfragen zeigten dagegen, so Gesine Schwan, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Gemeinden mit Flüchtlingen diese als „wirtschaftliche und kulturelle Bereicherung“ empfände.
    Ranga Yogeshwar
    „Flüchtlinge sind weder bessere noch schlechtere Menschen“, sagt der ARD-Wissenschaftsexperte und warnt vor Pauschalisierung. Die Verschärfung der Asylgesetzgebung zeige zudem eine Ignoranz der Politik gegenüber Flüchtlingen. So würden die für eine Abschiebung sicheren Herkunftsländer auf Regionen ausgeweitet, die so sicher gar nicht seien. „Man kann Probleme nicht wegschieben und nur Zäune bauen. Diese unsolidarische Grundhaltung schockiert mich“, beklagt Ranga Yogeshwar.
    Boris Palmer
    Der Grünen-Politiker mahnt seine Partei, eine ehrliche Diskussion über die Kriminalität von Flüchtlingen zu führen. „Das darf man nicht einfach ausklammern oder gleich als rechtspopulistisch abtun.“ Toleranz für Andersdenkende hieße auch „Toleranz gegenüber Menschen, die wir für reaktionär und kleingeistig halten“, sagt Boris Palmer. Auch AfD-Wähler hätten einen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden.
    Alice Weidel
    „Deutschland ist durch die Flüchtlinge unsicherer geworden. Das sieht man nicht erst seit Köln. Die Zahl der Übergriffe wird weiter zunehmen“, warnt die AfD-Spitzenpolitikerin. Die Unternehmensberaterin fordert schnellere und konsequentere Abschiebungen und wirft der CDU vor, die AfD zu kopieren. „Wir wurden für unseren Vorschlag von einer stringenten Abschiebepraxis als Rechtspopulisten gebrandmarkt, und jetzt werden genau unsere Positionen übernommen“, sagt Alice Weidel.
    Paul Ziemiak
    „Nicht jeder, der in Deutschland leben will, kann auch in Deutschland bleiben“, sagt der Bundesvorsitzende der Jungen Union. Er machte sich vor dem CDU-Bundesparteitag für eine drastische Verschärfung der Abschiebepraxis stark. Asylbewerber ohne Bleiberecht müssten künftig konsequenter abgeschoben werden, auch um die Bevölkerung nicht weiter zu überfordern. „Wir haben vernachlässigt, konkret auch über die Probleme zu sprechen, die eine Million Flüchtlinge in Deutschland mit sich bringen“, so der CDU-Politiker.
    Deutsche TV-PremiereMi 07.12.2016Das Erste
  • Folge 508
    Demonstranten pöbeln gegen die Kanzlerin. Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer werden in den sozialen Medien als „naive Gutmenschen“ beschimpft. Spitzenpolitiker von SPD und Grünen warnen vor den „Hetzern und Rassisten“ der AfD und weigern sich sogar, vor Wahlen mit deren Vertretern zu diskutieren. Der AfD-Parteichef will weg von einem angeblich „versifften links-rot-grünen 68er-Deutschland“. Brexit-Befürworter und Donald Trump verbreiten Lügen statt Fakten – und haben Erfolg damit. Für viele Menschen hat die politische Kultur im Jahre 2016 einen Tiefpunkt erreicht. Reagieren sie zu überempfindlich? Bedroht diese Verrohung den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Steht gar die Demokratie auf dem Spiel?
    Die Gäste: Wolf von Lojewski (Fernsehmoderator), Wolfgang Bosbach (CDU, Bundestagsabgeordneter), Richard David Precht (Philosoph und Autor), Bettina Gaus („taz“-Journalistin), Claus Strunz (Fernsehjournalist)
    Wolf von Lojewski
    Der langjährige Leiter der ARD-Studios in Washington und London sieht die Demokratie am Ende dieses Jahres in einer tiefen Krise. „Die Politiker versuchen, die Schwächen ihrer Pläne gesund zu beten. Jeder, der ihnen das nicht glaubt, wird als unmoralisch hingestellt. So spaltet die Politik das Volk.“ Der frühere Moderator des „heute journal“ (ZDF) fordert die Politiker auf, ehrlicher mit den anstehenden Problemen umzugehen: „Das Volk muss nicht der Regierung gefallen, sondern die Politik muss das Volk überzeugen. Da liegt die Bringschuld.“
    Wolfgang Bosbach
    Deutschlands beliebtester Parlamentarier sorgte vor kurzem für Aufsehen mit seiner Erklärung, 2017 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. „Ich möchte nicht mehr ständig gegen die Kanzlerin und die Mehrheit meiner Fraktion argumentieren“, so der Kritiker von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Auch seine Krebserkrankung sei ein Grund für den Rückzug. Nach 23 Jahren als Abgeordneter bemerke er, dass der Ton in zahllosen Schreiben von Wutbürgern immer rauer werde: „Viele Zuschriften, die heute stolz mit Absenderabgabe ankommen, kamen früher bestenfalls anonym“, sagt Wolfgang Bosbach.
    Richard David Precht
    „Das Deutschland der Rechten ist eine Bierphantasie, ein Land, das sich nicht vorstellen lässt und das es nicht gibt“, sagt der Bestsellerautor. Er ist überzeugt, dass populistische Parteien keine Konzepte für die Zukunft hätten. Das beweise im vergangenen Jahr der Brexit, erklärt Richard David Precht. „Populisten haben nur solange Zulauf, solange sie als Protest funktionieren. Spätestens in dem Moment, in dem sie in eine Regierungsverantwortung kommen, funktioniert das Ganze nicht mehr.“
    Bettina Gaus
    „Flüchtlinge, EU, Finanzelite – irgendein Thema lässt sich stets finden, das den Nerv von verbitterten Leuten trifft, die fundamental unzufrieden sind.“ So beschreibt die „taz“-Journalistin das Erfolgsrezept von Parteien wie der AfD. Jeder Versuch sei zum Scheitern verurteilt, „Populisten dadurch das Wasser abzugraben, dass man ihre politischen Forderungen für bedenkenswert erklärt“, sagt Bettina Gaus, die einen Rechtsruck bei den etablierten Parteien beobachtet.
    Claus Strunz
    „Die Zeiten einer Schönwetterdemokratie sind endgültig vorbei“, glaubt der Journalist. Vor allem Donald Trump habe „mit seiner ebenso tabulosen wie genialen Strategie dem Politestablishment weltweit den Spiegel vorgehalten“. Die politische Klasse in der westlichen Welt könne nicht weiter die Sorgen und Ängste der Bürger arrogant ignorieren, sagt der Fernsehkommentator („Sat. 1-Frühstücksfernsehen“). Claus Strunz fordert, dass „die Politiker aller Parteien endlich wieder damit beginnen, das zu tun, wofür sie da sind: Das Leben der Leute besser zu machen, und nicht nur ihr eigenes.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 14.12.2016Das Erste
  • Folge 509
    Seit vielen Jahren hatten Sicherheitsexperten Terroranschläge auf einen Weihnachtsmarkt befürchtet. Gestern Abend ist der schreckliche Fall eingetreten: Zwölf Menschen wurden bei dem Lkw-Attentat in Berlin getötet, 48 Menschen verletzt. Neben Wut und Trauer herrschen jetzt auch Angst und Ratlosigkeit. Müssen wir uns an eine neue terroristische Bedrohung gewöhnen? Können wir uns besser schützen? Brauchen wir eine stärkere Polizeipräsenz auf den Straßen?
    Die Gäste: Klaus Bouillon (CDU, Innenminister Saarland), Katrin Göring-Eckardt (B’90/​Grüne, Fraktionsvorsitzende), Prof. Dr. Shlomo Shpiro (israelischer Terrorismus-Experte), Stefan Aust („Welt“-Herausgeber)
    Klaus Bouillon
    Der CDU-Politiker und Vorsitzende der Innenministerkonferenz sagt: „Wir müssen konstatieren: Wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen wollen, nicht sehen möchten.“ Er kündigte verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an.
    Katrin Göring-Eckardt
    Die Grünen-Fraktionsvorsitzende warnt vor Mutmaßungen und Spekulationen über den oder die Attentäter sowie mögliche Hintergründe des Attentats, bevor die Fakten klar seien. Sie mahnte: „Wir werden uns unsere Freiheit nicht nehmen lassen.“
    Prof. Dr. Shlomo Shpiro
    „Der Anschlag von Berlin ist der 11. September für Deutschland. Ab jetzt gehört der Terror zum Alltag“, erklärt der Politikwissenschaftler aus Tel Aviv. Der international renommierte Terrorismusforscher war kurz vor dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und war überrascht über fehlende Sicherheitsmaßnahmen. „Deutschland hat offenbar die Terrorgefahr bisher unterschätzt“, so Prof. Dr. Shlomo Shpiro.
    Stefan Aust
    Der Welt-Journalist und frühere „Spiegel“-Chefredakteur untersuchte den innerdeutschen Terrorismus von RAF und NSU. Er befürchtet nun mit Blick auf die jüngsten Anschläge: „Die Terrorbedrohung könnte Jahrzehnte andauern.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 20.12.2016Das Erste
  • Folge 510
    Gäste: Tina Hassel (Leiterin ARD-Hauptstadtstudio), Jürgen Trittin (B’90/​Grüne, Bundestagsabgeordneter), Alexander Graf Lambsdorff (FDP, Vizepräsident des EU-Parlaments), Ron Williams (amerikanischer Schauspieler), Harald Kujat (ehemaliger Nato-General), Frederic Prinz von Anhalt (Trump-Anhänger)
    Gebannt schaut die Welt am Freitag nach Washington, wenn Donald J. Trump als 45. Präsident der USA vereidigt wird. Für viele Menschen ist diese Amtsübernahme eine Horrorvorstellung: ein unberechenbarer Alleinherrscher im Weißen Haus. Ein unbeherrschter Rüpel ohne Respekt vor Menschen und Institutionen. Ein beratungsresistenter Präsident, der via Twitter Entscheidungen fällt. Könnte dieser politische Führungsstil gefährlich für den Rest der Welt werden? Oder liegt in Trumps unkonventionellem Politikstil ohne Tabus eine Chance? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 18.01.2017Das Erste
  • Folge 511
    Gäste: Malu Dreyer (SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz), Sahra Wagenknecht (Die Linke, Parteivorsitzende), Andreas Scheuer (CSU, Generalsekretär), Hans Ulrich Jörges (Stern), Dirk Schümer (Europakorrespondent DIE WELT)
    Sigmar Gabriels Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und sein Rückzug vom Parteivorsitz haben das politische Berlin erschüttert. Ist die Nominierung von Martin Schulz zum neuen Parteichef und zum Herausforderer der Kanzlerin ein brillanter Befreiungsschlag oder die Verzweiflungstat einer schwächelnden Volkspartei? Geht es mehr um politische Überzeugungen als um Umfragezahlen? Wird der frisch aus dem Amt geschiedene EU-Präsident die SPD aus dem 20-Prozent-Tief holen? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 25.01.2017Das Erste
  • Folge 512
    Als TV-Ermittler begeistern sie Millionen Zuschauer, in der Realität dagegen ernten sie meistens Mitleid: Polizisten. Sie sind miserabel bezahlt, müssen ohne Ende Überstunden machen, stehen oft am Pranger und werden respektlos behandelt. Und das, obwohl sie für unsere Sicherheit verantwortlich sind. Überfordern wir die Polizeibeamten? Hat sie die Politik jahrelang im Stich gelassen?
    Die Gäste: Regine Lenders (Polizeihauptkommissarin), Nick Hein (ehemaliger Bundespolizist),
    Christopher Lauer (Ex-Piratenpolitiker), Heike Osterberg (Blumenhändlerin und Diebstahlopfer), Rainer Wendt (Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft), Thomas Fischer (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof)
    Regine Lenders
    „Beschimpfungen wie ‚Auf die Fresse, Politesse‘ gehören leider zu unserem Joballtag“, sagt die Hamburger Polizeibeamtin. Einen Autodieb habe sie so oft auf frischer Tat verhaftet, dass sie seine Personalien auswendig kannte. Und Serientäter hätten ihr ins Gesicht gesagt: „Ihr seid zu lasch“. Regina Lenders fühlt sich wie viele ihrer Berufskollegen im Stich gelassen. Nach 37 Berufsjahren, die meisten davon als Streifenpolizistin, ist sie trotzdem überzeugt, dass die bestehenden Gesetze ausreichten, wenn Richter den Strafrahmen voll ausnützen würden.
    Nick Hein
    Elf Jahre lang war er als Bundespolizist auch am Kölner Hauptbahnhof im Einsatz und weiß, wie frustrierend und demotivierend die Arbeit für die Sicherheitsbeamten mit Kleinkriminellen an einem solchen Verbrechensschwerpunkt ist. Der 32-Jährige beklagt den mangelnden Rückhalt der Gesellschaft für Polizisten. „Viele absolut korrekte Amtshandlungen werden von den Mitbürgern schräg bewertet. Viele Kollegen trauen sich nicht mehr, ihre Arbeit frei auszuführen, da man ihnen sofort mit einem Disziplinarverfahren droht“, sagt Nick Hein.
    Christopher Lauer
    Der ehemalige Berliner Abgeordnete kritisiert die in seinen Augen populistischen Forderungen der Polizeiführung nach mehr Personal und mehr Geld. Tiefgreifende Reformen innerhalb des Polizeiapparates seien bitter nötig, glaubt der frühere Piraten-Politiker. „Die Politik und die Öffentlichkeit muss die Polizei immer wieder daran erinnern, dass in einer Demokratie nicht jede Polizeimaßnahme möglich ist“, sagt Christopher Lauer, der im letzten Jahr der SPD beitrat. „Daher muss insbesondere Kritik an Polizeieinsätzen immer möglich sein.“
    Heike Osterberg
    Die Berliner Blumenhändlerin wird regelmäßig Opfer von Diebstahl und Einbruch. Als ein Dieb besonders dreist vorging, veröffentlichte Heike Osterberg das Video einer Überwachungskamera im Internet. Innerhalb weniger Tage schauten sich Hunderttausende Menschen den Clip an. Obwohl der Täter wiedererkannt wurde, verliefen die Ermittlungen im Sande. „Wir waren der Polizei wohl nicht wichtig genug“, klagt Heike Osterberg.
    Rainer Wendt
    Der Hauptkommissar beklagt Respektlosigkeit und zunehmende Gewalt gegenüber Polizisten: „Die Attacken gehen bis hin zum gefährlichen Einsatz von Steinen, Flaschen und Metallstangen. Die Hemmschwelle nimmt immer stärker ab.“ Der Gewerkschaftschef kritisiert auch fehlende Anerkennung von Seiten der Politik und eine zu lasche Justiz. „Wir erleben es immer wieder, dass Täter sofort wieder laufen gelassen werden. Sie gehen, triumphierend und höhnend aus dem Gerichtssaal an uns vorbei. Das zermürbt auch die Polizei.“
    Thomas Fischer
    „Unser System ist ganz gewiss ausreichend hart“, verteidigt der Karlsruher Bundesrichter die deutsche Justiz gegen den Vorwurf mangelnder Härte. So sei das Strafniveau, also die durchschnittliche Strafhöhe, in den vergangenen 20 Jahren um mindestens ein Drittel gestiegen, konstatiert Thomas Fischer, der auch wegen seiner „Zeit“-Kolumne als streitbarster Strafrechtler Deutschlands gilt. Er kenne zudem keinen Richter, der Ungerechtigkeit bewusst in Kauf nähme, damit „sein Arbeitstag kürzer und sein Leben leichter werde“. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 01.02.2017Das Erste
  • Gast: Wolfgang Schäuble (Bundesfinanzminister)
    Kein anderer deutscher Politiker verfügt über so viel Erfahrung: Er wurde 1972 erstmals in den Bundestag gewählt. Er war Kohls mächtiger Kanzleramtschef, verhandelte aIs Innenminister die deutsche Einheit, war Parteichef der CDU. Als Finanzminister wurde er Manager der Eurokrise und der mächtigste Mann in Merkels Regierung. Sein Wort hat Gewicht, in Deutschland und in der Welt. Wie fällt Wolfgang Schäubles politische und persönliche Bestandsaufnahme aus? Droht in diesem Jahr eine Zeitenwende? Zerbricht 2017 die EU? Wird Trump zum weltpolitischen Risiko? Und bleibt Angela Merkel auch nach der Bundestagswahl Kanzlerin? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.02.2017Das Erste

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