Dokumentation in 4 Teilen, Folge 1–4

  • Folge 1 (45 Min.)
    Dass Mittelalter ist Synonym für Aberglaube und Rückständigkeit, man denkt an Ritter, Tod und Teufel, an Pesthauch und Inquisition. Aber das „dunkle Zeitalter“ hat nicht nur Schatten-, sondern auch Glanzseiten – das Mittelalter hat seinen schlechten Ruf zu Unrecht. Mit all den Klischees über diese angeblich so dunkle Epoche aufzuräumen, ist das Ziel des Vierteilers „Wege aus der Finsternis“. So gibt es auch das Mittelalter der gotischen Kathedralen und der kultivierten Troubadoure, in deren Minnedichtung die Liebe gleichsam erfunden wurde.
    Schon im Mittelalter entwickelten sich modernes Denken, Wissenschaft und Technik. Der Scheck und das Girokonto wurden erfunden, der moderne Staat nahm erste Formen an, die Erkundung der Welt und des Universums machten entscheidende Fortschritte. Historiker sprechen gleich vielfach von den „Revolutionen des Mittelalters“: von der „Geld- und Handelsrevolution“, von der „Agrar- und der Stadtrevolution“. Die Wurzeln Europas liegen im Mittelalter.
    Im Zeitalter der Burgen, Klöster und Kathedralen bildete sich das christliche Abendland heraus und die westliche Zivilisation, die die Welt der Mittelmeerantike endgültig hinter sich ließ. Der Europäer wurde im Mittelalter von „ruheloser Energie beseelt, die äußere Welt zu erforschen und ihre Bestimmung, aber auch sich selbst“, befand schon im 19. Jahrhundert der große Kulturhistoriker Jacob Burckhardt. Neugierde und Erfolgshunger sind noch heute für Europa prägend und unterscheiden es von den meisten anderen Kulturkreisen.
    Um unser Europa zu verstehen, muss man also das Mittelalter verstehen, in dem der Aufbruch in die Moderne begann. In vier Filmen wird der Zuschauer mit durch die Lebenswelten des Mittelalters genommen. Er erfährt, was der Ritter Don Pacheco, der Mönch Edward, der Gaukler Adam und der Kosmograph Heinrich Schuder erlebt haben und begleitet sie auf ihren Reisen durch ganz Europa: Don Pacheco, Ritter ohne Land und Leute, auf großer Tour für Ruhm und Ehre und für sein Seelenheil beim Kreuzzug gegen die letzten Heiden in Europa.
    Aber nicht nur die aventure, die Lust auf Abenteuer und Turniere -, sondern auch die Minne – die Sehnsucht nach romantischer Liebe – erfüllen die Träume eines Ritters. Edward, der Mönch, auf Pilgerreise durch Europa und auf der Suche nach einer wertvollen Handschrift über den Lauf der Gestirne. Er lernt nicht nur auf arabische Weise rechnen, sondern auch, dass eine Sonnenfinsternis nicht den Weltuntergang bedeutet. Er gerät in einen Ketzerprozess und wird, den Kopf voller neuer Ideen, zu seinen schottischen Ordensbrüdern zurückkehren.
    Adam, Gaukler und Seiltänzer, einer aus dem Volk der fahrenden Leute, der etwas Abwechslung in das Einerlei der Bauern und der Herren auf ihren Burgen bringt. Während seiner Reise durch die bäuerliche Lebenswelt erfährt der Zuschauer, dass es das Getreide war und die Wind- und Wassermühlen, die Europa reicher als die übrige Welt gemacht haben. Heinrich Schuder, Kosmograph, unterwegs in geheimer Mission zwischen Venedig, Nürnberg, Chartres und Lissabon.
    Er lernt nicht nur das neue Geld- und Bankwesen kennen, er erforscht auch Maßnahmen gegen die Pest. Seine Wissbegier lässt ihn erkunden, wie Städte geplant und Kathedralen gebaut werden, und wie der erste Globus einer neuen Welt aussah. Für „Wege aus der Finsternis“ war das Filmteam in über 20 europäischen Kulturlandschaften unterwegs. Etliche Szenen wurden an Originalschauplätzen in Spanien, Frankreich, Italien und England gedreht – von einem Kloster in den schottischen Highlands bis zur Marienburg in Polen, von der Handelsmetropole Venedig bis nach Sagres, dem westlichsten Punkt Europas, an dem die Entdeckung neuer Kontinente vorbereitet wurde.
    Namhafte Wissenschaftler und Archäologen präsentieren neue Erkenntnisse der Mittelalterforschung. Mit Computerrekonstruktionen (CGI) werden die revolutionären Erfindungen der Kathedralenbaumeister demonstriert, die hohe und helle Kirchen wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit bauten.
    Mit Experimenten werden die Agrarrevolution und Neuerungen der Waffentechnik illustriert, die dem Rittertum militärisch ein Ende bereiteten. Mittelalterexperten sorgten dafür, dass die Ausstattung der szenischen Dokumentation bis in jedes Detail ein authentisches Bild des Mittelalters gibt. Für die Turnierkämpfe und Kriegsszenen wurden erfahrene Kampfchoreografen und Stuntmänner engagiert, die auch für Hollywoodproduktionen arbeiten. Über 500 Mitwirkende standen vor der Kamera und lassen das Mittelalter für den Zuschauer lebendig werden.
    Folge 1: Von Rittern und Turnieren Ein Ritter zu Pferd ist so stark wie 80 bewaffnete Männer zu Fuß. Das machte die Ritter zum Kriegerstand des Mittelalters. Gut gerüstet zogen sie als Vasallen für ihre Lehnsherren in den Krieg und riskierten auch im Frieden auf Turnieren ihr Leben für Ruhm und Ehre und „das Lob schöner Jungfrauen und edler Damen“. Von den Rittern haben wir Höflichkeit und Manieren gelernt, aber auch das Konkurrenzdenken.
    Einer von ihnen war unser Held, Don Antonio Fernandez Pacheco aus Portugal. Im Jahre des Herrn 1345 geht er auf „Grand Tour“ durch Europa. Was bleibt ihm auch sonst, er ist zwar ein Edelmann, aber als zweitgeborener Sohn ohne Anspruch auf das Familienerbe – ein Ritter ohne Land und Leute. Deshalb will er sich auf Turnieren einen Namen machen, in Fehden und Kriegen seinen Unterhalt verdienen. Er gelobt, am Kreuzzug des Deutschen Ordens gegen die letzten Heiden Europas in Lettland teilzunehmen.
    Als Don Pacheco seine große Reise antritt, herrscht in ganz Europa ein regelrechter Boom im Burgenbau. Hunderte hat uns das Mittelalter hinterlassen, eine schöner und größer als die andere. In Guédelon in Frankreich wird eine Burg völlig neu gebaut – von Grund auf. Eine Großbaustelle wie im Mittelalter. Architekten, Handwerker, Historiker und Archäologen versuchen dabei herauszufinden, wie man mit den Werkzeugen und den Methoden des 14. Jahrhunderts arbeitete.
    Einfache Mittel, wie eine Schnur mit 13 Knoten, ersetzen teure optische Geräte und Computer. Und dennoch wird Präzisionsarbeit geleistet. Guédelon steht weltweit für ein einzigartiges Projekt. Auf seiner Reise wagt es Don Pacheco, den Besten beim Lanzenstechen herauszufordern. Die Ritterturniere sind die Grand Prixs des Mittelalters. Man weiß, da blieb mancher tot im Sand des Turnierfeldes. Aber warum? Schützen nicht die raffinierten und schweren Panzerrüstungen? Was für das Auge unsichtbar ist, zeigen High-speed-Kameras der Crash-Test-Anlage von Opel Rüsselsheim.
    Mit 2000 Bildern pro Sekunde ist ein Treffer mit der Lanze zu sehen, der den Ritter aus dem Sattel hebt. Jede Prellung, jeder Rippen-, jeder Wirbelbruch kann an dem Ritterdummy mit Elektroden gemessen werden. Der Versuchsleiter kommt zu überraschenden Erkenntnissen. Bei den Turnieren geht es nicht nur um Ruhm, Ehre und große Preisgelder. Sie sind zugleich Manöver für den Ernstfall, für Krieg und Kreuzzug. Nach dem Fall der letzten Kreuzfahrerburgen im Heiligen Land suchten die Ritter eine neue Betätigung.
    Der Deutsche Orden hatte 1231 mit der Eroberung Preußens, dem Land der Prussen, begonnen. Die Marienburg, eine der größten Burgen der Welt, war Sitz des Hochmeisters. Von dort organisierte er den „Heiligen Krieg“ gegen Europas letzte Heiden. Alljährlich kamen Tausende Ritter aus ganz Europa, um an den lukrativen Treibjagden gegen die Heiden teilzunehmen. Auch Don Pacheco schließt sich den Deutschordensrittern an.
    Dörfer werden zerstört, die Einwohner gefangen; sie werden zwangsweise getauft und von den Rittern als Sklaven verschleppt. Mit reichem himmlischen und irdischen Lohn macht sich Don Pacheco auf den Weg zurück in seine portugiesische Heimat. Er lernt die Abenteuer der Liebe kennen, das mittelalterliche Ideal der „Hohen Minne“: einer edlen Frau „den Hof zu machen“, sie selbstlos zu lieben, gilt als ritterliche Tugend. Im Hochmittelalter wird aus der Minne-Dichtung langsam Ernst: Männer lernen Frauen als ebenbürtig zu behandeln und sich höflich und ritterlich zu benehmen.
    Die Liebe hält Einzug in die Ehe. Bevor er aber heimkehren kann, folgt Pacheco dem Ruf der französischen Krone. Ein angelsächsisches Invasionsheer steht im August 1346 vor Paris. In der historischen Schlacht von Crécy muss Pacheco erleben, wie das französische Heer untergeht. Walisische Bauern holen die Elite der europäischen Ritterschaft mit ihren berüchtigten „long bows“ – den Langbögen – vom Pferd.
    Die Zeiten des „ritterlichen“ Kampfes sind mit der Schlacht von Crécy vorbei, das Rittertum geht militärisch seinem Ende entgegen. In ihren schweren Panzerrüstungen sind sie zu Dinosauriern geworden. Mehr als zwei Jahre war er unterwegs. Auch wenn er bleiben würde, was er war, ein Ritter ohne Land und Leute: Don Pacheco hatte sein Kreuzzugsgelübde erfüllt, sich einen Namen gemacht und die Welt gesehen. Drei weitere Folgen „Wege aus der Finsternis“ werden ausgestrahlt: Dienstag, 21. September, 20:15 Uhr 2. Von Mönchen und Ketzern Mittwoch, 22. September, 20:15 Uhr 3. Von Bauern und Edelmännern Donnerstag, 23. September, 20:15 Uhr 4. Von Städten und Kathedralen (Text: ZDFneo)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.04.2004ZDF
  • Folge 2 (45 Min.)
    Keine Epoche Europas war so religiös wie das Mittelalter. Ein Leben ohne Glauben an Gott war unvorstellbar, außerhalb der Kirche gab es kein Heil. Das Christentum des Abendlandes ist nicht zuletzt das Werk der Mönche. Das Mittelalter hat viele berühmte Mönche hervorgebracht, die meisten aber blieben unbekannt. Einer von ihnen ist Edward aus dem Kloster Saint Andrews in Schottland. Er lebt nach der Regel „ora et labora“, „bete und arbeite“. Im Auftrag seines Abtes reist er nach Toledo und verbindet diese Reise mit einer Wallfahrt zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela.
    Wallfahrten waren die Erlebnisreisen des Mittelalters. So wundert es nicht, dass auf der Bestsellerliste der Sachbücher der Codex calixtus stand, der erste Touristenführer Europas. Er beschrieb die Pilgerrouten durch Frankreich und Spanien. Wallfahrten erwiesen sich auch als grandiose Geschäftsidee des Mittelalters. Denn die Pilger machten nicht nur der Kirche reiche Geschenke für ihr Seelenheil. Sie ließen ihr Geld auch in Schenken, Hotels und Bordellen. An den Gräbern der Heiligen aber wurden sie von ihrer Sündenlast befreit. „Bevor die Europäer selbst Fortschritte in den Wissenschaften machen konnten, mussten sie erst einmal von den Arabern alles lernen, was zu lernen war.“ Sie lernten es in Toledo.
    Dort findet Edward, wonach er sucht: Ein wertvolles Buch für die Bibliothek seines Klosters. In Toledo lebten auch nach der katholischen Reconquista Araber und Juden. Sie machten die Stadt zu einem Wissenschaftszentrum ersten Ranges. Gemeinsam mit Christen übersetzten sie Schriften aus der Antike, die nur auf Arabisch und Hebräisch überliefert waren, ins Lateinische und machten sie so dem Abendland zugänglich.
    In Spanien rechnete man auch schon mit dem revolutionären Dezimalsystem, das die Araber von den Indern übernommen hatten und in Europa einführten. Auf dem Heimweg von Toledo kommt Edward durch das Languedoc im Süden Frankreichs, das Land der „verruchten und perversen Häresie der Katharer“. Aus der Sicht Roms sind sie Ketzer. Aber ist es so falsch, was sie denken? Zum Bild des „dunklen Mittelalters“ haben die Scheiterhaufen der Inquisition beigetragen. Was nicht bekannt ist: Die Inquisitionsprozesse des 14. Jahrhunderts haben das moderne Rechtssystem entscheidend beeinflusst.
    Denn nicht mehr „Gottesbeweise“ entschieden über Schuld oder Unschuld, sondern ein Inquisitor ermittelte, ehe er urteilte. Zum neuen Gerichtsverfahren gehörte die Vereidigung der Angeklagten. Ebenso hatten die Angeklagten das Recht, sich zu verteidigen und Widerspruch einzulegen. Deshalb hatte ein Schreiber alle Aussagen zu protokollieren. Das hatte es zuvor noch nicht gegeben. Auch Edward gerät vor das Inquisitionstribunal, denn man hat eine Katharerbibel bei ihm gefunden. Im letzten Moment wird er vom Vorwurf der Ketzerei freigesprochen.
    Nach über zwei Jahren kehrt er reicher an Gnaden und Wissen von seiner Pilgerreise ins Kloster zurück. Er kann seinen Mitbrüdern vom Jakobsweg erzählen, von Toledo und Carcassonne. Aber nicht alles wird er ihnen erzählen, manches ist nur für die Ohren seines Beichtvaters bestimmt. Und wie Anselm von Canterbury war er nun überzeugt davon, dass nicht allein der Glaube, sondern die Vernunft Richter sein müsse über alles, was im Menschen ist. Auch wenn die Kirche vieles für ketzerisch erklärte: Schon im Mittelalter wurde vorgedacht, was das moderne Europa mit Rationalismus, Aufklärung und Materialismus in Verbindung bringt. (Text: ZDFneo)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.04.2004ZDF
  • Folge 3 (45 Min.)
    Alles, was wir über das Mittelalter wissen, wissen wir aus Büchern. Sie sagen uns, was Kaiser und Könige, was Ritter, Bischöfe und Mönche, was Bürger und Edelmänner getan und gedacht haben. Über die Bauern sagen die Bücher uns wenig. Sie konnten nicht lesen und nicht schreiben. Und wer schreiben und lesen konnte, interessierte sich nicht für sie. So blieben die Bauern die stumme Mehrheit des Mittelalters. Und deshalb erzählt einer über das Leben des Bauernstandes, der ihre Welt kennen lernte: Adam, ein Gaukler, einer aus dem fahrenden Volk.
    Als Seiltänzer auf Bauern- und Fürstenhochzeiten schlägt er sich durch. Und an Markttagen verdient er sein Geld im Handumdrehen, wenn er faule Zähne zieht und den grauen Star sticht. „Bauernarbeit trägt die Welt“, hieß es im Mittelalter. Über Dreiviertel der Menschen waren Bauern, Leibeigene oder Tagelöhner, die die Ritter und Geistlichen ernährten. „Dafür lob’ ich den Bauersmann, der alle Welt ernähren kann.“ Aber Not machte auch erfinderisch.
    Um das Jahr 1000 begann eine Agrarrevolution, die Europa von Grund auf veränderte und zu einer Bevölkerungsexplosion sondergleichen führte. Meilensteine der Agrarrevolution waren der Übergang zur Dreifelderwirtschaft und die Erfindung des Kummets. Lange Zeit waren die so langsamen wie schwerfälligen Ochsen die Traktoren des Mittelalters. Erst das Kummet machte es möglich, Pferde vor den Pflug zu spannen. Sie sind schneller, wendiger und ausdauernder als Ochsen; dies zeigt ein Wettpflügen, das für den Film unter mittelalterlichen Bedingungen durchgeführt wurde.
    Mit Pferden konnte mehr Ackerland bearbeitet werden. So wurde die Pferdestärke zur Einheit technischer Leistung schlechthin. Eine weitere Revolution auf dem Land: Europa ist Getreideland, statt von Reis lebte man von Weizen, Roggen und Hafer. Für Reis braucht man keine Mühlen, Getreide aber muss man mahlen. Aus dem Einsatz von Wasser- und Windenergie und der Mühlentechnologie erwuchs Europa schon im Mittelalter ein entscheidender Vorsprung in Richtung Industrialisierung.
    „Eine Mühle ist stärker als 100 Männer“, hieß es. Bis zur Erfindung der Dampfmaschine war die Wasserkraft der entscheidende Faktor der industriellen Entwicklung. Auch ein anderes, nicht gerade beliebtes Grundelement des modernen Staates hat seine Wurzeln im Mittelalter: Aus dem berüchtigten Zehnt und den Abgaben der Bauern an die Grundherren, zu denen auch die Martinsgans und Ostereier gehörten, entwickelte sich das moderne Steuerwesen.
    Die Steuerakten des Königreiches Aragon, die sich in Barcelona erhalten haben, geben darüber Aufschluss: Mehrwertsteuer, Einkommensteuer, Umsatzsteuer; all das, was uns heute so vertraut ist, entwickelte sich schon ab dem 13. Jahrhundert. Die Landleute führen ein hartes Leben. Aber am meisten bedrückt sie, dass ihnen Land, das sie bewirtschaften, nicht gehört, sondern den Herren. Nicht überall war das der Fall. In der Schweiz zogen die Bauern den Hut nicht vor den Herren.
    Sie waren „ein freies Volk auf freiem Grund“. Der Schwur auf der Rütliwiese – „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern“ – ist ein geschichtsmächtiger Mythos. Tatsache aber ist, dass sich die Eidgenossen gegen die Habsburger Ritter mit Mistgabeln und Dreschflegeln bewaffneten und ihnen nach Partisanenart am 9. Dezember 1315 in der Schlacht am Morgarten eine historische Niederlage bereiteten. Aus der Eidgenossenschaft der Schweizer erwuchs der erste Bundesstaat Europas mit einer demokratischen Verfassung.
    Adam, der Gaukler, hat sich bei den Habsburgern als Pferdeknecht verdingt und ist so Zeuge ihrer Niederlage geworden. Zum Knecht ist er nicht geboren. Und zum Narren will er sich nicht machen. Aber auch er hat einmal Glück und findet eine Gefährtin. Das ewige Vagabundenleben sind sie leid. Sie suchen ihre Zukunft in der Stadt und beherzigen so das mittelalterliche Sprichwort „Landluft macht eigen, Stadtluft macht frei.“ In der Stadt werden sie „nach Jahr und Tag“ nicht mehr ehrlos und rechtlos sein, sondern als freie Bürger leben können. (Text: ZDFneo)
    Deutsche TV-PremiereSo 18.04.2004ZDF
  • Folge 4 (45 Min.)
    Seine Leidenschaft ist die Erkundung und Beschreibung der Welt. Heinrich Schuder ist Kosmograph, unterwegs in geheimer Mission: In Venedig soll er für die Stadt Nürnberg Seekarten kopieren, denn der Rat will zusammen mit den Portugiesen in den Indienhandel einsteigen. Er soll aber auch herausfinden, was es Neues gibt auf dem Rialto. Doch wissenschaftliche Neugier ist kein ungefährliches Unternehmen. Die Welt des Mittelalters ist im revolutionären Umbruch: Großstädte schießen wie Pilze aus dem Boden, der Fernhandel kommt auf Touren, die Seefahrt bricht zu neuen Kontinenten auf.
    Da braucht man Informationen und Wissen. So erkundet Heinrich Schuder, warum die venezianischen Kaufleute kein Bargeld für ihre Geschäfte brauchen: Sie haben das Girokonto erfunden und den Wechsel. Es kommt nicht von ungefähr, dass Bezeichnungen wie Giro-Konto, Agio, Disagio, Saldo, Storno, Manco italienisch sind. Denn in Italien wurde der bargeldlose Zahlungsverkehr erfunden, der das Geschäftsleben und den internationalen Handel revolutionierte.
    Auch die Doppelte Buchführung mit Soll und Haben, ohne die unsere heutige Wirtschaft so wenig vorstellbar wäre wie ohne Wechsel, bei dem der Aussteller „mit seinem guten Namen bezahlte“. Alle Grundzüge unseres heutigen Geldverkehrs und des Bankwesens wurden bereits im Mittelalter entwickelt. Als Heinrich Schuder auf Erkundung in Venedig ist, heißt es: „So geschah es. Einer starb nach dem anderen, und am Ende alle.“ Der schwarze Tod ging um. Auch wenn man die Ursache nicht kannte, in Venedig wusste man erste Abwehrmaßnahmen gegen die Pest zu treffen: Der Hafen wurde gesperrt und die Schiffsbesatzungen auf einer Insel in der Lagune erst einmal vierzig Tage isoliert – daher kommt der Begriff Quarantäne.
    Die Behörden ließen hygienische Brunnen für Trinkwasser bauen und richteten Pestkrankenhäuser auf abgelegenen Inseln ein. Heinrich Schuder gelingt es, Venedig rechtzeitig zu verlassen. Auf dem Heimweg kommt er durch Freiburg. „Willst du wissen, wie eine Stadt wirklich aussieht, steige auf ihren Turm.“ So hält er es, und blickt von der Kathedrale aus auf das Gewirr der Straßen und Gassen.
    Doch der Augenschein trügt, denn die Städte des Mittelalters waren alles andere als ungeplant und chaotisch gewachsen. Bahnbrechende Forschungen zeigen: Wie Freiburg wurden viele Städte von genialen Stadtplanern auf dem Reißbrett entworfen. Dabei legten sie ihnen ein geheimnisvolles Muster von Kreisen zu Grunde. Zwischen 1035 und 1348 wurden in Europa 3000 neue Städte gegründet. Die urbane und industrielle Revolution des Mittelalters wurde erst im 19. Jahrhundert von einer vergleichbaren Umbruchsbewegung abgelöst, darüber ist sich die Forschung heute einig.
    Bis heute sind sie die Wahrzeichen vieler europäischen Städte die genialen Wunderwerke der gotischen Kathedralen. Nie zuvor in der Geschichte wurde so hoch gebaut. Wie konnten die filigranen Wände aus Licht und Farbe dem Druck der Steinmassen und des Windes standhalten? Baumeister in Reims und Computerkonstruktionen zeigen, welche genialen Erfindungen es möglich machten, Kathedralen lichter zu bauen als je zuvor.
    Heinrich Schuder ist Spezialist für Kartographie, für die maßstäbliche Abbildung der Welt auf Pergament. Aber ist die Erde nicht rund? Als er das geheime Kartenmaterial aus Venedig in Nürnberg abgibt, sieht er im Ratssaal den ersten Globus, den es je gab. Dass die Erde eine Kugel ist, wusste man schon lange. Aber weder die Hereford Map, die größte und älteste Weltkarte, die sich erhalten hat, noch der berühmte Katalanische Atlas nahmen davon Notiz.
    Erst 1484 schuf Martin Behaim in Nürnberg einen Globus. Es ist ein Prototyp. Sein „Erdapfel“ sollte in Serie für portugiesische Kapitäne gefertigt werden, die aufbrachen, neue Welten zu erkunden. Martin Behaim arbeitet in der Seefahrerschule in Sagres an weiteren Globen. Heinrich Schuder überbringt ihm neuestes Kartenmaterial aus Nürnberg, damit er weiße Flecken auf seinem Globus füllen kann. Er bereitet eine Expedition vor: Der Seeweg rund um Afrika nach Indien soll erkundet werden und man will neue Kontinente entdecken. (Text: ZDFneo)
    Deutsche TV-PremiereSo 25.04.2004ZDF

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