Dokumentation in 3 Teilen, Folge 1–3

  • Folge 1
    Leningrad 1944. Im Triumphzug werden deutsche Kriegsgefangene durch die Stadt geführt. Soldaten der Roten Armee müssen sie vor der Bevölkerung schützen. Zwei Jahre lang ist die Stadt von deutschen Truppen belagert worden, die Menschen haben gegen Hunger, Kälte, gegen den Tod gekämpft, bis die Rote Armee den deutschen Belagerungsring sprengte. Jetzt sind die Deutschen die Beute der Sieger, sie marschieren nach Osten, werden in Eisenbahnwaggons gepfercht. Ein Tag, zwei Tage, drei Wochen dauert die Reise ins Kriegsgefangenenlager irgendwo in Sibirien. Ein Zeitzeuge erinnert sich: „Als zwei Kameraden an Unterkühlung starben, keiner von uns hat seinen Mantel für sie ausgezogen.
    Auch ich nicht.“ In den Jahren 1944/​45 geraten zweieinhalb Millionen deutsche Soldaten in russische Kriegsgefangenschaft. Viele von ihnen werden jahrelang auf die Heimkehr warten – unter unmenschlichen Bedingungen. Am Anfang ist die Todesquote hoch. Von denen, die 1943 in Gefangenschaft geraten, überleben nur rund 10 Prozent. Später verbessert sich die Lage ein wenig, dennoch erinnern sich die, die die Kriegsgefangenschaft überleben, vor allem an eines: Hunger. Die Suche nach Nahrung wird zum Kampf ums Überleben.
    Und die Arbeit, die die Deutschen leisten müssen, ist hart, vor allem im sibirischen Winter. Doch die Behandlung der Deutschen findet ihre Entsprechung im Sterben der gefangenen Soldaten der Roten Armee. Der Weltanschauungskrieg gegen die Sowjetunion war als Vernichtungskrieg geplant. Dreieinhalb Millionen Russen geraten in deutsche Gefangenschaft. Zwei Millionen von ihnen sterben – geplant vom NS-Regime, gebilligt von der Wehrmachtsführung. Tod durch Hunger lautet das zynische Kalkül. Wer nicht Mensch sein darf, wird zum Tier: Russische Veteranen, die überlebten, erinnern sich sogar an Fälle von Kannibalismus in den Hungerlagern.
    Das Thema russische Kriegsgefangenschaft steht im Mittelpunkt von Teil 1 der Reihe „Soldaten hinter Stacheldraht“. Bislang zum Teil unveröffentlichtes Archivmaterial und die Aussagen von Zeitzeugen ergeben ein authentisches und dramatisches Bild vom Leben und Leiden in den Kriegsgefangenenlagern. Doch es gibt auch versöhnliche Töne. Russen und Deutsche erinnern sich übereinstimmend an Menschen, die ihnen halfen, ihnen Nahrung zusteckten. „Ich habe immer wieder Sehnsucht nach diesem Land, ich habe meine Seele in Russland gelassen“, so die Bilanz eines ehemaligen Kriegesgefangenen. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereDo 16.11.2000Das Erste
  • Folge 2
    Mit der Niederlage von Rommels Afrika-Corps beginnt für die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs auch auf den Schlachtfeldern im Westen der lange Marsch in die Kriegsgefangenenlager. Die Afrika-Kämpfer, die unter Rommel bis zuletzt fanatisch gekämpft hatten, gehen 1943 freilich anders in die Gefangenschaft als jene zermürbten, desillusionierten Heerscharen, die wenige Monate zuvor, nach der Niederlage von Stalingrad, in langen Kolonnen durch die Weiten Russlands ziehen. Und die Afrika-Gefangenen erwartet auch ein anderes Schicksal, als das ihrer Kameraden im Osten. 1943 werden 150 000 Landser in die USA verschifft, wo im Laufe des Krieges 511 Lager für die „Prisoner of War“ (PWs) aus dem Boden gestampft werden.
    Das Leben in den US-Camps ist durchaus komfortabel. Die deutschen PWs in den USA sind in manchen Regionen des Landes sogar besser verpflegt als die einheimische Bevölkerung. Die Amerikaner bemühen sich, nach den Regeln der Genfer Konvention zu verfahren, in denen festgeschrieben ist, dass die Gefangenen genauso verpflegt werden müssen wie die eigenen Soldaten. Glück für die Deutschen, dass sie in die Hand der bestverpflegten Armee der Welt geraten sind.
    Die amerikanischen Wochenschau-Bilder präsentieren gut genährte PWs, die Sport treiben, Chesterfield rauchen und Coca Cola trinken. Jene deutsche Soldaten, die zwei Jahre später erst, zum Kriegsende – mehr oder weniger hoffnungsvoll – in amerikanische Gefangenschaft gehen, werden nicht mehr ganz so komfortabel versorgt, auch wenn auf Flugblättern, die die US-Air Force über der Front vom Himmel rieseln lässt, Oberbefehlshaber Eisenhower verspricht: „Alle deutschen Soldaten sollen gut behandelt werden.“ Enttäuschung und auch Wut bei vielen, die zum Ende des Krieges in den so genannten Rheinwiesenlagern auf der Westseite des Flusses zusammengepfercht werden.
    Hunderttausende campieren hier monatelang unter freiem Himmel, in Dreck und Schlamm, mit schlechter Verpflegung. Tausende sterben. Die Amerikaner sind mit den riesigen Heerscharen überrollter und sich ergebender deutscher Landser einfach überfordert. Auch mit der Auflösung der Rheinwiesenlager im Sommer 1945 und der Überstellung von 175.000 Gefangener an Frankreich ändert sich für viele der Betroffenen nur wenig. Die Zeit der Enttäuschungen und Entbehrungen setzt sich fort. Die Arbeitskraft der Deutschen wird dringend zum Aufbau der vom Krieg zerrütteten französischen Wirtschaft benötigt.
    Tausende Kriegsgefangene werden in die Steinkohlen-Bergwerke beordert, andere haben etwas mehr Glück und werden zum Einsatz in die Landwirtschaft abkommandiert, wo nicht nur die Verpflegung besser ist. Mitunter finden die Gefangenen in den ländlichen Gemeinschaften sogar ein wenig Geborgenheit. Die grundsätzliche Situation freilich ist unverändert. Das Leben bleibt fremdbestimmt. Glück oder Pech – ob Bauernhof oder Minenfeld, wohin 60.000 deutsche Kriegsgefangene zur Minenräumung abkommandiert werden – der Einzelne hat darauf keinen Einfluss. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.11.2000Das Erste
  • Folge 3
    1947, zwei Jahre nach Kriegsende: Noch immer befinden sich mehr als drei Millionen deutscher Soldaten in Gefangenschaft. Sie fehlen zu Hause als Väter, Ehemänner und als Arbeitskräfte. Ohne sie, das erkennen auch die Alliierten, kann der Wiederaufbau des Landes nicht gelingen. Im April 1947 beschließen die alliierten Außenminister in Moskau, bis Ende 1948 alle deutschen Kriegsgefangenen freizulassen. Die westlichen Alliierten folgen diesem Beschluß. Die Sowjetunion dagegen hält eine zunächst unbekannte Zahl von Gefangenen zurück; die meisten von ihnen waren als Kriegsverbrecher in Schauprozessen zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden.
    Die westliche Presse vermutet 1949 noch 1,5 Millionen deutsche Soldaten im Osten. Tatsächlich sind es nur noch 30.000. Die letzten von ihnen kehren erst im Januar 1956 heim – umjubelt von der Bevölkerung. Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen war schnell zu einem Instrument des Kalten Krieges geworden. Mit Pathos gedachten die Bundesbürger in den frühen 50er Jahren der Gefangenen. Sie stellten Kerzen ins Fenster, feierten einen „Tag der Treue“ und schickten Weihnachtspakete in die sowjetischen Lager.
    Bis heute verdecken diese Bilder, auf welche Probleme in Ostwie in Westdeutschland die Heimkehrer tatsächlich stießen. Zwar hatte sich im Lauf der Zeit ihr Gesundheitszustand gebessert. Aber je später sie zurückkehrten, desto schwieriger war die Integration. Der Krieg und die Jahre danach hatten die alten Rollenmuster von Mann und Frau erschüttert. Die Frauen waren notgedrungen selbständiger geworden, die Männer unselbständiger, auch apathischer. Gegenüber der Vorkriegszeit verdreifachten sich die Scheidungszahlen.
    Auch die berufliche Integration der Männer, die oft keine Berufsausbildung hatten, war nicht leicht; die Arbeitsämter im Westen wurden angewiesen, Heimkehrer bevorzugt zu vermitteln. Das Heimkehrergesetz von 1950 garantierte ihnen, sofern das noch möglich war, das Recht auf den alten Arbeitsplatz. Im Westen löste schließlich das Wirtschaftswachstum diese Probleme, im Osten der chronische Arbeitskräftemangel. Dennoch hatten die meisten Spätheimkehrer ihr Leben lang den Eindruck, die verlorenen Jahre nie aufgeholt zu haben. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereMi 22.11.2000Das Erste

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