bisher 73 Folgen, Folge 1–25

  • Folge 1 (45 Min.)
    Der Philosoph und Bestsellerautor Richard David Precht startet seine neue Sendung „Precht“ mit einem Thema, das nach dem Ende der Sommerferien und dem Beginn des neuen Schuljahres und Uni-Semesters Eltern und ihren Kindern auf den Nägeln brennt. In seinem neuen Philosophieformat fragt sich Precht: Was taugt unser Bildungssystem? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 02.09.2012ZDF
  • Folge 2 (45 Min.)
    Richard David Precht und Springer-Chef Mathias Döpfner sprechen über die Tücken einer Freiheit, die wir nicht mehr verteidigen, weil sie uns zu selbstverständlich geworden ist. Beschäftigen wir Deutschen uns nach dem Rausch der Wiedervereinigung vor mehr als 20 Jahren eigentlich noch mit der Frage nach unserer Freiheit? Oder ist die Freiheit heute so selbstverständlich geworden, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen? So lange der Mensch keine Bedrohung seiner Freiheit verspürt, scheint sie ihn auch nicht sonderlich zu interessieren. Was aber, wenn das dazu führt, dass wir einen möglichen Angriff auf unsere Freiheit gar nicht mehr erkennen? Was, wenn uns das Überangebot an Konsumfreiheit, Beziehungsfreiheit und Freiheit in der Lebensplanung am Glücklichsein hindert, uns vielleicht sogar eher Angst macht als frei macht? Wir stecken in einer Freiheitsfalle, sagt der Autor und Vorstandsvorsitzende des Axel-Springer-Konzerns Mathias Döpfner in der zweiten Folge der neuen ZDF-Philosophiesendung „Precht“.
    Das Freiheitsmodell des Westens sei bedroht vom totalitären, viel effizienteren Kapitalismus Chinas und vom Islamismus, für den die westlichen Freiheiten eine fortwährende Provokation bedeuten. Die Demokratie aber habe entweder die Möglichkeit, diesen Angriffen mit dem demokratischen Instrumentarium entgegen zu treten und zu unterliegen, oder sich mit allen nur erdenklichen Mitteln zur Wehr zu setzen und dafür die moralische Verurteilung zu riskieren.
    Wie, so wird Richard David Precht fragen, sieht es aber auch in Deutschland aus? Was ist mit unserer persönlichen Freiheit angesichts der Macht von Medien und des Internets oder angesichts der Freiheiten, die sich unser Finanzsystem herausgenommen hat? Ein Verdacht kommt auf, dass wir uns nämlich im Grunde weniger um unsere Freiheit sorgen als um unsere Sicherheit. Ist Sicherheit und gesicherter Wohlstand nicht vielleicht sogar die ursprünglichere Sehnsucht – und die Freiheit nur ihre schöne Hülle? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.10.2012ZDF
  • Folge 3 (45 Min.)
    Richard David Precht im Gespräch mit Christian Lindner
    Wer definiert, was in einer Gesellschaft gerecht ist und was ungerecht? Dieser Frage geht Richard David Precht in der dritten Ausgabe seiner Sendung nach. Er diskutiert mit Christian Lindner, Chef der nordrhein-westfälischen FDP und studierter Philosoph. In der Gesellschaft der Bundesrepublik ging in den vergangenen 15 Jahren die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker auseinander. Dringender denn je stellt sich heute wieder einmal die alte neue Frage nach der Gerechtigkeit. Precht fragt: Hat der Kapitalismus unter der Dominanz der Finanzwirtschaft sein Maß für die Gerechtigkeit verloren?
    Zehn Prozent der reichsten Deutschen besitzen 58 Prozent des Vermögens im Land. Grund genug anzuzweifeln, ob es immer nur die Starken sein müssen, die darüber entscheiden, was und wie viel sie den Schwachen einräumen? Der Politiker Christian Lindner misst der Frage nach der Gerechtigkeit hohe Bedeutung bei. Doch während er einerseits die Fairness, die Verantwortung für die Schwachen, für eine der wichtigsten Tugenden hält, lehnt er andererseits jede Gleichmacherei ab. Wie also stellt er sich Gerechtigkeit vor? Was vermag er konkret als verantwortlicher Politiker beizutragen, um Chancengerechtigkeit herzustellen?
    Leben wir heute nicht schon längst in einer Gesellschaft, so Precht, die weniger durch die Lust an der Leistung angetrieben wird als durch die Gier nach Erfolg? Imponiert uns die engagierte Krankenschwester mit ihren Überstunden wirklich mehr als der Börsenspekulant, der binnen Sekunden gigantische Renditen und Boni einfährt? Haben die vielberufenen freien Kräfte des Marktes, an die der Liberalismus noch immer so unbeirrbar glaubt, nicht schon längst in Bereichen Fuß gefasst, wo sie nicht hingehören? Wo ganz andere gesellschaftliche Normen wie Mitgefühl, Toleranz oder Rücksicht auf weniger Privilegierte unser Handeln bestimmen sollten? Es scheint fast so, als könne man sich heute nicht mehr darauf verlassen, dass sich die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft immer wieder automatisch in ein idealistisches Gleichgewicht auspendelt. Eine ernsthafte Diskussion über die Bedingungen einer gerechteren Gesellschaft wird somit immer zwingender, meint Richard David Precht. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.10.2012ZDF
  • Folge 4 (45 Min.)
    Unser Verhältnis zu Tieren ist komplex und widersprüchlich. Es reicht vom Kind-Ersatz bis zum industriell verarbeiteten Nahrungsmittel, vom Partner der menschlichen Gemeinschaft mit einem moralisch begründeten Lebensrecht bis zum käuflichen Objekt, das rechtlich gesehen lange Zeit als Sache betrachtet wurde. Unsere Haustiere werden verzärtelt, wilde Tiere ehrfürchtig bestaunt, und eine Mehrheit in unserem Land würde laut einer Umfrage eher ein Theater oder ein Museum schließen als den Zoo. Andererseits akzeptiert unsere Gesellschaft zweifelhafte Methoden der Massentierhaltung, Tierversuche und Jagdveranstaltungen.
    Die verwahrlosten Hunde Mallorcas rühren viele Menschen, aber die Frage, wie das Schnitzel auf unseren Teller kommt, wird gern verdrängt. Richard David Precht stellt in der vierten Ausgabe seiner Philosophiesendung die Frage: „Dürfen wir Tiere essen?“ Sein Gast, der große katholische Philosoph Robert Spaemann, hat sich intensiv mit Fragen der Tierethik beschäftigt. Er hält den Verzehr von Fleisch für gerechtfertigt – entsprechend der christlichen Auffassung, dass Gott auch die Tiere geschaffen habe, damit der Mensch sie sich zu Nutze mache.
    Allerdings vertritt er ähnlich wie sein Philosophenkollege Immanuel Kant die Auffassung, dass es sich für Menschen verbietet, Tieren Leid zuzufügen, ein schlechter Umgang mit Tieren würde dem Seelenheil des Menschen schaden. Die Denker von Aristoteles über Kant und Schopenhauer bis hin zu zeitgenössischen Tierethikern streiten seit jeher darüber, wie der Wert und die Rolle des Tieres zu bestimmen sei.
    Dabei sind die strittigen Punkte immer dieselben: Welches Kriterium muss dem Tier zugesprochen werden, damit es ein eigenes Recht auf Leben verdient? Reicht es, dass wir ihm Schmerzempfinden attestieren können, oder muss sich das Tier tatsächlich an der menschlichen Moralfähigkeit messen lassen? Ist es legitim, dem Tier Lebensrechte abzusprechen, weil es nicht wie der Mensch vernunftbegabt ist? Ist es zulässig, zwischen niederen und höher entwickelten Arten zu unterscheiden? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 09.12.2012ZDF
  • Folge 5 (45 Min.)
    Im Mittelpunkt der Sendung steht der Mensch mit seinem Wunsch nach Perfektion. Noch nie in der Geschichte haben sich Menschen so sehr mit sich und ihrem Körper beschäftigt wie heute. Wir optimieren unser äußeres Erscheinungsbild, unsere Gesundheit und demnächst vielleicht sogar unsere Gene. Wir wollen perfekt sein. Die Vollkommenheit und Fitness unseres Körpers ist zu einem Marketing-Instrument geworden. Nicht nur im Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch im privaten Leben. Eine neue Schere öffnet sich: Die Wohlhabenden können sich die Gesundheits-Konditionierung leisten, die Ärmeren nicht.
    Im Gespräch mit der Schriftstellerin Juli Zeh („Corpus Delicti“) möchte Richard David Precht dem Phänomen des so genannten „Self-Enhancements“, also des Strebens nach Perfektionierung eines eigentlich gesunden Körpers, auf die Spur kommen. Ist es wirklich ein neues Symptom? Wie hat sich das Verhältnis zu unserem Körper und dessen Unzulänglichkeiten menschheitsgeschichtlich entwickelt? Wie entstand die besondere Wertschätzung des Körpers über das reine Funktionieren hinaus? Wann erfand die Philosophie die Unterscheidung zwischen Körper und Geist/​Seele, und welche Bedeutung hat das Körperliche in der Philosophie? Die Marktnormen verdrängen die Sozialnormen immer mehr.
    Soziologen beobachten, wie es Teenagern immer schwerer fällt, aufgrund ihrer hochgesteckten Erwartung an die körperliche Makellosigkeit und Attraktivität eines potenziellen Partners, reale Beziehungen einzugehen. Was wird aus unserer Gesellschaft und unserem Zusammenhalt, wenn jeder sich nur noch für sich selbst interessiert? Schon heute ist der Ton zwischen denen, die aus eigener Tasche in ihre Gesundheit und Fitness investieren, und jenen, die ihre Gesundheit aus eigener Tasche zu ruinieren scheinen – wie Raucher, Alkoholkonsumenten, Risikosportler oder Fastfood-Konsumenten – rauer geworden.
    Wie lange wird eine solche Gesellschaft noch bereit sein, ein Gesundheitssystem mitzutragen, dass durch jene „unvollkommenen“ Menschen drastisch verteuert wird? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.04.2013ZDF
  • Folge 6 (45 Min.)
    Prominenter Besuch bei „Precht“, der Philosophiesendung des ZDF. Richard David Precht begrüßt den Luxemburger Premierminister Jean-Claude Juncker, der von 2005 bis 2013 auch Chef der Euro-Gruppe war. Als Krisenmanager gewann er, wie kaum ein anderer einflussreicher Politiker Europas, tiefe Einblicke in das Betriebssystem unserer Währung und unserer Finanzwelt. Precht fragt ihn: Wer ist schuld an den Schulden? Wir leben heute in Europa und den USA im größten Wohlstand, den es je in der Geschichte gab. Aber dieser Wohlstand ist seit langer Zeit auf eine massive öffentliche Verschuldung aufgebaut – ein System, das heute ins Wanken geraten ist. Steht gar die gemeinsame Währung, der Euro auf der Kippe? Grund genug also, darüber nachzudenken und philosophisch nachzufragen, was Schulden überhaupt sind.
    Und wie es dazu kommen konnte, dass Wohlstand auf Pump erkauft wurde, was künftige Generationen schwer belasten wird. Eine Frage, die nicht nur finanzwirtschaftlich, sondern vielmehr auch moralphilosophisch zu verhandeln ist. Precht fragt: Ist das Zinssystem moralisch überhaupt vertretbar? Müssen Schulden grundsätzlich zurückgezahlt werden oder nur unter bestimmten Bedingungen? Worin bestehen die innere Logik, der Zwang und das Machtspiel des Leihens und Verleihens von Geld? Letzendlich stellt sich die Frage, ob es zwangsläufig notwendig ist, sich immer weiter zu verschulden, oder ob es eine Alternative gibt es zum Mechanismus von Gläubiger und Schuldner. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 12.05.2013ZDF
  • Folge 7 (45 Min.)
    Das Internet hat die Voraussetzung für eine grenzenlose, radikal offene wie ungefilterte Kommunikation geschaffen. Diskussionen, Meinungen und Selbstdarstellungen von jedermann sind im Netz für jeden einsehbar. In Foren, Chats, Blogs, auf Twitter und Facebook kann heute jeder alles posten, liken oder Shitstorms gegen andere entfachen. Die Durchmischung von Intimität und Öffentlichkeit hat ein neues Verständnis von Gesellschaft erzeugt, das viele nun nicht mehr nur auf die Netzwelt beziehen wollen. Transparenz heißt das Gebot der Stunde, totale Offenheit im Politischen wie im Privaten.
    Über diesen vielschichtigen Begriff diskutiert der Philosoph und Erfolgsautor Richard David Precht in seiner ZDF-Philosophiesendung mit einer Expertin, die mit dem Thema bestens vertraut ist: Marina Weisband, Ex-Geschäftsführerin der Piratenpartei und Autorin. Besonders die junge Generation fordert heute Transparenz: in der Arbeitswelt, der Wirtschaft und vor allem in der Politik. Was bisher hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, daran soll nun jede Bürgerin und jeder Bürger teilhaben können.
    Und in immer stärkerem Maße auch mit entscheiden dürfen. Mehr Teilhabe soll auch mehr Akzeptanz erzeugen. Aber ist die Forderung nach mehr gesellschaftlicher Transparenz das Heilmittel gegen Polit-Affären, Korruption, Machtmissbrauch und Politikverdruss? Brauchen wir, so fragt Precht, ein Update auf eine Demokratie 2.0? In der mit offener Kommunikation, einschließlich der Offenlegung aller Privatvermögen, wieder ein stärkeres Vertrauen zwischen Regierenden und Regierten geschaffen wird? Oder ist die Vision einer Transparenzgesellschaft in Wahrheit der Albtraum einer Kontrollgesellschaft, in der dann, laut Karl Marx, Vertrauen gut, Kontrolle aber eben besser ist? Wie ist es überhaupt um das tatsächliche Bedürfnis der Menschen nach Einblick und Mitbestimmung bestellt? Marina Weisband beklagt in ihrem Buch „Wir nennen es Politik“ den Widerspruch zwischen dem Desinteresse der Bevölkerung an politischer Einflussnahme aber der gleichzeitigen Lust am Shitstorm.
    Auch sie kommt, wie schon der Berliner Philosoph und Transparenz-Kritiker Byung-Chul Han, zu dem Schluss, dass das Instrument der simplen Machtausübung wohl kaum aus der Politik zu entfernen ist. Das aber schafft jene Politiker mit dem „Scheißegal-Gen“, wie es Weisband nennt, die sich eher durch Durchsetzungskraft und Stehvermögen auszeichnen als durch gute politische Ideen. Hat Weisband ihren Traum von einer besseren Politik durch Transparenz bereits aufgegeben? Die nächste Ausgabe von „Precht“ präsentiert das ZDF am Sonntag 1. September 2013. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 23.06.2013ZDF
  • Folge 8 (45 Min.)
    Die Politik aller westlichen Industrienationen, so scheint es, besteht heute aus kurzatmigen Entscheidungen. Man regiert „auf Sicht“. Aus Weltanschauung ist Opportunität geworden und aus langfristiger politischer Strategie wurde kurzfristige Taktik. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl bittet Richard David Precht den Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer in seine ZDF-Philosophiesendung „Precht“. Welzer konstatiert: Deutschland hat offensichtlich das Entwerfen seiner Zukunft verlernt. Eine solche Politik der Perspektivenlosigkeit, die sich passend selbst als „alternativlos“ beschreibt, ist für den Bestsellerautor Welzer („Klimakriege“, „Selbst denken“) ein Symptom für Staaten, die ihren wirtschaftlichen und politischen Zenit überschritten haben.
    Kennzeichen dafür sei vor allem das Festhalten an alten Erfolgsmustern, das die Probleme noch vergrößere, weil es den Horizont für das Denken des Neuen verenge. Dabei war das konsequente Hinarbeiten auf einen gesellschaftlichen Fortschritt das zentrale Projekt der Aufklärungsphilosophie bei Diderot, Kant und Hegel und mit ihr der ungeschriebene Verfassungsauftrag bürgerlicher Gesellschaften.
    Doch wo, fragt Richard David Precht, bleiben heute die konkreten Handlungsszenarien für eine Gesellschaft, die nicht mehr auf permanentes quantitatives Wirtschaftswachstum angelegt ist? Wer arbeitet zügig auf ein faires und risikoloseres Banken- und Finanzsystem hin? Wer hat eine Vision von einem künftigen Europa? Wie sieht es mit der Generationengerechtigkeit aus? Welcher Politiker orientiert sein Denken und Handeln an der Frage: Wie wollen wir in zehn oder zwanzig Jahren leben? Angesichts des Mangels an zukunftsweisenden Ideen und Konzepten in der Politik provoziert Harald Welzer mit der Forderung, bei der Bundestagswahl nicht mehr zu wählen, weil keine Partei zukunftsfähige Utopien mehr entwerfe.
    Und weil bei der Wahl ohnehin nicht jene Mächte und Machthaber, die tatsächlich die Geschicke unseres Landes nach ihren eigenen Interessen beeinflussen und gestalten würden, zur Wahl stünden. Precht und Welzer fragen: Ist die Zukunftskrise auch eine Demokratiekrise? Die nächste Ausgabe von „Precht“ wird am Sonntag, 13. Oktober 2013, ausgestrahlt. Mehr Informationen unter www.precht.zdf.de (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.09.2013ZDF
  • Folge 9 (45 Min.)
    Durch den verwerflichen Chemiewaffeneinsatz in Syrien, dem wohl über tausend Zivilisten zum Opfer fielen, steht die Völkergemeinschaft wieder einmal vor der schwierigen Frage, ob und wie man auf einen solch unmenschlichen Verstoß gegen die Menschenrechte reagieren sollte. Diplomatische Verhandlungen, Resolutionen, Embargos, oder gar eine militärische Intervention? Aber auf welcher politischen oder moralischen Grundlage hat wer das Recht oder die Pflicht, bei welchem Grad von Menschenrechtsverletzung mit einem Militäreinsatz zu reagieren? Diese Frage möchte Richard David Precht mit Daniel Cohn-Bendit diskutieren, dem grünen Europapolitiker, dem legendären 1968er-Studentenführer, der sich später zum Befürworter von Militärinterventionen wandelte.
    Cohn-Bendit, der aus humanitären Beweggründen bereits im Bosnien-Krieg für ein militärisches Eingreifen stimmte, plädierte kürzlich sogar für eine deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz in Syrien. Die Globalisierung und die damit verbundene Notwendigkeit, Übereinkünfte zwischen den Nationen festzuschreiben, haben das Spannungsverhältnis zwischen Staatssouveränität und Wahrung des Völkerrechts zwangsläufig verschärft. Aber welche Ziele rechtfertigen die Einmischung in die Souveränität eines anderen Landes, das sich Vergehen gegen die Menschenrechte zu Schulden kommen lässt: die Verhinderung weiterer Verbrechen, den Sturz der Landesführung? Welches Recht hat vor allem ein einzelner Staat wie etwa die USA, sich selbst das Mandat einer Weltpolizei zu übertragen, um ohne die Zustimmung oder den Auftrag des UN-Sicherheitsrates Militärschläge gegen ausgemachte Schurkenstaaten zu führen? Eine Frage, die umso brisanter klingt, wenn man an Präsident Obamas Äußerung denkt, die USA seien zwar keine Weltpolizei, aber in Syrien stünden die Ideale, Prinzipien und die nationale Sicherheit Amerikas auf dem Spiel.
    Weshalb hat die Welt sich eigentlich so daran gewöhnt, dass die USA diesen Sonderstatus beanspruchen? Wie können die Vereinten Nationen so reformiert werden, dass sie tatsächlich zum übernationalen Friedensstifter werden? Gleichgültig, ob man die schwerwiegende Frage eines militärischen Eingreifens unter moralischen, strategischen oder juristischen Kriterien betrachtet, jede Entscheidung muss sich letztendlich auch an den aus ihr tatsächlich hervorgehenden Konsequenzen messen lassen. Ein Land zu besiegen mag einfach sein, es zu befrieden gelingt dagegen nur selten. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.10.2013ZDF
  • Folge 10 (45 Min.)
    Es ist unheimlich, schockierend, aber auch faszinierend: das Böse im Menschen. Ohnmächtig und ratlos stehen wir ihm gegenüber, wenn es zum Vorschein kommt. Nichts verletzt grausamer die Menschenwürde, die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Was aber genau ist das Böse? Kann ein Mensch überhaupt böse sein oder sind es nicht eher seine Taten? Kann gar ein ganzer Staat böse sein? Über diese Fragen spricht Richard David Precht, kürzlich mit dem Deutschen Fernsehpreis 2013 ausgezeichnet, in seiner ZDF-Philosophiesendung mit dem Anwalt und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach. Durch seine Arbeit als Strafverteidiger hat Schirach viele Facetten des Bösen kennen gelernt, in seinen Erfolgsbüchern „Verbrechen“ (vom ZDF verfilmt und 2013 ausgestrahlt) und „Schuld“ geht er den dunkelsten Abseiten der Menschen nach.
    Woher kommt der Antrieb zum Bösen? Befinden wir uns, wie die christliche Religion es sieht, auf dem ewigen Schlachtfeld im Kampf des Guten gegen das Böse? Sind tatsächlich nur wir Menschen zum Bösen fähig, oder gibt es Bosheit auch unter den Tieren? Hirnforscher vermuten den Ursprung des Bösen gar in einem Defekt des vorderen Stirnlappens, welcher die Fähigkeit zum Mitleid, zur Empathie abschaltet.
    Eine böse Tat, so Schirach, zeichnet sich dadurch aus, dass der Täter ohne Mitleid handelt, obwohl ihm die Tragweite seines Tuns durchaus bewusst ist. Wo aber ist die Grenze zwischen dem schuldfähigen Mörder etwa und dem nicht zurechnungsfähigen Psychopaten? Precht und Ferdinand von Schirach stimmen in der Feststellung überein, dass die Auswüchse des Bösen die große Ausnahme im Zusammenleben der Menschen sind. Richard David Precht meint: Die Erklärung der Menschenrechte, das im Grundgesetz niederlegte Gebot, andere nicht in ihrer Würde zu verletzen, ist die wohl eindrucksvollste Waffe gegen das Böse. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.11.2013ZDF
  • Folge 11 (45 Min.)
    Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Jahrzehntelang spielte er im öffentlichen Gedächtnis der Deutschen kaum eine Rolle. Der Horror des Zweiten Weltkriegs verdeckte die kollektive Erinnerung an die erste „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan), die 17 Millionen Europäern den Tod brachte. Im Gedenkjahr 2014 ist der Krieg in einer Flut von wichtigen Publikationen wieder gegenwärtig geworden. Der Erste Weltkrieg ist mit seinen Folgen aktueller für die Gegenwart als es scheint. Erst 2010 war er zum Beispiel für Deutschland finanziell beendet, als endgültig die letzte Rate der Reparationen beglichen wurde, die der Vertrag von Versailles vorsah.
    Aktuell sind auch die Krisen und Kriege in Südosteuropa oder dem Mittleren Osten, die durch willkürliche Grenzziehungen der Sieger des Ersten Weltkriegs quer durch Völker, Ethnien und Religionen entstanden sind und bis heute Konflikte provozieren. Richard David Precht empfängt in seiner Philosophie-Sendung „Precht“ den renommierten Historiker, Bestsellerautor und Preußen-Kenner Christopher Clark, um über die Folgen und die Lehren des Krieges zu diskutieren.
    Und um die grundsätzliche Frage zu stellen: Ist es uns möglich, aus der Geschichte zu lernen? Der Erste Weltkrieg hätte nicht sein müssen, meint der Cambridge-Professor Christopher Clark, der in seinem aktuellen Geschichtsbestseller „Die Schlafwandler“ ebenso detailreich wie packend nacherzählt, wie Machtanmaßung, Engstirnigkeit und Unnachgiebigkeit der europäischen Großmächte direkt in die Kriegshölle führten. Clark relativiert damit nebenbei auch die These von der alleinigen deutschen Kriegsschuld.
    Aber er sagt auch: „Unsere Welt ähnelt immer mehr der Welt von 1914, eine beunruhigende Entwicklung.“ 1914 symbolisiert die Zerreißprobe zwischen den Idealen einer alten und einer völlig neuen Welt, die besonders durch ihre technischen und sozialen Umwälzungen von vielen nicht verstanden und als Bedrohung wahrgenommen wurde. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme hatten eine Komplexität erreicht, die Besorgnis und Desorientierung auslöste.
    Stehen wir also 2014 vor einem ähnlich gelagerten Umbruch? Die totale digitale Vernetzung, implodierende Geldsysteme, das scheinbare Ende des Wirtschaftswachstums und das aggressive Aufbäumen der konservativen islamischen Welt lassen die Vorstellung aufkommen, als stünden wir wieder an der Schwelle einer Eskalation. Oder ist das alles nur ein vorschneller, modischer Vergleich? Anlass genug, Christopher Clark zu fragen, ob eine historische Aufarbeitung der Schlüssel-Ereignisse von 1914 uns helfen könnte, ähnliche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 16.02.2014ZDF
  • Folge 12 (45 Min.)
    In den vergangenen Monaten hat sich das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen so abgekühlt, dass viele die Wiederkehr des Kalten Krieges fürchten. Ist etwa nun in der Ukraine-Krise das Gespenst des Nationalismus wieder auferstanden? Auch in anderen Krisenregionen der Welt gilt: Die Zugehörigkeit von Völkern zu Nationen und zu Territorien sowie geostrategische Interessen scheinen auf einmal wieder von höchster Wichtigkeit zu sein. Doch wie passen diese Vorstellungswelten aus dem 19. Jahrhundert überhaupt ins 21. Jahrhundert, in unsere Zeit der grenzenlosen digitalen Vernetzung, in der neue Supermächte wie Google oder Apple herrschen? Mitten aus unserer modernen, aufgeschlossenen, globalen Gesellschafts-Cloud fordern Politik wie Presse, dass unser Land „Stärke zeigen“ muss.
    Passt das alles noch in unsere Zeit? Darüber spricht Richard David Precht mit Klaus von Dohnanyi, einem der wichtigsten politischen Denker der SPD, dem ehemaligen Ersten Bürgermeister von Hamburg und versierten Außenpolitiker, der sich anlässlich der Krim-Annexion an die Vertreter der Westmächte wandte und zur Besonnenheit aufrief. Dohnanyi wehrt sich vor allem gegen die Polemik der Hardliner, die jeden als „Putin-Versteher“ brandmarken, der sich der amerikanischen Sanktions- und Drohstrategie nicht anschließen will.
    Mit seinem analytischen Blick in die Geschichte und die Komplexität der Gegenwart mahnt er, die separatistischen Bestrebungen in der Ukraine immer auch im Kontext ähnlicher Bewegungen zu beurteilen, wie sie sich etwa im kanadischen Quebec, in Nordirland, im Baskenland oder in Schottland abspielen. Doch in welchem Fall sind solche Autonomiebestrebungen legitim oder eben dringend zu unterbinden? Und mit welcher Begründung darf sich ein anderer Staat in diese Konflikte einschalten? Die Vorstellung von der guten Nation, wie sie der große Philosoph Immanuel Kant in seiner Schrift zum ewigen Frieden juristisch erfassen wollte, scheint heute jedenfalls nicht mehr zu funktionieren.
    Territoriale Unversehrtheit, Schutz des Volkes und die Nichteinmischungspflicht sind in unserer komplexen Gegenwart vielfach nicht mehr in Deckung zu bringen. Sollten wir daher nicht eine Zukunft ohne Staatsgrenzen anstreben, fragt Richard David Precht. Woran scheitert so etwas eigentlich? Am Entwicklungsgefälle zwischen Staaten? An der Angst um knapper werdende Ressourcen? Und welche Bedingungen müsste eine solche Utopie erfüllen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.06.2014ZDF
  • Folge 13 (45 Min.)
    Menschen und Schimpansen unterscheiden sich in ungefähr nur einem Prozent ihrer genetischen Ausstattung voneinander. Biologisch betrachtet sind sie näher miteinander verwandt als Pferde und Esel. Menschenaffen teilen mit uns Lachen und Trauer, Brutpflege, Zuneigung und Fürsorge, List, Täuschung und Verrat. Und doch trennen wir Menschen uns selbst von den Menschenaffen als „Menschen“ und „Tiere“. Ist diese alte Trennung heute noch zeitgemäß, wenn sie biologisch offensichtlich falsch ist? Müssen wir die Sichtweise unserer nahen Verwandten, den Menschenaffen, nicht revidieren? Verläuft die neue „natürliche“ Grenze, die Menschen von Tieren trennt, jetzt zwischen Orang-Utans und Gibbons, statt zwischen Mensch und Schimpanse? Richard David Precht diskutiert darüber mit dem Philosophen und Biologen Hans Werner Ingensiep, Professor an der Universität Duisburg-Essen, einem der weltweit besten Kenner des schillernden und oft kuriosen Verhältnisses zwischen Menschen und Menschenaffen.
    Unsere Beziehung zu unseren nächsten Verwandten, den Affen, ist gekennzeichnet durch viele Widersprüche: Wir finden sie niedlich und drollig, aber auch garstig und abscheulich. Im 19. Jahrhundert fragte sich Darwins Gegenspieler, der Bischof Samuel Wilberforce nach einem Besuch im Londoner Zoo, wie Gott etwas so Widerwärtiges wie die Affen erschaffen konnte. Den Mayas galten Affen als der letzte verpfuschte Versuch Gottes, bis es ihm gelang, den Menschen zu erschaffen. Und die Ureinwohner Borneos glaubten, dass Orang-Utans Menschen seien, die nur deshalb schweigen würden, weil sie zu faul zum Arbeiten wären.
    Seit Charles Darwin wissen wir, dass wir tatsächlich mit den Affen verwandt sind und uns aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben. Tierrechtler wie der australische Philosoph Peter Singer fordern seit 20 Jahren sogar „Menschenrechte“ für die Großen Menschenaffen Schimpanse, Bonobo, Gorilla und Orang-Utan. Gemeint sind das Recht auf Leben, der Schutz der individuellen Freiheit und das Verbot der Folter.
    Doch was bedeutet es konkret, Menschenaffen „Rechte“ einzuräumen? Dürfen wir sie dann noch in Zoos halten? Fallen sie damit nicht mehr unter die Bestimmungen des Artenschutzes, sondern unter die Menschrechts-Deklaration der UNO? Neben solchen praktischen Erwägungen berührt der Gedanke, Menschenrechte für Menschenaffen einzuräumen, die Grundfesten unseres Selbstverständnisses in der Welt. Wie und als was sehen wir uns im Verhältnis zu unseren nicht-menschlichen oder doch sehr menschlichen Verwandten? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.07.2014ZDF
  • Folge 14 (45 Min.)
    „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst.“ Mit diesen Worten charakterisierte Aufsichtsratschef Eric Schmidt schon vor vier Jahren sein Unternehmen Google. Eine Allmachtsfantasie? Offensichtlich nicht, denn Unternehmen wie Google, Facebook, Twitter, YouTube oder Amazon haben sich mit ihren Netzdiensten das gewinnträchtigste Handelsgut des digitalen Zeitalters gesichert: unsere persönlichen Daten. Sind wir damit zu freigiebig? Lassen wir uns nicht längst freiwillig taxieren, bespitzeln und manipulieren, bis wir nicht nur zum ferngesteuerten Konsumenten, sondern zum Produkt selbst degradiert sind? Diese Fragen diskutiert Richard David Precht mit Gabor Steingart, Journalist, Buchautor und Herausgeber des Handelsblatts.
    In einem kritischen Artikel hat er Autoren und Medienschaffende in die Verantwortung genommen, weil sie ihre Leistungen und ihre Kreativität, so Steingart, den Datenkonzernen ganz freiwillig und unentgeltlich auslieferten. Das ungeregelte Wirken der Netzkonzerne erinnerte ihn an die Zeit des Wilden Westens. Wer kann die Freiheitsrechte des Individuums, wie sie in der Philosophie der griechischen Antike und der Aufklärung des 18. Jahrhunderts definiert sind, gegen die globalen Datenkraken sichern? Wer kann die digitalen Großmächte und ihre stillen Teilhaber in ihre Schranken weisen? Müsste der Staat eine Grundversorgung an Information und Kommunikation garantieren und bereitstellen? Oder wäre das am Ende nicht noch besorgniserregender, als sich von marktbeherrschenden Unternehmen versorgen zu lassen? Und wie kann ein einzelner Staat einen Weltkonzern reglementieren, der global und nahezu unsichtbar agiert und offensichtlich keine Grenzen kennt? Die neue „digitale Agenda“ der Bundesregierung gibt darauf, so Precht, keine befriedigenden Antworten. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.09.2014ZDF
  • Folge 15 (45 Min.)
    Richard David Precht im Gespräch mit Sascha Lobo, Internet-Vordenker
    Die digitale Revolution schafft nicht nur vielfältige neue Formen von Kommunikation und Lebenskomfort – sie verändert auch in großem Tempo unseren Arbeitsmarkt. Sehr viele traditionelle Dienstleistungsbereiche befinden sich auf dem Rückzug. Wo früher der Hausarzt als erste Anlaufstelle Krankheiten diagnostizierte, kontrollieren heute und in Zukunft digitale Sensoren am Handgelenk unsere Gesundheit. Früher beriet uns der kundige Fachverkäufer, heute lassen wir uns durch Posts in den sozialen Netzwerken „beraten“. Das Reisebüro hat ausgedient, Flüge und Hotels buchen wir zuhause und der Steuerberater wird durch ein Programm ersetzt. Wo aber bleiben die Arbeitsplätze? Macht das Netz arbeitslos – oder schafft es vielleicht ganz neue Formen der Arbeit? Apps müssen erfunden und gepflegt werden, digitale Dienstleister erobern sich in unendlichen Nischen neue Kundenschichten.
    Richard David Precht spricht über dieses große gesellschaftliche Thema in seiner ZDF-Philosophiesendung mit dem Journalisten, Blogger und Buchautor Sascha Lobo, einem der wichtigsten Vordenker der digitalen Zukunft in Deutschland. Er prophezeit: Der gegenwärtige Weg des digitalen Fortschritts führt in die „Dumping-Hölle“. Der „Plattform-Kapitalismus“, so Sascha Lobo, vernichtet nicht nur Millionen von Arbeitsplätzen um deutlich weniger neue zu schaffen, er verändert auch die Arbeitswelt derjenigen, die noch Arbeit finden. Deren Arbeitsverhältnisse dürften in Zukunft äußerst prekär werden.
    Doch was kann man dagegen tun? Der digitale Fortschritt ist unaufhaltsam und irreversibel. Müssen wir deshalb neu und anders über Arbeit nachdenken? Brauchen wir eine Grundversorgung oder ein garantiertes Mindesteinkommen? Ist das Prinzip Lohnarbeit noch zeitgemäß?
    Amateure statt Profis, hire and fire statt Festanstellung, Schwarmintelligenz statt Fachkräften: Wird die Arbeit der Zukunft an den Günstigsten und Billigsten versteigert? Folgt der Ausbeutung durch Arbeitgeber die freiwillige Selbstausbeutung? Werden Gewerkschaften und soziale Sicherungssysteme ausgehöhlt oder gar hinfällig?
    Die Zukunft der Arbeitswelt, so diagnostizieren Kritiker, wird aus einer Art digitalen Klassengesellschaft bestehen. Einige wenige beherrschen und bestücken die Computer, während die Mehrheit dem folgt, was die Rechner ihnen vorschreiben. Es scheint tatsächlich so, dass es für immer weniger Menschen Arbeit gibt – und erst recht keine lebenslange, hauptberufliche Arbeit mehr. Während der analoge Foto-Konzern Kodak zu seinen besten Zeiten 145.000 Mitarbeiter beschäftigte, kommt heute die beliebte Foto-App Instagram, die Milliarden von Schnappschüssen verwaltet, mit einer Handvoll Angestellter aus. Weder die Politik noch die Gesellschaft können ein Interesse an dieser Entwicklung haben. Auch die Wirtschaft kann sich nicht wünschen, dass Massenarbeitslosigkeit, ein zusammenbrechender Binnenmarkt und schwindende Kaufkraft unser Land aushöhlen. Oder fallen die Prognosen zur Zukunft unserer Arbeit, der Arbeit 2.0, zu düster aus? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 19.10.2014ZDF
  • Folge 16 (45 Min.)
    Richard David Precht im Gespräch mit Jakob Augstein, Verleger und Journalist
    Dieses Jahr belegt Deutschland laut einer Studie zum ersten Mal Platz eins als angesehenste Nation der Welt und verdrängt damit die USA. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas, Export- und Fußballweltmeister. Immer deutlicher erhebt die Regierung Merkel den Anspruch einer Führungsrolle, wenn es etwa um die Eurorettung geht oder um den Ukraine-Konflikt. Deutschland, so hat es Bundespräsident Joachim Gauck wiederholt gefordert, soll wieder mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Doch was genau ist damit gemeint? Angesichts der maroden Bundeswehr-Ausstattung könnte ja von einem militärischen Mehr an Verantwortung kaum die Rede sein.
    Ist es Deutschlands Aufgabe, 25 Jahre nach dem Mauerfall jetzt auch Exportweltmeister in demokratischen Werten und Tugenden zu werden? Soll etwa am deutschen Wesen noch einmal die Welt genesen? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Publizisten Jakob Augstein, Verleger und Chefredakteur der Wochenzeitung Freitag, der auch durch seine streitbaren Kolumnen bei Spiegel Online für Diskussionsstoff sorgt.
    Haben wir Deutschen tatsächlich das Recht, ja die Pflicht, die der Nazi-Vergangenheit geschuldete Zurückhaltung heute abzulegen und mehr Einfluss zu wagen? Wie weit reicht diese neue Verantwortung? Und sind wir dieser neuen Rolle in der Welt überhaupt gewachsen? Warum soll jene historische Demut, die in den letzten Jahrzehnten angemessen schien und uns letztendlich den Respekt unserer Nachbarn einbrachte, heute nicht mehr gelten? Jakob Augstein meint, wir sollten uns zunächst einmal um unsere eigenen, reichlich vorhandenen Probleme kümmern und uns allenfalls im Rahmen der EU international einbringen.
    Wie willkommen wäre ein größerer deutscher Einfluss in der Welt überhaupt, wenn man bedenkt, wie schlecht es in der Geschichte immer ausgegangen ist, wenn Deutschland sich an seiner vermeintlichen Dominanz berauscht hat. Ist es nicht gerade ein Segen, dass wir Deutschen immer weniger stolz auf unser Land sind als andere, dabei aber immer glücklicher in ihm leben? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 30.11.2014ZDF
  • Folge 17 (45 Min.)
    Richard David Precht diskutiert in seiner ZDF-Philosophiesendung „Precht“ mit Christoph Schwennicke, Chefredakteur des „Cicero“, das Phänomen des Konservatismus. Wo steht er heute? Zwischen Heimatliebe und Fremdenhass? Die Pegida-Bewegung zieht Tausende von unzufriedenen Bürgerinnen und Bürgern an. Sie sehen sich nicht mehr angemessen in der Politik repräsentiert. Woher kommt die Abwehr alles Fremden, die Angst vor Heimatverlust? Die Konservativen geben auf den Straßen Dresdens den Ton an. Tatsächlich warnen Soziologen schon seit Jahren davor, dass sich gerade in Ostdeutschland die Mittelschicht abgehängt fühlt.
    Von den Medien verhöhnt und von der Politik nicht ernst genommen, beklagt man den Verfall der Kultur des christlichen Abendlandes. Und auch wenn das Beispiel Dresden anderswo nicht so recht Schule machen will, so zeigen Ergebnisse großer Umfragen, dass auch im Rest unseres Landes einzelne Befürchtungen der Pegida-Demonstranten durchaus mehrheitlich geteilt werden. Warum aber zeigt sich der Unmut deutscher Bürger heute vor allem in einer massiv konservativen Abwehrhaltung? Den Verlust welcher schwarz-rot-goldenen Werte fürchtet man hier eigentlich? Warum kulminiert diese Angst ausgerechnet in einer Islamophobie, obwohl man in Dresden doch kaum direkte Erfahrungen mit Muslimen machen kann? Müssten es Konservative nicht eigentlich schätzen, dass gläubige Muslime so konservativ und werteorientiert wie sie selbst sind? Warum dann dieser blinde Hass gegen alles Fremde? Woher dieser plötzliche Abschottungspatriotismus und die bittere Abrechnung mit der Multi-Kulti-Politik der letzten Jahre? Der Verdacht kommt auf, dass das zurzeit so viel beschworene Abendland nicht nur vom Terrorismus bedroht wird, sondern auch in einer hausgemachten Wertekrise steckt.
    Haben die Konservativen in der Gegenwart überhaupt noch einen legitimen Ort? Ist der Konservativismus in unserer modernen globalisierten Lebenswelt nicht längst heimatlos geworden? Selbst in der CDU sind die Konservativen unter der nüchtern regierenden Angela Merkel längst abgemeldet. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.02.2015ZDF
  • Folge 18 (45 Min.)
    Richard David Precht diskutiert mit Sahra Wagenknecht von der Partei DIE LINKE, ob der Kommunismus im Zeitalter der digitalen Revolution wieder im Kommen ist. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks vor 25 Jahren schien der Kommunismus für alle Zeiten erledigt zu sein. Und doch findet die kommunistische Utopie einer klassenlosen und selbstbestimmten Gesellschaft wieder neue Anhänger. Linke Utopien wieder auf dem Vormarsch? Spätestens seit der Finanzkrise und ihren Folgen ist Kapitalismuskritik en vogue. Ökonomen, Politologen und Soziologen fordern eine dringende Überprüfung unseres kapitalistischen Gesellschaftssystems.
    Nicht nur der Glaube an endloses Wachstum scheint erschüttert zu sein, auch die Zuversicht einer sozial und ökonomisch gerechten Gesellschaft schwindet. Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher. Entfesselte Finanzmärkte, Kapitalkonzentration, prekäre Arbeitsverhältnisse, die Krise der sozialen Systeme: Der Staat scheint ohnmächtig zuzusehen, wie wir zunehmend von der Wirtschaft regiert werden. Ist der Kapitalismus die beste Wirtschaftsform aller Zeiten? Oder gibt es ernstzunehmende Alternativen? Richard David Precht fragt Sahra Wagenknecht, wie sich ihre Politik den Herausforderungen unserer Zeit stellt, den grundlegenden Veränderungen, die die digitale Revolution mit sich bringt.
    Wäre ein entstaubter Kommunismus, ein Kommunismus 2.0., eine Alternative zur vom Kapitalismus dominierten modernen Netzgesellschaft? Schließlich, so sieht es der US-Soziologe Jeremy Rifkin, erleichtere das digitale Zeitalter jedem von uns den Zugang zu den Produktionsmitteln. Share Economy, Crowdsourcing und Collaborative Consumption sind die Schlagworte einer neuen Generation.
    Sie möchte die Bedeutung von Besitz und Arbeit im Leben neu definieren. Visionen entwickeln allerdings nicht unsere Politiker, sondern viel eher die Big Data-Konzerne aus dem Silicon Valley. Aber sollten wir unseren Fortschritt getrost Google, Facebook oder Apple überlassen, die mit ihren kühnen Zukunftsvisionen immer wieder Tatsachen schaffen, denen die Politik dann hinterherlaufen muss? Welche Antwort haben linke Theorien auf die Fragen unserer Zeit? Hat uns Karl Marx noch etwas zu sagen oder hat linke Politik heute auch nur verstaubte Parolen zu bieten? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 26.04.2015ZDF
  • Folge 19 (45 Min.)
    Die Zeit scheint immer schneller zu vergehen. Beschleunigen wir uns etwa zu Tode? Diese Frage stellt Richard David Precht dem Zeit-Forscher und Soziologen Professor Hartmut Rosa. In der ZDF-Philosophiesendung „Precht“ geht es um Beschleunigung, um einen Zeitdruck, der die Menschen immer mehr belastet. Ist der digitale Kapitalismus schuld am rasenden Stillstand? Oder braucht der Mensch nicht eher die Schnelligkeit, den Fortschritt? In unserer modernen Gesellschaft versuche jeder möglichst viele Optionen aus jener unendlichen Palette der Möglichkeiten zu realisieren, so Prechts Gast Professor Hartmut Rosa, und habe am Ende gerade deshalb das Gefühl, immer mehr zu verpassen.
    Besonders die digitale Technologie spielt dem kapitalistischen Prinzip der Profitoptimierung und der dafür notwendigen Beschleunigung in die Hände und weitet es aus bis in alle kulturellen Bereiche unseres Lebens. Doch hat diese fortschreitende Beschleunigung in jedem Fall eine Entfremdung des Menschen zur Folge, wie Rosa befürchtet? Verlieren wir den Bezug zu dem was wir tun und wie wir leben, weil wir dabei immer seltener die Selbstwirksamkeit unseres Handelns erfahren? Die Ohnmacht der Politik gegenüber dem rasanten Wandel in Technik und Wirtschaft legt dies nahe.
    Die Politik der Spätmoderne wird immer weniger vom Argument bestimmt und immer mehr vom Ressentiment. Während der Börsenhandel in Millisekunden reagieren kann, brauchen demokratische Entscheidungen oft Jahre. Haben wir die Hoheit über unser Zeitmanagement tatsächlich dem technischen Fortschritt und dem Kapitalismus geopfert, oder spiegelt unser Drang nach Beschleunigung lediglich unsere zwangsläufige kulturelle Entwicklung wider? Sollten wir Burnouts und Zeitstress mit bewusster Entschleunigung begegnen oder gar darauf vertrauen, dass wir immer schneller auf ein immer besseres Leben zusteuern? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 14.06.2015ZDF
  • Folge 20 (45 Min.)
    Der reiche Westen erlebt zur Zeit eine Flüchtlingswelle wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Richard David Precht spricht darüber mit Cap-Anamur-Mitbegründer Rupert Neudeck. Sind die gegenwärtigen Fluchtbewegungen nur eines jener tragischen, immer wiederkehrenden Phänomene, die die Industriestaaten lediglich politisch und logistisch aussitzen müssen, oder sind sie Vorboten einer viel gravierenderen Schieflage auf unserem globalisierten Planeten? Längst geht es nicht mehr nur um das Management der Migrationsströme, die Verantwortung von Staat und Gesellschaft geht viel weiter.
    Darüber spricht Richard David Precht mit Rupert Neudeck, dem Mitbegründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur/​Deutsche Notärzte e. V. und Grünhelme, der sich seit 36 Jahren dem Kampf gegen das Flüchtlingselend verschrieben hat. Seit Hunderttausenden von Jahren sind Menschen unterwegs. Sie wandern von ihren Heimatregionen in andere Gebiete, als Pioniere und Eroberer, aber auch als Flüchtlinge und Vertriebene. Die Flüchtlinge von heute vereint der Wunsch nach einem sicheren, besseren Leben in den wohlhabenden europäischen Ländern. Dort hat man mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Zerfall der Sowjetunion und mit dem Schengener Abkommen die Grenzen geöffnet, Mauern und Zäune feierlich niedergerissen.
    Nun aber werden in Ungarn, Bulgarien, England und anderswo wieder Grenzsperren aufgebaut oder geplant, um Flüchtlinge schon an den EU-Außengrenzen aufzuhalten. Die viel gepriesene Globalisierung ist nicht überall willkommen: Während freie Kapitalströme, der Austausch von Waren und Wissen willkommen sind, soll der Menschenstrom der Verfolgten und Heimatlosen nicht ganz so frei fließen. Soll die EU daher endlich ihre Grenzen aufmachen, um alle Flüchtlinge und Zuwanderer aufzunehmen? Wie viele Flüchtlinge verkraftet Deutschland wirklich? Oder sollen wir uns stattdessen viel nachhaltiger und weitreichender in die Geschicke jener Staaten einmischen, aus denen Asylbewerber und Einwanderer stammen? Für Rupert Neudeck beginnt eine erfolgreiche Flüchtlingspolitik in einer völlig neu ausgerichteten Entwicklungspolitik.
    Er plädiert dafür, einzelne funktionierende Staaten mit gezielten und massiven Partnerschaften zu ertüchtigen und so den Menschen in ihren Ländern neue Perspektiven zu geben.
    Neudeck setzt sich zudem dafür ein, dass Migranten auch ohne Asylrecht Zugang zu unserer Gesellschaft erhalten müssen. Ist der gegenwärtige Diskussionsansatz zur Flüchtlingspolitik völlig falsch gewählt, indem man über die für uns spürbare Symptomatik lamentiert und sich kaum mit den Ursachen und unserer Verantwortung für diese Ursachen auseinandersetzt, fragen sich Precht und Neudeck. Abschreckung statt Mitleid, Angst vor Überfremdung statt Hilfsbereitschaft. Die Zeiten sind vorbei, so Precht, dass wir uns hinter Landesgrenzen vor den Problemen der Welt abschotten, um unseren Wohlstand zu schützen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.09.2015ZDF
  • Folge 21 (45 Min.)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.10.2015ZDF
  • Folge 22 (45 Min.)
    Warum hat der Glaube auch heute noch in unserer modernen Welt einen so großen Einfluss auf unser Leben? Das fragt Richard David Precht den deutsch-türkischen Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Schaut man sich die Konflikte in unserer modernen Welt an, so scheinen auch heute noch fast alle religiös begründet oder motiviert zu sein. Welche Schlussfolgerungen sollten wir aus diesem vermeintlichen Anachronismus ziehen? Ist Religion die Wurzel allen Übels? Egal ob der IS gegen die westliche Welt, Sunniten gegen Schiiten, Israelis gegen Palästinenser, Amerikas christliche Krieger gegen Schurkenstaaten, Kämpfe in Afrika oder in Asien, überall scheinen Kriege wegen Religion und Glauben geführt zu werden.
    Richard David Precht fragt seinen Gast, den bedeutenden Schriftsteller Feridun Zaimoglu („Siebentürmeviertel“, 2015) in seiner ZDF-Philosophiesendung, ob folgerichtig eine Welt ohne Religion die Welt friedlicher machen würde. Vor allem der Ausschließlichkeitsanspruch der meisten Weltreligionen, es gäbe nur einen wahren Glauben, muss immer wieder zum Anlass für religiös motivierte Gewalt herhalten.
    Für den liberalen Geist aus Lessings Ring-Parabel scheint kein Platz zu sein in unserer Welt. Vornehmlich gehe es, so Precht, um weltliche Macht, um Territorialkämpfe oder Ressourcensicherung, statt um Erlösung, Liebe und die Wahrung einer friedlichen Gemeinschaft. In welchem Verhältnis steht der Glaube zur Religion, zur Wissenschaft, zum modernen rationalen Leben, dass wir führen? Was ist das überhaupt Glaube, und spielt er heute wirklich noch eine so maßgebliche Rolle in unserem Leben? Viele haben sich im aufgeklärten Westen aus religiösen Institutionen zurückgezogen und leben heute lieber ihre ganz private Spiritualität aus.
    Religionspsychologen wundert das nicht, sind sie doch davon überzeugt, dass religiöses Empfinden dem Menschen notwendig innewohnt. Doch auf der ganz persönlichen Suche nach dem wahren Glauben wird der Glaube schnell zur Ware. Aus Horoskopen, Körperkult, Liebesglück, Selbstverwirklichung und allerlei Privat-Mystik wird heute das religiöse Süppchen gekocht, für das jeder sein ganz eigenes Rezept verwendet.
    Führt das aber nicht die eigentliche Idee der Kirche, der religiösen Gemeinschaft ad absurdum? Welchen spirituell prägenden Einfluss kann eine Gesellschaft noch ausüben, deren Glaube zu jedermanns Privatsache geworden ist? Sind die Werte des sogenannten „christlichen Abendlandes“ in Gefahr? Fest zu stehen scheint nur, so Precht, dass unser rationaler Verstand, unsere Logik und unsere Wissenschaftlichkeit offenbar nicht im Stande sind, uns den Glauben ganz auszutreiben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.11.2015ZDF
  • Folge 23 (45 Min.)
    Ist unser Leben heute so komplex geworden, dass wir es nicht mehr beherrschen können? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge. Wir leben heute in der komplexesten Welt, die es je gab. Das globalisierte und digitalisierte Zeitalter liefert uns eine unüberschaubare Menge an Daten und Informationen. Doch je mehr wir wissen, umso weniger scheinen wir zu wissen, was wir tun sollen. Angesichts der global über uns hereinbrechenden Konflikte – wie etwa der Bewältigung der Flüchtlingskrise, der allgegenwärtigen Bedrohung durch Terror oder der Ohnmacht vor den immer unvorhersehbareren Verstrickungen im Finanzmarkt – fühlen sich viele Menschen vermehrt überfordert, ratlos und vor allem verängstigt.
    Auch unsere Politiker und andere Entscheidungsträger sind davon offenbar nicht ausgenommen. Alles hängt mit allem zusammen, sagt Büchner-Preisträger Alexander Kluge. Er sieht jedoch in krisenhaften Zeiten Chancen für positive Fortentwicklungen. Nur Gesellschaften, die sich selbstgenügsam abschotten, verfallen in Stagnation und Stillstand, so Kluge. Viele flüchten sich in blinden Aktionismus, andere zeigen sich vermehrt für Verschwörungstheorien empfänglich.
    Der Verschwörungstheoretiker braucht das Gefühl, mehr zu wissen als alle anderen. So überwindet er seine Ohnmacht vor einer Welt, die er nicht mehr durchschaut, und die ihm zunehmend ungerecht erscheint. Das Bedürfnis nach Vereinfachung ist verlockend und tröstend. So mancher zieht sich bereits vom offenen, ungeschützten Feld des Globalen in seine nationalistischen und privaten Festungen zurück. Doch auch in unserer ganz persönlichen Lebenswelt haben sich die Zusammenhänge potenziert. Mehr als in jeder Zeit zuvor verwischt sich heute das, was wir Realität nennen, untrennbar mit allgegenwärtigen Fiktionen.
    Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Fiktion scheint immer unbedeutender zu werden, so Richard David Precht. Die Illusion hat für uns heute annähernd den gleichen Reiz wie die Wahrheit, wenn sie nur unterhaltsam genug ist. Wir definieren uns immer weniger über unsere Persönlichkeit, sondern kreieren stattdessen fiktive Profile, legen User-Accounts an und vernetzen uns ins Unendliche. Stiftet das Netz Zusammenhänge oder verwirrt es nicht eher die Menschen? Aus dem Strom der unendlichen Daten und Meinungen droht ein Meer der Beliebigkeit zu werden, ein Ozean der Bedeutungslosigkeit. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 31.01.2016ZDF
  • Folge 24 (45 Min.)
    Deutschland ist ein reiches Land. Doch wie gerecht geht es bei uns wirklich zu? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Soziologen Prof. Heinz Bude. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger haben den Eindruck, dass die Macht, das Geld oder die Werte in unserem Land nicht mehr gerecht verteilt sind. Rechte Populisten, wie die AfD, profitieren von dieser Stimmung. Der Aufstand der Unzufriedenen bescherte der AfD zweistellige Wahlerfolge. Auch rechte Populisten, wie Donald Trump, Viktor Orbán und Marine le Pen, spielen mit den Ängsten der Irritierten und Zukurzgekommenen. Neben Arbeitslosen und Minderverdienern ist es besonders die untere Mittelschicht, die auf diese Weise ihr massiv gewachsenes Misstrauen in die Politik zum Ausdruck bringt.
    Stehen wir in Deutschland vor einem erbitterten Verteilungskampf? Diese Frage stellt Richard David Precht dem Soziologen Prof. Heinz Bude, der ein profunder Kenner und Erforscher der Stimmungslage in der bundesdeutschen Bevölkerung ist. Seit dem Siegeszug der sozialen Marktwirtschaft galt hierzulande die Devise, Chancengleichheit sei der beste Motor für eine prosperierende Leistungsgesellschaft. Mit Fleiß, Leistung und frei zugänglicher Bildung sollte jedermann den ökonomischen und sozialen Aufstieg schaffen.
    Was aber ist geschehen, dass die viel beschworene Chancengleichheit heute immer stärker als Ungerechtigkeit empfunden wird? Läuft der Kapitalismus endgültig aus dem Ruder, fragt Richard David Precht. Schwappt die unaufhaltsame Welle der Globalisierung nun mit all ihren negativen Folgen zurück in die Industriestaaten, die bisher eher zu den Profiteuren des globalen Marktes gehörten? Beim Thema Bildungsgerechtigkeit sprechen mittlerweile sogar Fachleute von Verhältnissen wie in der alten Feudalgesellschaft.
    Je ärmer und ungebildeter die Eltern sind, desto geringer sind die Bildungschancen für die Kinder. Die Arbeitswelt zersplittert zunehmend in Minijobs und befristete Beschäftigungen. Vermögenswerte scheinen sich zunehmend in den Händen der Reichen zu konzentrieren, während dem einfachen Volk der Sparer null Prozent Zinsen aufgebrummt werden. Was besonders irritiert, so Precht, ist, dass die lauter werdende Revolte gegen das politische Establishment nicht von der linken, sondern von der rechts-konservativen Seite kommt. Es scheint sich weniger eine Solidarität von unten zu formieren als eine Sehnsucht nach Stärke und einfachen Rezepten.
    Wie aber könnte man mehr Verteilungsgerechtigkeit und somit neues Vertrauen schaffen? Wie der Idee einer echten Solidargesellschaft neues Leben einhauchen? Greifen die alten Rezepte überhaupt, Reiche und Erben noch höher zu besteuern? Oder brauchen wir möglicherweise viel tiefer gehende Veränderungen? Könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen etwa den sozialen Frieden bringen? Brauchen wir eine echte, radikale Bildungsrevolution, um wenigstens die grundsätzlichen Voraussetzungen für mehr Gerechtigkeit zu schaffen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.04.2016ZDF
  • Folge 25 (45 Min.)
    Islamistischer Terror, Kriege in Afrika, im Nahen Osten, in der Ukraine: Wie soll Deutschland mit den neuen Unsicherheiten und militärischen Bedrohungen umgehen? Viele Jahrzehnte ließ sich die Welt verlässlich teilen: in West und Ost, in Gut und Böse. Doch die Zeit der sicherheitspolitischen Sorglosigkeit ist vorbei. Darüber spricht Richard David Precht mit dem Berliner Politikwissenschaftler Professor Herfried Münkler. Die meisten Deutschen kennen Kriegsszenen nur aus den Nachrichten, aus Filmen oder Computerspielen.
    Es sind Bilder einer fernen Welt, die nichts mit unserem friedlichen Alltag zu tun hat, auch wenn unsere Soldaten international in immer mehr Kampfeinsätze verwickelt sind. Die Globalisierung machte Grenzen scheinbar unwichtig, sie ließ uns glauben, das „Ende der Geschichte“ sei gekommen. Doch die Zeit der sicherheitspolitischen Sorglosigkeit ist spätestens mit der Bedrohung durch den Terrorismus vorbei. Wie sollen wir mit den neuen Unsicherheiten und militärischen Bedrohungen umgehen? Diese Fragen richtet Richard David Precht in der 25. Ausgabe seiner Philosophiesendung an Prof. Herfried Münkler, einen der wichtigsten deutschen Politikwissenschaftler, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin, Regierungsberater, bekannt geworden durch Bücher über deutsche Mythen und über den Ersten Weltkrieg.
    Die heutigen Gewaltkonflikte haben nicht mehr viel gemein mit den Schlachten Mann gegen Mann, wie sie früher geführt wurden. Die Deutschen wollen heute keine Kriegshelden mehr sein und auch keine ultimativen Opfer mehr bringen.
    Professor Münkler nennt es das „postheroische Zeitalter“, in dem uns unsere Kinder schlichtweg zu kostbar sind, um sie an irgendeiner Front zu opfern. Stattdessen versucht die Bundesrepublik Deutschland, Konflikte mit Tauschhandel zu lösen, meist durch Unterstützung an Nebenkriegsschauplätzen oder einfach durch Geld. Ist Deutschland auf diese Weise aber faktisch noch wehrfähig? Oder hat uns der Wunsch nach anhaltendem Frieden käuflich gemacht? Je dreister und gewalttätiger autokratische Staatsführer heute territoriale Ansprüche durchsetzen, umso ratloser und handlungsunfähiger zeigt sich das kriegsmüde alte Europa.
    Die Strategie des weltpolizeilichen Militärschlags hat sich auch für Amerika nicht bewährt. Befriedung habe sie nie gebracht, höchstens ein Machtvakuum, einen neuen Kriegsherd wie in Syrien oder in Libyen, so Richard David Precht. Gewalt bricht sich heute in asymmetrischen oder hybriden Kriegen Bahn, so Professor Münkler – in schmutzigen Kriegen gegen alle Regeln der „Kriegskunst“.
    Während der Terror von der medialen Aufmerksamkeit und der Angst lebt, führen die Hegemonialstaaten unsichtbare Drohnenkriege oder schicken Waffen an die Feinde ihrer Feinde. Geheimdienste ziehen ihre Strippen, Geld fließt. Die einen verschwenden ihr Leben, die anderen investieren in milliardenschweres Militärgerät. Beabsichtigter tödlicher Kollateralschaden gegen minimal invasive Militäroperationen. Wie lange wird das noch gut gehen – und wie soll sich auf diese Weise ein anhaltender weltweiter Frieden herstellen lassen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.05.2016ZDF

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