2014/2015, Folge 443–459

  • Folge 443
    Seit über zehn Jahren gilt das umstrittene Prostitutionsgesetz. Die Große Koalition hat eine umfassende Überarbeitung angekündigt: Freier, die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen, müssen künftig mit Strafen rechnen. Das Mindestalter für Prostituierte soll bei 21 Jahren liegen. Kondome sollen zur Pflicht werden. Wird das Milliardengeschäft mit dem käuflichen Sex auf diese Weise weniger erbarmungslos? Kann man so das kriminelle Rotlichtmilieu und den Menschenhandel bekämpfen?
    Gäste: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU /​ Ministerpräsidentin Saarland), Undine de Rivière (Prostituierte), Marie Merklinger (Ex-Prostituierte), Rita Knobel-Ulrich (Fernseh-Journalistin), Olaf Forner (Freier), Hermann „Pascha“ Müller (Bordellbetreiber)
    Annegret Kramp-Karrenbauer: Die CDU-Politikerin setzt sich für eine klare Verschärfung des Prostitutionsgesetzes ein. Die rot-grüne Regelung von 2002 habe die Situation für Prostituierte verschlechtert: „Die moderne Sklaverei wurde nicht zurückgedrängt, sondern gefördert. Deutschland ist heute zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel geworden“, sagt die saarländische Ministerpräsidentin. In ihrem Bundesland hat Annegret Kramp-Karrenbauer bereits eine Kondompflicht für Freier, unangemeldete Bordellkontrollen und eine erhebliche Ausweitung des Sperrgebiets durchgesetzt.
    Undine de Rivière: „Sexarbeit ist für mich so normal wie für andere ein Bürojob“, sagt die Prostituierte und Sprecherin des „Berufsverbandes für erotische und sexuelle Dienstleistungen“. Undine de Rivière engagiert sich gegen eine geplanten Verschärfung des Prostitutionsgesetzes: „Unser Beruf ist weder psychisch schädlich, noch muss man uns vor uns selbst schützen.“
    Marie Merklinger: „Prostitution ist Gewalt an Frauen. Es gibt keine Frau, die das aus purer Freude macht“, sagt die Prostitutionsaussteigerin. Aus finanziellen Gründen hat sich Marie Merklinger drei Jahre lang prostituiert und kennt das Milieu. Das Verhalten der Männer hat sie entsetzt. „Die meisten Freier sind furchtbar und völlig respektlos. Diese Männer haben kein gesundes Verhältnis zu ihrer Sexualität.“ Sie kämpft für ein Verbot von Prostitution.
    Rita Knobel-Ulrich: „Das deutsche Prostitutionsgesetz war gut gemeint, aber schlecht gemacht“, sagt die Journalistin. Für ihre Dokumentation „Menschenhandel in Europa – Billignachschub für deutsche Puffs“ recherchierte die preisgekrönte Filmemacherin in deutschen Bordellen sowie in den osteuropäischen Herkunftsländern vieler Prostituierter. Sie plädiert für strengere Auflagen für Bordellbetreiber, um es der Polizei zu ermöglichen, effizientere Kontrollen durchzuführen.
    Olaf Forner: Seit fast 20 Jahren besucht der gelernte Elektro-Installateur bis zu vier Mal im Monat ein Bordell. „Einen One-Night-Stand finde ich viel verlogener“, sagt der 49-jährige Single. Deswegen zahle er lieber für Sex. Der Berliner kritisiert, dass Prostituierte diskriminiert und angefeindet würden. Die Gesellschaft habe immer noch ein moralisches Problem mit der Prostitution. Dabei ginge jeder Mann im Laufe seines Lebens einmal ins Bordell, meint Olaf Forner.
    Hermann „Pascha“ Müller: Der Gastronom gründete das Großbordell „Pascha“ in Köln, ein sogenanntes Laufhaus, in dem sich Prostituierte einmieten. Die Kette unterhält fünf Betriebe in Deutschland und Österreich. Eine der Marketing-Ideen: Die „Geld-zurück-Garantie“. Das Rotlicht-Gewerbe sei eines der bestkontrollierten überhaupt, sagt Hermann Müller. Moralischen Bedenken entgegnet der Bordellbetreiber pragmatisch: „Ein Mann, der zu Prostituierten geht, kommt damit billiger davon als bei einer Affäre.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 20.01.2015Das Erste
  • Folge 444
    Wie lebt es sich, wenn der Ruf ruiniert ist, wenn man unschuldig zum Justizopfer wird, wenn feindlich gesinnte Nachbarn, Mitschüler, Kollegen oder eigene Angehörige Lügenmärchen in die Welt setzt, wenn Journalisten zur Hatz blasen? Kann man sich wehren? Und bleibt am Opfer nicht immer etwas von den Vorwürfen und Unterstellungen hängen? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 27.01.2015Das Erste
  • Folge 445
    Carmen Geiss: Schön und reich zu sein – dafür scheint die TV-Millionärin („Die Geissens – Eine schrecklich glamouröse Familie“) alles zu tun. Sie lebt in einem Luxuspenthouse an der Côte d’Azur. Die ehemalige „Miss Fitness“, die einst als Model für die Modefirma ihres Mannes Robert posierte, überrascht mit einem ehrlichen Geständnis: Die Unternehmerin und Mutter von zwei Kindern bekennt nicht nur, häufig beim Schönheits-Operateur gewesen zu sein, sondern auch, was schief gegangen ist – bei Brustvergrößerungen oder beim Lippenaufspritzen.
    Michaela May: „Ich bin gegen Schönheits-Operationen, weil man die Seele auch nicht liften kann“, sagt die langjährige „Polizeiruf 110“-Kommissarin, die seit vielen Jahrzehnten vor der Kamera steht. Für Michaela May kommen Botox oder ein Facelifting nicht in Frage: „Ein alter Körper und ein junges Gesicht passen einfach nicht zusammen. Ich glaube nicht, dass eine äußere Verjüngung eine tatsächliche Verjüngung erwirkt.“
    Dr. Dietmar Löffler: „Wir machen die Menschen glücklich“, verspricht der erfahrene Schönheitsoperateur. Nur manchmal sei die Erwartungshaltung der Patienten zu hoch und dann lehne er die Behandlung ab. Komplette, so genannte „Transformer-OPs“ wie in den USA führe er nicht durch. „Wir schaffen keine Monster, sondern machen eine Wohlfühl-Chirurgie“, erklärt der Chef einer Schweizer Privatklinik.
    Dr. Werner Bartens: Statt sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen, rät der Mediziner und Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ zu einem Termin beim Psychologen: „90 Prozent dieser Menschen haben eine gestörte Selbstwahrnehmung.“ Die Versprechen der Chirurgen könnten daher nie eingelöst werden. Auch Diät- und Fitnesswahn führten in die Irre: „Selbst Schlanke bis Magersüchtige halten sich für zu dick. Die bleiben auch unzufrieden, wenn sie abnehmen.“
    Nathalie Rosenke: „Dicke sind dumm, faul und undiszipliniert“ – gegen solche Vorurteile kämpft die Vorsitzende der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung. Sie hat selbst hat schon viel Verachtung und Erniedrigung wegen ihren über 100 Kilo erfahren. „Ein dicker Körper kann auch gewollt sein.“ Die Webdesignerin sagt, und träumt von einer Welt ohne Gewichtsfanatismus.
    Patrick Heizmann: „Ich möchte nie wieder übergewichtig sein, weil ich weiß, wie sich ein schlanker Körper anfühlt“, sagt der Fitnesstrainer. Patrick Heizmann ist sich sicher: Wenn dicke Menschen auf einen Schlag 30 Kilo abnehmen könnten, würden sie es tun. „Ich glaube einfach nicht, dass Übergewichtige sich ihre Kilos bewusst anfuttern, um dann zu sagen: So bin ich glücklich“, sagt der Autor („Ich bin dann mal schlank“). (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 03.02.2015Das Erste
  • Folge 446
    Wladimir Putin spaltet die Welt: Für seine Anhänger ist der Kreml-Chef ein kluger Staatsmann, der selbstbewusst und mit starker Hand die russischen Interessen vertritt, für seine Kritiker ein machthungriger Diktator, den die Sehnsucht nach der alten sowjetischen Großmacht umtreibt. Seit der Annexion der Krim vor genau einem Jahr ist die Lage in der Ostukraine immer weiter eskaliert, allen Friedensvereinbarungen zum Trotz. Ist Putin dafür verantwortlich? Kann ihm der Westen noch vertrauen?
    Die Gäste: Gabriele Krone-Schmalz (Autorin und Ex-Moskaukorrespondentin), Werner Schulz (B’ 90/​Grüne (Politiker), Ivan Rodionov (Russischer Chefredakteur), Marina Weisband (Ehem. Piraten-Politikerin), Arnulf Baring (Historiker), Hubert Seipel (Fernsehjournalist)
    Gabriele Krone-Schmalz: Die aktuelle Bestsellerautorin („Russland verstehen“) hält den Krieg in Ostukraine nicht für eine Folge von Wladimir Putins Machtstreben. „Sein Handeln ist ein riskanter Versuch, russische geopolitische Sorgen so zu präsentieren, dass sie endlich vom Rest der Welt ernst genommen werden.“ Denn der Kreml-Chef, so die frühere ARD-Korrespondentin in Moskau, sei zu Beginn „offen und motiviert“ auf den Westen zugegangen. „Die Ausgrenzung Russlands und die durchgängige Ablehnung seiner Person haben Putin persönlich sehr getroffen und verändert“, sagt Gabriele Krone-Schmalz.
    Werner Schulz: „Putin ist skrupellos und eiskalt“, urteilt der langjährige Europa-Abgeordnete. Der Grünen-Politiker fordert von der Bundesregierung und der EU ein deutlich entschiedeneres Vorgehen, um Russlands Präsidenten „in die Knie zu zwingen“. Die bisherigen Sanktionen reichten dafür nicht aus: „Momentan werden wir von Putin vorgeführt“, sagt Werner Schulz.
    Ivan Rodionov: „Putin und Russland haben Interesse am Frieden. Sie wollen, dass die Waffen schweigen, schwere Geschütze abgezogen werden und eine Entmilitarisierung stattfindet“, meint der Chefredakteur der russischen Nachrichtenagentur „Ruptly Video Agency“. Der gebürtige Moskauer verurteilt die gegenseitigen Schuldzuweisungen und fordert Vertrauen.
    Marina Weisband: Die gebürtige Ukrainerin unterstützte vor einem Jahr die Massenproteste in Kiew gegen den damaligen Präsidenten Janukowitsch. Rückblickend stellt sie fest, dass niemand dort mit einer so heftigen Reaktion Russlands gerechnet habe. Die frühere Piratenpolitikerin hofft nach wie vor auf eine diplomatische Lösung. Trotzdem müsse man Putin deutlich zeigen, „dass man die Verschiebung von Grenzen nicht anerkennt“. Mit ihrer Familie in Kiew steht Marina Weisband in engem Kontakt und sagt: „Die größte Angst haben wir davor, dass Russland irgendwann einen offenen Krieg erklärt.“
    Arnulf Baring: „In den Augen Putins sind wir Weicheier“, sagt der Publizist und Historiker. „Er versucht, den Westen mit Gesten der Bedrohung einzuschüchtern. Und da wir uns einschüchtern lassen, gewinnt er permanent an Boden.“ Es sei dringend an der Zeit, etwas gegen die permanenten Erpressungen des russischen Diktators zu tun, auch mithilfe von Militär und Waffen: „Nicht, um einen Krieg anzuzetteln, sondern um Putin zu verunsichern.“
    Hubert Seipel: Kein anderer westlicher Journalist ist Wladimir Putin so nahe gekommen wie der Dokumentarfilmer und NDR-Autor. Mit „Ich, Putin“ gelang ihm vor drei Jahren ein exklusiver Blick hinter die Kulissen des Kreml. Der Film zeigte den Machtmenschen Putin aus nächster Nähe. Im vergangenen Herbst führte Hubert Seipel ein aufsehenerregendes und heftig diskutiertes Interview mit dem russischen Präsidenten in Wladiwostok. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 24.02.2015Das Erste
  • Folge 447
    Ein Leben ohne Ängste oder die Aussicht auf göttliche Liebe: Was Sektengurus versprechen, klingt oft verlockend. Ihre Anhänger vertrauen ihnen blind, gehorchen selbst absurden Anweisungen, unterziehen sich freiwillig einer Gehirnwäsche. Was passiert aber, wenn man sich von autoritären Lehren lossagt, wenn man erkennt, dass der angebliche Königsweg in ein besseres Leben ein Irrtum war? Wie schwer sind der Ausstieg und die Rückkehr in den Alltag?
    Gäste: Gitta Saxx (Model und Guru-Opfer), Judith Mühlbacher (wuchs in urchristlicher Sekte auf), Maria Diederichs (ehem. Otto Muehl-Kommunardin), Sascha Erdmann (Sektenaussteiger), Dieter Rohmann (Psychologe)
    Gitta Saxx: Es begann ganz harmlos: weil sie oft heftige Kopfschmerzen quälten, suchte das Model Hilfe bei einem selbst ernannten „Reiki-Meister“. Er versprach ihr Hilfe und Schutz in allen Lebenslagen: „Doch nach kurzer Zeit wurde daraus Gehirnwäsche im Turbogang. Bald kontrollierte er mein gesamtes Leben“, so Gitta Saxx. Immer höhere Geldforderungen ihres „Gurus“ trieben das Model in den finanziellen Ruin. Erst als sie nach acht Jahren völlig überschuldet auch noch ihre Wohnung verlor, kommt Gitta Saxx von ihrem Guru los.
    Judith Mühlbacher: Sie war ein zweijähriges Kind, als ihre Eltern sich einer strengen urchristlichen Glaubensgruppe anschlossen, die nach den Lehren eines neuen Propheten lebte. „Ab diesem Zeitpunkt war ich nicht mehr ihr Kind, sondern Kind der Gemeinschaft“, erzählt die heute 35-Jährige. Über 20 Jahre blieb sie in der Sekte. „Auch körperliche Bestrafungen, um den Willen zu brechen, gab es“, berichtet Judith Mühlbacher. Als die Glaubensgruppe ihre Verlobung mit einem anderen Mitglied auflöst, entscheidet sich Judith Mühlbacher für den Ausstieg.
    Maria Diederichs: Ende der siebziger Jahre wurde die Hamburgerin Mitglied der so genannten „AAO“ (Aktionsanalytische Organisation). Die berühmte Kommune um den österreichischen Künstler Otto Muehl proklamierte freie Sexualität, gemeinsames Eigentum und das Ende von der Familie. „Ich habe fest an dieses alternative Lebensmodell geglaubt“, sagt die heute 60-Jährige. 1991 wurde Otto Muehl zu sieben Jahren Haft wegen Kindes- und Drogenmissbrauch verurteilt. Die Kommune zerbrach. Heute sagt Maria Diederichs: „Es war eine Sekte und Otto Muehl ein Guru. Irgendwann ist er abgehoben. Irgendwann dachte er, er ist Gott. Das war sein Verhängnis.“
    Sascha Erdmann: 27 Jahre lang, seit seiner Geburt, stand der erfolgreiche Fotograf unter dem psychischen Druck einer religiösen Kleingruppe, die ein ehemaliger Pastor und seine Frau aufgebaut hatten. Sie behaupten, in Briefen Botschaften von Gott zu erhalten. Systematisch werden die Mitglieder ihrer Gruppierung auf diese Weise gelenkt. „Wenn ich Kontakt nach außen hatte, stand in den Briefen, dass die dunkle Seite Gottes mich vereinnahmt hatte. Mir wurde gedroht, dass Gott mich loslässt.“ Ungewöhnlich: Die Sekte leitet ein erfolgreiches Medienunternehmen. Erst vor zwei Jahren erkannte Sascha Erdmann die dahintersteckende Manipulation und verließ die Gruppe.
    Dieter Rohmann: Seit Jahrzehnten betreut der Psychologe Sektenaussteiger. Mittlerweile hätten kleine Gruppen rund um Heiler, Meister und Heilpraktiker die großen Sekten abgelöst. Die Arbeitsweise sei jedoch die gleiche: „Angst ist während der Zugehörigkeit ein ständiger Begleiter, denn mit Angst und Schuld werden die Mitglieder hörig und unterwürfig gehalten“, erklärt Dieter Rohmann. Seine Klienten seien oft „Menschen mittleren Alters, nicht selten mit Hochschulabschluss, die mit einer schwierigen Lebenssituation nicht klar kommen.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 03.03.2015Das Erste
  • Folge 448
    Obwohl sich die große Mehrheit der 4 Mio. Muslime in Deutschland an westlichen Werten (Studie der Bertelsmann-Stiftung) orientiert, haben negative Vorurteile gegenüber Muslimen in den letzten Jahren zugenommen. 57 Prozent der befragten Nicht-Muslime empfinden den Islam als Bedrohung, 61 Prozent meinen, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Die Anschläge von Paris und Kopenhagen haben die Debatte um das Zusammenleben noch einmal verschärft. Könnte ein Islamgesetz nach dem aktuellen österreichischen Vorbild das Verhältnis entspannen?
    Gäste: Jens Spahn, CDU (Bundestagsabgeordneter); Renate Künast, B’90/​Grüne (Ehem. Parteivorsitzende); Joachim Wagner (Fernseh-Journalist und Jurist); Idil Baydar (Comedian); Andreas Thiel (Kabarettist); Ender Cetin (Moscheevorstand)
    Jens Spahn: „Wir sollten eine Finanzierung von Moscheen und Imamen aus dem Ausland gesetzlich unterbinden“, fordert das CDU-Präsidiumsmitglied. Der Bundestagsabgeordnete kritisiert das Import-Imam-Modell von Predigern, die kein Deutsch sprechen und die Kultur nicht kennen. In einem „Zeit“-Interview befürwortete Jens Spahn kürzlich ein Burkaverbot: „Dass Frauen sich nur komplett verhüllt im öffentlichen Raum bewegen dürfen, kann ich nicht akzeptieren.“
    Renate Künast: Die frühere Bundesministerin wirbt für Deutschland als multikulturelle Demokratie: „Die vier Millionen lebenden Menschen muslimischer Herkunft stellen fünf Prozent der Bevölkerung dar. Sie und ihre Religion sind selbstverständlich Teil dieses Landes, der Kultur und Gesellschaft.“ In der Konsequenz fordern die Grünen die gleichen Rechte für Muslime und ihre Organisationen in Deutschland, wie sie für Christen und Juden gelten.
    Joachim Wagner: „Imame in Deutschland wenden die Scharia an und gefährden unseren Rechtsstaat durch islamische Paralleljustiz“, stellte der langjährige Leiter des ARD-Magazins „Panorama“ und ARD-Hauptstadtkorrespondent in seinem Buch „Richter ohne Gesetz“ fest. In Regionen mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil sei eine Art Schattenjustiz entstanden, die gegen Polizei und Strafverfolgungsbehörden arbeite und im Gegensatz zu Ehrenmord und Blutrache noch wenig bekannt sei.
    Idil Baydar: Mit ihrer Kunstfigur „Jilet Ayse“, der „Ghettobraut aus Neukölln“, wurde die Schauspielerin zum gefeierten Youtube-Star. Als Tochter türkischer Eltern wuchs Idil Baydar im niedersächsischen Celle auf. Ihre Herkunft spielte nie eine Rolle, bis sie mit 15 Jahren nach Berlin zog: „Ich musste plötzlich erklären, dass nicht alle Türken ihre Frauen schlagen, selbst wenn diese ein Kopftuch tragen.“ Die frühere Sozialpädagogin, u.a. an der Berliner Rütli-Schule, kritisiert die Benachteiligung vieler junger Muslime im Alltag.
    Andreas Thiel: Nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris fanden seine Vorstellungen unter Polizeischutz statt. Andreas Thiel erklärte damals, dass er sich nicht einschüchtern lasse. Der Gewinner des Deutschen Kabarettpreise 2013 hatte mit einer „Streitschrift“ zum Koran für Aufregung in der Schweiz gesorgt. In dem Text bezeichnete der Satiriker den Koran als „Aufruf zur Gewalt und Anleitung für Krieg und Unterdrückung“ und erntete dafür neben heftiger Kritik auch Morddrohungen. „Wie das Christentum hat auch der Islam eine Reformation nötig“, glaubt Thiel, der sich selbst einen Anarcholiberalen nennt.
    Ender Cetin: „Wir Muslime werden derzeit nur mit Terror und Gewalt in Verbindung gebracht“, beklagt der in Berlin geborene Politologe und Theologe. Der 38-Jährige Vorsitzende der Berliner Sehitlik-Gemeinde warnt vor wachsendem Misstrauen gegenüber dem Islam. Er will Vorurteile bekämpfen, z.B. dass der Islam frauenfeindlich sei. Ender Cetin ist sich sicher, dass radikalisierte Jugendliche eine Vorgeschichte mit kriminellen oder familiären Problemen haben. Ursächlich für die Gewaltbereitschaft sei nicht der Islam. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 10.03.2015Das Erste
  • Folge 449
    Der plötzliche Herztod von Udo Jürgens im vergangenen Dezember hat viele Menschen erschüttert. Offenbar ohne Vorwarnung war das Herz des 80-Jährigen bei einem Spaziergang stehen geblieben. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Ob akutes Herzversagen oder Herzinfarkt – lässt sich die Ursache alleine mit den Risikofaktoren Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen und Stress erklären?
    Gäste: Rainer Basedow (Schauspieler und Kabarettist), Dieter Eckstein (Ex-Fußballprofi), Tanja Valérien-Glowacz (Kreativdirektorin), Gela Pagonis (Herzpatientin), Prof. Dr. Dietrich Andresen (Kardiologe), Prof. Dr. Annelie Keil (Gesundheitswissenschaftlerin)
    Rainer Basedow: Alkohol, Zigaretten, fast täglich auf der Bühne oder vor der Kamera: Der heute 76-Jährige schonte sich jahrzehntelang nicht und nahm auch gefährliche Vorzeichen nicht ernst: „Der Arzt meinte, ich hätte jederzeit tot umfallen können.“ Nach Dreharbeiten erlitt Rainer Basedow einen Herzinfarkt, schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr. Heute lebt der legendäre Kabarettist („Lach und Schießgesellschaft“) mit drei Bypässen und einem implantierten Defibrillator. Doch seinen Lebenswandel will er nicht ändern: „Angst hatte ich nie, auf Wein und Zigarren wollte ich auch nicht verzichten.“
    Dieter Eckstein: Bei einem Benefizspiel vor vier Jahren bricht der langjährige Bundesligaspieler plötzlich auf dem Fußballplatz zusammen. Herzstillstand. „Ich war wohl 13 Minuten klinisch tot“, sagt der heute 51-Jährige. Schiedsrichter-Assistent und zwei Sanitäter retten dem legendären Nürnberger Ex-Profi mit Herzdruckmassage und Defibrillator das Leben. Dieter Eckstein liegt fünf Tage im Koma. Seither hat er einen Herzschrittmacher. Dem ärztlichen Rat aber, lieber Golf als Fußball zu spielen, aber folgt der siebenmalige Nationalspieler nicht.
    Tanja Valérien-Glowacz: „Der Herzschrittmacher war durch einen Sturz zerstört worden. Mein Vater muss es gespürt haben, aber er hat ihn nicht reparieren lassen und ist zwei Wochen später friedlich eingeschlafen“, schildert die Tochter den Herztod des legendären Sportreporters Harry Valérien im Oktober 2012. Der frühere ZDF-Moderator („Das aktuelle Sportstudio“) hatte schon zwanzig Jahre zuvor in Ägypten einen Herzinfarkt erlitten und in der Folge zahlreiche Bypässe eingesetzt bekommen.
    Gela Pagonis: Herzinfarkt ist keine typische Männerkrankheit, wie häufig angenommen wird: Mit 37 Jahren litt die Industriekauffrau plötzlich unter Übelkeit. „Ich habe an alles gedacht, nur nicht an einen Herzinfarkt“, so Gela Pagonis. Als ihr Hausarzt sie an einen Spezialisten überwies, wiegelte dieser ab: Frauen in ihrem Alter hätten keine Herzprobleme. Gerade noch rechtzeitig traf sie endlich auf einen Mediziner, der einen schweren Hinterwandinfarkt diagnostizierte und eine lebensrettende Operation veranlasste.
    Prof. Dr. Dietrich Andresen: „Bis zur Hälfte der Patienten überleben den Herzinfarkt nicht“, sagt der Berliner Mediziner und Herzspezialist. Seit 30 Jahren behandelt Dietrich Andresen Patienten mit Herzleiden. Es sei besonders wichtig, bei Herzinfarkten schnell zu reagieren: „Wenn jemand zusammenbricht, hat man nur zehn Minuten Zeit.“ Vor allem ältere Frauen seien gefährdet, in Folge eines Infarkts am plötzlichen Herztod zu sterben, weil sie häufig alleine leben und oft nicht die klassischen Symptome zeigen, sagt das Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung.
    Prof. Dr. Annelie Keil: Die Bremer Soziologin plädiert dafür, bei Herzinfarkten nicht nur auf die üblichen Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol oder zu wenig Bewegung zu achten. „Das ist viel zu eindimensional.“ Genauso stark können solche medizinischen Schwierigkeiten in der Biografie begründet liegen. Davon ist die emeritierte Professorin und Psycho-Kardiologin überzeugt. Annelie Keil selbst erlitt bereits mit 40 Jahren einen Herzinfarkt und macht dafür auch traumatische Ereignisse in ihrer Kindheit im Krieg verantwortlich. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 17.03.2015Das Erste
  • Folge 450
    Ein Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings ist heute in Südfrankreich abgestürzt. Flug 4U9525 war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Die Absturzursache ist noch unklar. Nach Angaben der Fluggesellschaft befanden sich 144 Passagiere, zwei Piloten und vier Flugbegleiter an Bord. 67 Deutsche waren an Bord, darunter eine Schulklasse. Es gebe keine Hoffnung mehr, Überlebende zu finden, erklärte inzwischen die Polizei.
    Gäste: Niki Lauda (Luftfahrtunternehmer und Pilot), Jörg Handwerg (Pressesprecher der Pilotenorganisation Cockpit), Bernd Gans (verlor beim Air France-Unglück 2009 seine Tochter), Sybille Jatzko (Gesprächstherapeutin, betreut ehrenamtlich Opfer und Hinterbliebene von Katastrophen) (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 24.03.2015Das Erste
    ursprünglich geplant: "Die Euro-Tragödie: Hass auf die EZB, Wut in Athen"
  • Folge 451
    Es ist 2015 das wichtigste historische Datum: Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, der 70 Millionen Menschen das Leben kostete. Lange sei es keine Selbstverständlichkeit gewesen, deutsche Opfer zu benennen, sagt Miriam Gebhardt. Die Historikerin erregte Aufsehen mit ihrer jüngsten Studie über Frauen, die nach Kriegsende von Soldaten vergewaltigt wurden. Wird das Andenken der von Deutschen Ermordeten dadurch herabgesetzt? Wollen wir nur zu gerne von der eigenen Schuld ablenken? Oder ist es an der Zeit, auch endlich die eigenen Opfer angemessen zu würdigen?
    Gäste: Erhard Eppler (SPD-Politiker) Nico Hofmann (Filmproduzent) Guido Knopp (Historiker und Fernsehmoderator) Elfriede Seltenheim (Rentnerin) Niklas Frank (Journalist und Autor) Miriam Gebhardt (Historikerin)
    Erhard Eppler: Von 1943–1945 leistete er Kriegsdienst als Flakhelfer, beim Reichsarbeitsdienst und beim Heer als Panzerjäger. Erhard Eppler meldete sich selbst als Offiziersanwärter bei der Wehrmacht, um der Waffen-SS zu entgehen. „Wir sind in den NS-Staat hineingewachsen, wussten nicht, was vorher war, was Demokratie, freie Wahlen oder Menschenrechte seien, und konnten uns etwas ganz und gar anderes nicht vorstellen“, sagt der heute 88-Jährige: „Ich glaube, ich bin in diesem Krieg nicht sonderlich schuldig geworden. Aber ich schäme mich darüber, dass ich bis zum Schluss jedem Befehl gehorcht habe.“
    Nico Hofmann: „Das Leben meines Vaters war Grundlage für ‚Unsere Mütter, unsere Väter‘“, sagt der erfolgreichste deutsche Fernsehproduzent, der mit dem preisgekrönten Weltkriegsepos eine Debatte über deutsche Täter und Opfer im In- und Ausland hervorrief. Mit seiner Produktion „Nackt unter Wölfen“ (1. April 20:15 Uhr im „Ersten“) zeige zum ersten Mal nach Jahrzehnten ein deutscher Film das Innenleben eines Konzentrationslagers, sagt Nico Hofmann. Es ist die Geschichte eines dreijährigen Jungen, der in Buchenwald von KZ-Häftlingen versteckt und gerettet wird.
    Guido Knopp: „Schuld ist nie kollektiv, sondern immer individuell. Statt einer Kollektivschuld hat vor allem die Nachkriegsgeneration eine Kollektivverantwortung, gegen das Verdrängen, für das Erinnern“, sagt der frühere ZDF-„Chefhistoriker“, der sich seit vielen Jahren filmisch und publizistisch mit dem 3. Reich („Hitlers Helfer“) und dem 2. Weltkrieg beschäftigt („Der Jahrhundertkrieg“). „Hitler, Himmler und Auschwitz gehören zur deutschen Geschichte wie Goethe, Beethoven und Weimar“, betont der „Geschichtslehrer der Nation“.
    Elfriede Seltenheim: Über 50 Jahre lang schwieg die 84-Jährige über das Erlebte, weil sie sich zu sehr schämte. Selbst mit ihrem Ehemann sprach sie nicht darüber. Wie tausende andere Frauen wurde Elfriede Seltenheim nach der Befreiung durch die Alliierten Opfer einer Vergewaltigung. Sie war damals 14 Jahre alt. „Es macht mich traurig, dass über die Frauen als Kriegsopfer so wenig gesprochen wird“, sagt die Rentnerin heute.
    Niklas Frank: „Mein Vater, der Nazimörder“: Die schonungslose Abrechnung mit seinem Vater im „Stern“ löste Ende der achtziger Jahre heftige Reaktionen aus. Hans Frank, 1939 von Hitler als Generalgouverneur des besetzten Polens eingesetzt, wurde mitverantwortlich für die Ermordung von Millionen Juden. „Ich bin glücklich, dass mein Vater nach Kriegsende gehenkt wurde“, sagt sein Sohn Niklas Frank. Sein Urteil über die nach 1945 Geborenen fällt düster aus: „Die Nazis von damals haben ihre Einstellung an die folgenden Generationen weiter verfüttert. Wir sind ein Volk ohne Empathie. Wenn es uns wirtschaftlich einmal nicht mehr so gut gehen sollte, würden wir sofort in alte Ressentiments verfallen.“
    Miriam Gebhardt: „Bis zu 860.000 Frauen sind am Ende des Zweiten Weltkrieges von Besatzungssoldaten in Deutschland vergewaltigt worden“, sagt die Historikerin. Lange sei es ein Tabu gewesen, darüber zu sprechen. Es habe kein Mitgefühl mit den Opfern gegeben. In ihrem Buch „Als die Soldaten kamen – Die Vergewaltigung deutscher Frauen am Ende des Zweiten Weltkrieges“ kommt Miriam Gebhardt zu dem Schluss, dass es nicht allein „die Russen“ gewesen seien, die den Frauen brutal Gewalt antaten, sondern auch Soldaten der westlichen Alliierten. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 31.03.2015Das Erste
  • Folge 452
    Mann oder Frau? Conchita Wurst sorgte mit ihrem Sieg beim letztjährigen „Eurovision Song Contest“ für Diskussionen: Sind die Geschlechterrollen weniger festgelegt, als wir gemeinhin glauben? Haben wir die individuellen Lebensentwürfe vieler Mitmenschen nicht bereits so weit akzeptiert, dass es weitere gesellschaftliche Folgen haben sollte – etwa beim Adoptionsrecht für schwul-lesbische Paare? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.04.2015Das Erste
  • Folge 453
    Millionen Deutsche kaufen im Supermarkt laktosefreie Lebensmittel. Aber nur wenige von ihnen leiden tatsächlich unter Milchzuckerunverträglichkeit. Auch Gluten wird immer mehr gemieden, obwohl höchstens 1 % der Deutschen an der sogenannten Zöliakie leiden. Und warum kommt eine pflanzliche Ersatzmortadella bei Verbrauchern besser an als das Original aus Fleisch? Wird Ernährung zur reinen Glaubensfrage, weil wir Essen dämonisieren, das angeblich ungesund ist? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.04.2015Das Erste
  • Folge 454
    Er galt und gilt vielen als größtes deutsches Vorbild: Jahrgang 1918, Ex-Bundeskanzler, einflussreicher Publizist. Sein neuestes, vielleicht persönlichstes Buch („Was ich noch sagen wollte“), machte vor der Veröffentlichung große Schlagzeilen und führt seit Wochen die Bestsellerliste an. Welche Menschen und Denker haben Helmut Schmidt am stärksten beeinflusst – persönlich und politisch? Welche Vorbilder sind aus seiner Sicht untauglich? Wie groß ist seine Zuversicht, dass die regierenden Politiker die aktuellen Krisen und Konflikte lösen und nicht eskalieren lassen? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.04.2015Das Erste
  • Folge 455
    Bis zu 25 Prozent der Strafurteile sind – je nach Delikt – Fehlurteile, schätzt ein ranghoher Richter am Bundesgerichtshof. Das könnte bedeuten: An jedem Tag werden in Deutschland 650 Menschen zu Unrecht wegen einer Straftat verurteilt, errechnete „Der Spiegel“. Kann das sein? Ist die Schätzung übertrieben? Heißt das umgekehrt: Kommen nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zu viele Täter auf freien Fuß?
    Hans von Möhlmann und Wolfram Schädler: November 1981: Die 17-jährige Frederike von Möhlmann wird Opfer eines grausamen Mordes. Die Schülerin war als Anhalterin in das Autos eines Mannes gestiegen, vergewaltigt und brutal erstochen worden. Ein Tatverdächtiger wurde zunächst wegen Mordes verurteilt, aber trotz schwerwiegender Indizien in einem späteren Revisionsverfahren freigesprochen. Nach über 30 Jahren tauchten nun neue Beweise gegen den Täter auf, doch weil sein Freispruch rechtskräftig ist, ist es fast unmöglich, wieder gegen ihn zu ermitteln. Gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Wolfram Schädler versucht Hans von Möhlmann, ein neues Verfahren in Gang zu bringen.
    Anja Darsow: Es ist einer der mysteriösesten Mordfälle der letzten Jahre: Im hessischen Babenhausen wird ein Ehepaar grausam getötet. Nur die erwachsene Tochter überlebt schwer verletzt die Tat. Die Spur der Ermittler führt zu dem Nachbarn Andreas Darsow. Sein angebliches Motiv: ein langer Streit mit den Toten. Nach einem Indizienprozess wird der dreifache Familienvater im Juli 2011 wegen Doppelmords und versuchten Mordes zu mindestens 25 Jahren Haft verurteilt. Seitdem kämpft seine 38-jährige Ehefrau für die Wiederaufnahme des Verfahrens. „Mein Mann ist kein Mörder“, sagt Anja Darsow.
    Werner und Vera Janzen: An einem Hamburger S-Bahnhof betteln zwei Jugendliche Thomas Janzen um 20 Cent an. Als er sich weigert, schlagen und treten sie auf ihn ein. Wochen später stirbt der Dachdecker an seinen massiven Verletzungen. Der Staatsanwalt klagt die Jugendlichen wegen Körperverletzung mit Todesfolge und versuchten Totschlags an. Der Haupttäter kommt nach einer ersten Verurteilung mit einer Bewährungsstrafe davon. Werner und Vera Janzen, die Eltern von Thomas, sind bis heute über das in ihren Augen milde Urteil empört.
    Karl-Dieter Möller: „Gutachter sollen nur helfen. Die Wahrheitsfindung, ob ein Angeklagter Täter war oder nicht, obliegt dem Gericht“, sagt der langjährige ARD-Rechtsexperte. Richter sollten häufiger den Mut haben, auch manchmal zu sagen: „Wir wissen nicht, wie es war.“ Dann gelte tatsächlich der Grundsatt „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten, meint der studierte Jurist. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 05.05.2015Das Erste
  • Folge 456
    Reichtum, Karriere, Prestige und Anerkennung. Das verspricht und verlangt unsere Leistungs- und Wohlstandsgesellschaft. Aber wie funktionieren die Regeln des sozialen Aufstiegs? Kann es jeder bis ganz nach oben schaffen? Und was geschieht, wenn dieser Lebenstraum sich nicht erfüllt, oder – viel dramatischer – wenn man mit Millionenschulden vor dem Ruin steht? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 12.05.2015Das Erste
  • Folge 457
    Zu spät oder schlecht operiert, ein Symptom übersehen, ein Medikament verwechselt: Der Irrtum eines Arztes kann dramatische Folgen für Patienten haben. Die Verdachtsfälle von ärztlichen Behandlungsfehlern haben nach den letzten Zahlen der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung zugenommen. Heißt das aber auch, die Ärzte sind schlechter geworden? Oder ist das Panikmache, weil bloß Einzelfälle aufgebauscht werden? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 19.05.2015Das Erste
  • Folge 458
    Sie ist im zehnten Jahr ihrer Kanzlerschaft. Nur Helmut Kohl regierte länger: Angela Merkel. Sie gilt als machtvollste Politikerin der Welt, erzielte höchste Beliebtheitswerte unter den Wählern. Doch Kritik wird hörbar lauter: An ihrem pragmatischen Regierungsstil, für den politische Überzeugungen kurzerhand geopfert werden, oder an ihrem Umgang mit Krisen wie dem jüngsten BND-Abhörskandal, der ihr sogar den Vorwurf der Lüge einbrachte. Julia Klöckner, CDU „Wir haben eine Kanzlerin, die noch lange nicht am Ende ihrer Kanzlerschaft steht“, sagt sie über Angela Merkel.
    Die rheinland-pfälzische Oppositionsführerin gilt seit Jahren als eines der größten Nachwuchstalente der CDU. „Die Frau nach Merkel“ nannte sie die „Süddeutsche Zeitung“ 2012, als Julia Klöckner erstmals zur stellv. Bundesvorsitzenden und damit zur Stellvertreterin von Angela Merkel gewählt wurde. Ralf Stegner, SPD „Das Gute an Merkel ist die SPD in der Bundesregierung“, sagt der profilierteste Vertreter der SPD-Linken. Die Handschrift der Großen Koalition sei eindeutig sozialdemokratisch.
    Die Wahlforschung habe gezeigt: „Die Bürger wollen das SPD-Programm und die Kanzlerin Merkel dazu“, glaubt Ralf Stegner. Natürlich stehe Frau Merkel als sehr populäre Bundeskanzlerin für die Stärke der Union. „Wenn man aber am Gipfel angekommen ist, gibt es nur noch eine Richtung – und die ist abwärts. Hinter Frau Merkel ist viel schwarzes Nichts.“ Christian Lindner „Der einzelne Mensch in Deutschland wird bürokratisiert, bevormundet, abkassiert und bespitzelt.“ Der FDP-Vorsitzende geht mit der Großen Koalition scharf ins Gericht.
    Über die Bundeskanzlerin selbst, die bis 2013 mit der FDP koalierte, urteilt Christian Linder allerdings milder: „Angesichts der Krisen auf der Welt bin ich froh, dass sie Kanzlerin ist und nicht Sigmar Gabriel. Aber Frau Merkel darf nicht nur auf der Weltbühne agieren, sie muss auch zu Hause Ordnung schaffen.“ Sahra Wagenknecht „Angela Merkels Politik spaltet Deutschland und versündigt sich an der Zukunft“, sagt die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Der Kanzlerin fehle der Mut, sich den organisierten Interessen von Banken und Konzernen entgegenzustellen.
    In zehn Jahren Merkel habe es kein großes Projekt gegeben. „Ihre Regierungen haben nur den Status Quo verwaltet und Probleme weggeredet statt gelöst“, so Sahra Wagenknecht. Hans-Olaf Henkel Der ehem. BDI-Präsident kennt Angela Merkel seit ihrer Zeit als Bundesumweltministern. Damals vertraute er ihr, sah sie als geeignete Kanzlerkandidaten und lobte sie als „mutige, sehr sachliche Frau, die kein Wässerchen trüben konnte“. Seit der Eurokrise hat sich die Einstellung des AfD-Europaabgeordneten zur Kanzlerin geändert.
    Er bezeichnet sie als „gespaltene Zunge“ und kritisiert den Linksruck der CDU. „Frau Merkel hat so gut wie alle Kernforderungen der Union in der Wirtschaftspolitik zugunsten der SPD aufgegeben. Die Mittelständler fühlen sich von der Partei verraten.“ Nikolaus Blome „Angela Merkel kann Krise. Kreativ ist sie nicht. Ihre Macht ist die des Moments, nicht der Überzeugung“, schreibt der Journalist in seinem Buch über die „Zauderkünstlerin“, wie Nikolaus Blome die Kanzlerin nennt. Nicht Angela Merkel habe das Thema ihrer Kanzlerschaft gefunden: „Das Thema hat sie gefunden: der Euro und seine Rettung.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 26.05.2015Das Erste
  • Folge 459
    Juristen definieren Habgier als „rücksichtsloses Streben nach Gewinn um jeden Preis“. Habgier ist eines der Motive, das im Strafrecht ein Tötungsdelikt als Mord qualifiziert. Warum aber planen und begehen unbescholtene Menschen plötzlich kaltblütig Verbrechen, wenn sie sich beispielsweise finanziell übernommen haben? Warum geht das Empfinden von Gut und Böse verloren?
    Die Gäste: Anke und Patrick Rexin (Mutter und Bruder eines Mordopfers), Johannes Erlemann (Entführungsopfer), Yvonne Holthaus (Mutter wurde ermordet), Dr. Sigrun Roßmanith (Psychiaterin), Axel Pütter (Polizeihauptkommissar)
    Anke und Patrick Rexin: Ein Mordkomplott aus Habgier und Heimtücke erschütterte 2012 Berlin, als die 21-jährige Pferdewirtin Christin erdrosselt aufgefunden wurde. Die Polizei fand schnell heraus: Der Exfreund der jungen Frau hatte einen Auftragskiller auf sie angesetzt. Zuvor hatte er gemeinsam mit seiner Mutter heimlich acht Lebensversicherungen im Wert von 2,4 Millionen Euro auf die junge Pferdewirtin abgeschlossen, um nach ihrem Tod mit dem Geld einen Reiterhof zu kaufen. Vor wenigen Wochen endete der aufsehenerregende Prozess. Der Richter sprach von einer „abscheulichen Tat auf sittlich niedrigster Stufe“ und verhängte lebenslange Haftstrafen. Anke und Patrick Rexin, die Mutter und der Bruder des Opfers sprechen gemeinsam mit ihrem Rechtsanwalt Michael Nitschke erstmals über das Verbrechen.
    Johannes Erlemann: Sein Fall gehört zu den berühmtesten Entführungen der Nachkriegsgeschichte: Der elfjährige Sohn eines Kölner Unternehmensberaters wird im März 1981 auf dem Heimweg von drei Männern gekidnappt. Das Motiv der Täter: Geldnot. Sie sperren den Jungen 14 Tage lang in eine Holzkiste mitten im Wald. Nach einer spektakulären Übergabe des Lösegeldes in Millionenhöhe wird Johannes Erlemann frei gelassen, die Täter wenig später gefasst und zu Haftstrafen verurteilt. Der heute 45-Jährige, der eine erfolgreiche Kommunikationsagentur leitet, kann das Erlebte auch 34 Jahre nach der Tat nicht vergessen: „Im Gegensatz zu den Tätern habe ich lebenslänglich bekommen“, sagt er.
    Yvonne Holthaus: Als die Heilpraktikerin 27 Jahre alt ist, wird ihre Mutter im eigenen Haus Opfer eines grausamen Mordes. Wegen ihrer damaligen Insolvenz und der Aussicht auf das Erbe gerät die heutige Autorin selbst unter Verdacht. Doch dann stellt sich heraus: Ihr Vater, dem sie bis dahin blind vertraut hat, war der Auftraggeber. Für 1000 Euro lies der dreifache Familienvater seine Frau töten. „Sein Motiv war schlicht, Geld zu sparen. Die Scheidung stand bevor, er wollte keinen Unterhalt zahlen. Das gesamte Konzept meines Vater durchzog Geiz, Habgier und Niedertracht.“
    Dr. Sigrun Roßmanith: „Es ist ein menschlicher Wunsch, mehr zu sein und mehr zu haben als andere. Das Mordmotiv Habgier ist daher kein seltenes“, sagt die Psychiatern, die seit fast 20 Jahren auch als Gerichtsgutachterin in Österreich arbeitet. Aufgrund ihrer Gespräche mit Mördern und Mörderinnen kommt die Wienerin zu einer düsteren Erkenntnis: „Das Böse steckt in jedem von uns und ist stets präsent.“
    Axel Pütter: Ein Fall aus seiner Praxis: Eine Frau vergiftet zwei ihrer Ehemänner, um an deren Lebensversicherung zu kommen. Nur durch Zufall kommt die Kripo der Mörderin auf die Spur. „Habgier steckt bei vielen Kapitaldelikten dahinter“, weiß der Polizeihauptkommissar und langjährige Mordermittler. „Wenn wir wissen, dass dieses Motiv eine Rolle spielt, schalten wir unsere Finanzermittler ein, die bei Banken nachfragen, ob der Tatverdächtige verschuldet ist.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereDi 02.06.2015Das Erste

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