2012, Folge 8–10

  • Folge 8
    Hamburg-St. Pauli: Das ist für viele Menschen die Reeperbahn, eine glitzernde Vergnügungsmeile voller Versuchungen. Hier werden Kinder ein bisschen schneller erwachsen als anderswo. Die St. Paulianer, die sich in diesem Film an ihre Jugend erinnern, wuchsen abseits der Reeperbahn in den kleinen Nebenstraßen auf. In denen wohnen bis heute Menschen, die mit dieser Glitzerwelt nur wenig zu tun haben. Sie kennen beide Gesichter des Viertels. St. Pauli, das war in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren ein Arbeiterviertel, in dem Handwerker, Hafenarbeiter und Einwanderer Tür an Tür mit den Leuten aus dem „Milieu“ wohnten. Bis heute sind die Kiezkinder von einst stolz, in Hamburgs berühmtesten und berüchtigtsten Stadtteil groß geworden zu sein. Rolf und Bodo sind Söhne des Bäckermeisters Schumann.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Bäckerei in Trümmern, nur der Ofen war stehen geblieben. Die Kinder halfen beim Wiederaufbau und lieferten bald mit dem Fahrrad Brötchen in ganz St. Pauli aus. Nur ein paar Meter vom Elternhaus entfernt führte der Schulweg auf der Großen Freiheit an den Schaukästen der Stripteasebars vorbei, in denen nackte Frauen zu bewundern waren. Karla Fejzagic wurde 1945 auf St. Pauli in der Wohnung geboren, in der sie bis heute lebt. Sie fragte sich als Kind lange, welcher Profession wohl die schönen Mädchen nachgingen, die in der Nachbarwohnung Zimmer mieteten. Franco und Mafalda Cuneo wuchsen in der Davidstraße auf, gegenüber vom Lokal ihrer Eltern.
    Die Großeltern eröffneten bereits 1905 eines der ersten italienischen Restaurants, denn das Hamburger Hafenviertel war bereits multikulturell, bevor dieser Begriff überhaupt erfunden wurde. Gäste des „Cuneo“ waren zu Anfang die vielen Seeleute, die dort fern der Heimat südländisches Flair vorfanden. Vom Wohnzimmer der Cuneos hatte man freien Blick in die berüchtigte Herbertstraße. Und das war wohl der Grund, warum sämtliche Klassenkameraden von Franco nur allzu gern zum Hausaufgabenmachen zu ihm kamen. Im Haus von Rainer Krieg wohnten Schausteller, so war er als Kind immer gut mit Freikarten für den Dom versorgt. Sein Vater war Barkassenfahrer im Hafen und nahm den Sohn in den Ferien mit an Bord.
    Dass Rainer schon als Kind jeden Hinterhof in Sankt Pauli kannte, machte sich später bei seiner Berufswahl bezahlt: Er wurde Polizeibeamter auf der berühmten Davidwache. Auch Horst Fascher merkte schnell, dass man sich auf Sankt Pauli wehren muss. Er wollte Boxer werden und trainierte auf dem Schulhof in der Seilerstraße. Von dort aus konnte er einen Blick ins Café Lausen erhaschen, wo Mädchen an Tischtelefonen auf Freier warteten. Und dort traf er Wilma, seine erste große Jugendliebe. Bei „Inkasso-Henry“ ist der Name Programm. Er entstammt einer Kaufmannsfamilie und entschloss sich, auf dem Kiez als Kaufmann Karriere zu machen. Sein Vater nahm ihn früher mit ins Hippodrom, wo er mitten auf der Reeperbahn auf Pferden und Eseln reiten konnte.
    Alle Kinder, die in diesem Hamburger Stadtteil aufgewachsen sind, schwärmen noch heute vom Zusammenhalt der St. Paulianer. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 08.10.2012NDR
  • Folge 9 (45 Min.)
    Eine Kindheit in der Schulzeit: Damals schwänzte man als Schüler den Mathe-Unterricht und ging stattdessen im nahe gelegenen Wäldchen spielen. Die Tage vor den Sommerferien waren die längsten im ganzen Jahr. Der Spickzettel fiel aus dem Ärmel und der Tischnachbar vom Stuhl. „Unsere Geschichte – Meine Kindheit in der Schule“ erzählt von großen und kleinen Erinnerungen an die Schulzeit, die das Leben eines jeden von uns so sehr geprägt hat. Aber sie hat nicht nur mit Biografie und kollektivem Erinnern zu tun. Die Schule ist und war auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen. Kaum eine andere Institution verrät mehr über unsere Werte und Moralvorstellungen als die Schule. Und kaum einer kommt an ihr vorbei. Die meisten lassen kein gutes Haar an ihr. Aber fast alle blicken irgendwann mit Wehmut auf sie zurück.
    Und in welchem Fotoalbum fehlt schon das Bild vom ersten Schultag? „Tut, tut! Da kommt ein Auto“, das war der erste Satz, den der Postschiffer Fiede Nissen gleich am ersten Tag lernen musste. „So etwas vergisst man sein Leben lang nicht.“ Für ihn, der auf der Hallig Langeneß aufgewachsen ist, war Heimatkunde das schönste Fach. Mit 14 anderen Kindern besuchte Fiede Nissen eine Zwergenschule, die unmittelbar neben der Kirche untergebracht war. „Ich war gerade fünf Jahre alt“, erinnert sich Dorothea Voigtländer aus Bonn, „aber ich kam mir schon sehr erwachsen vor.“ Es erstaunt wenig, dass ihr Lieblingsfach Geschichte sein würde. Denn als der erste Deutsche Bundestag am 7. September 1949 in Bonn in der Pädagogischen Akademie tagte, fand die Schulstunde gleich nebenan statt.
    Die Mädchen knicksten vor Konrad Adenauer, dem freundlichen älteren Herrn, der einem auch schon mal im Park begegnen konnte. Dem Schauspieler Jan-Gregor Kremp genügte es bei Mathe-Arbeiten nicht, einzelne Zahlen abzuschreiben. Es mussten gleich ganze Zahlenreihen sein, weil die Wissenslücken zu groß waren. Zeugnisse konnten allein durch die Mathe-Note „verunziert“ werden. Die schlimmsten Momente an der Tafel fanden auch bei Rebecca Siemoneit-Barum und Gerda Laufenberg während des Mathematikunterrichts statt. In den Nachkriegsjahren und oft bis in die 1960er-Jahre hinein wurden kleine und größere Vergehen in der Schule hart bestraft, meistens mit dem gefürchteten Rohrstock. Der uneingeschränkte Respekt vor dem Lehrer, der damals in den Augen der meisten Menschen noch mindestens dieselbe Autorität wie der Pfarrer hatte, war selbstverständlich.
    Dass Kinder auch Spaß an der Schule haben können, kam erst in den Reformbemühungen der 1960er-Jahre auf die Tagesordnung. Lehrer durften geduzt werden, neue Lehrmittel wie Overheadprojektoren zogen in den Unterricht ein. „Für Schüler meiner Couleur“, glaubt Jan-Gregor Kremp, seien diese Bemühungen eher kontraproduktiv gewesen. Die Lehrer wurden nicht mehr ernst genommen und stattdessen verspottet. Vor allem im Sexualkundeunterricht mussten junge Lehrer erfahren, was es heißt mit „Anschauungsunterricht“ zu scheitern. Auch wenn sich die Unterrichtsmethoden über die Jahrzehnte grundlegend geändert haben, so haben die ehemaligen Schulkinder doch oft dieselben Erinnerungen. Das Schönste an der Schule, davon sind die meisten überzeugt, sei der Schulweg gewesen, denn dort habe die große „Freiheit“ begonnen.
    „Wenn wir Klassenkameraden zusammen sitzen, dann kommt irgendwann immer die eine Frage: „Weißt du noch, weißt du noch?“, sagt Paul Wascinski, der nach dem Krieg im Ruhrgebiet zur Schule ging. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 15.10.2012NDR
  • Folge 10
    Wenn sie an ihre Kindheit denkt, kommt ihr sofort der prächtige Park in den Sinn, weitläufig und mit altem Baumbestand. Franziska Gräfin Schönburg-Glauchau erinnert sich gut an Schloss Wechselburg in Sachsen, wo sie ihre Kindheit verbrachte. Das Schloss war sehr groß. Im Kriegsjahr 1945 mussten die Schönburgs ihr Zuhause verlassen und kehrten nie mehr ins heutige Sachsen zurück. Heute lebt die Gräfin auf Schloss Ehreshoven bei Engelskirchen, einem Damenstift für unversorgte adelige Damen, Schirmherr ist die Rheinische Ritterschaft. Sehnsucht nach Wechselburg, dem Ort ihrer Kindheit, hat Gräfin Schönburg noch heute. Weniger standesgemäß geht es auf Schloss Beck bei Bottrop zu. Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Schönheit gilt Experten als Musterbeispiel des westfälischen Barock.
    In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wollte niemand das Prachtstück haben – es war in einem erbärmlichen Zustand. Karl Kuchenbäcker, ein Kaufmann aus Marl, erwarb das abgewrackte Schloss Beck schließlich. Seine Töchter Karla und Katharina erzählen von ihrer Kindheit auf Schloss Beck. Herzog Rudolph von Croy ist Herr nicht nur über Haus Merfeld, den Familiensitz im Münsterland bei Dülmen, sondern auch über die dort lebenden Wildpferde. Auch Patrice, der Reggae-Star aus Köln, wuchs auf einem Schloss auf, auf Salem am Bodensee, dem Elite-Internat. Der begabte Schüler blieb bis zum Abitur, auch wenn sich der Underdog aus der Kölner Vorstadt unter all den Adeligen und Reichen oft einsam fühlte. Die Musik half ihm über die schlimmsten Zeiten hinweg. Die machte er dann auch zum Beruf.
    An seine Zeit in Salem erinnert er sich heute noch gerne, vor allem die wilde Zeit der Pubertät ist ihm im Gedächtnis geblieben, denn damals erlebten die Schüler das Erwachen der Sexualität „alle zusammen“, wie der Star charmant preisgibt. Eine Kindheit auf dem Schloss – für einige märchenhaft, für andere ein Leben im goldenen Käfig und wieder andere nur ein Ausflug in eine andere Welt. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereMo 22.10.2012NDR

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