8 Folgen, Folge 1–8

  • Folge 1
    Bis auf wenige Zeugnisse der keltischen Kultur beginnt die Kunst in Deutschland mit der Missionierung. Erst nachdem das Christentum weitgehend etabliert war, konnten unter dem Schutz und auf Betreiben der Kaiser Kultbauten und Kunstwerke entstehen. Die Epoche der Romanik bringt also eine imperiale, eine „Kaiserkunst“ hervor. Beginnend mit der Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen und endend mit dem Dom zu Limburg umfasst dieser Stil eine Zeitspanne von 450 Jahren, ist damit die längste Kunstperiode überhaupt. Sie wird allerdings in vier Abschnitte unterteilt, die jeweils nach den Herrscherhäusern benannt sind.
    Aus der karolingischen Zeit sind nur wenige Monumente erhalten – Aachen, Lorsch, Seligenstadt. Die nächste, die ottonische Zeit, so genannt nach drei Kaisern namens Otto, ist schon besser dokumentiert. Auf der Insel Reichenau haben sich sogar Wandmalereien aus der Zeit um 1000 erhalten, und in Hildesheim gibt es gleich zwei bedeutende ottonische Kirchen, den Dom und St. Michael, die mit exzellenten Kunstwerken ausgestattet wurden. Hier tritt der Bischof Bernward, Erzieher Kaiser Ottos III., als kunstsinniger Stifter auf.
    Im Rheinland begegnen die ersten Großskulpturen: der Gero-Kruzifix in Köln und die Goldene Madonna in Essen, beides Schöpfungswerke der deutschen Plastik. Die Herrschaft der Salier wird vor allem durch den Kaiserdom in Speyer ausgezeichnet, das größte Bauwerk der gesamten romanischen Epoche. Hier gelang es zum ersten Mal, ein 14 Meter breites Mittelschiff mit einem Gewölbe zu versehen. Das war eine technische Meisterleistung. Unter den Staufern tritt besonders Friedrich I. Barbarossa als Kunstförderer hervor.
    Seine Pfalz in Gelnhausen ist eines der wenigen erhaltenen Königsschlösser zu einer Zeit, als die Herrschaft noch vorwiegend im Reisen ausgeübt wurde. Worms besitzt neben seinem Dom noch eine sogar etwas ältere Synagoge mit Mikwe und einen großen Judenfriedhof. Die spätstaufische Skulptur ist sehr gut durch die Goldene Pforte in Freiberg in Sachsen belegt, ein großartiges Kirchenportal mit unzähligen Figuren und Reliefs. Der Dom zu Limburg beschließt die romanische Kunstepoche. Er ist bereits ein Werk des Übergangs, in dem sich schon gotische Formelemente ankündigen. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.12.2006hr-Fernsehen
  • Folge 2
    Der Film über die Gotik, die man lange Zeit als den barbarischen Stil der Goten betrachtete, beginnt mit der berühmtesten Kirche in Deutschland, dem Kölner Dom. Er ist zwar nicht das erste gotische Gotteshaus, aber das größte, das allerdings erst im 19. Jahrhundert vollendet wurde. Die typischen gotischen Merkmale sind in Köln voll ausgebildet: der enorme Vertikalzug, die starke Durchfensterung und der Spitzbogen. Wegen seines fragmentarischen Zustands war der Einfluss des Kölner Doms auf die Entwicklung der Gotik in Deutschland gering. Die Elisabethkirche in Marburg wirkte in weit stärkerem Maße stilbildend.
    Auch sie folgt französischen Vorbildern, beschreitet aber einen deutschen Sonderweg, in dem sie nicht als Basilika, sondern als Hallenkirche mit drei gleich hohen Schiffen auftritt. Ihre Ausstattung ist erlesen: Farbige Glasfenster, Altargehäuse, Reliquienschrein und die Grablege der hessischen Landgrafen sind alle aus der gotischen Zeit erhalten. Der Naumburger Dom ist besonders wegen seines Lettners und den Figuren im Westchor berühmt. Hier treten die Stifter des Bistums und der Stadt Naumburg in lebensgroßen Skulpturen auf.
    Die berühmtesten unter ihnen sind Uta und Ekkehard, die deutlich individuelle Züge tragen. Im Ostseeraum dominiert die Backsteingotik. Am Beispiel der großartigen Zisterzienserkirche in Doberan wird dieser Stil vorgestellt; durch überaus sparsamen Zierrat wurde das Luxusverbot des Ordens erfüllt. Im Inneren aber ist die Kirche mit überaus kostbaren Stücken ausgestattet. In Lübeck hat sich ein gotisches Hospital erhalten, das Auskunft über die damalige Kranken- und Altenpflege gibt. Neben dem berühmten Holstentor ist vor allem das gotische Rathaus bedeutend.
    Überhaupt spielen die Rathäuser in der Gotik eine wichtige Rolle: in Bremen mit seinem Roland, und in Tangermünde sind es stattliche, kirchenartige Gebäude. Im süddeutschen Raum hatten die Pfarrkirchen eine ähnliche Signifikanz wie die Rathäuser, waren sie doch oft von der Bürgern selbst finanziert, wie das Ulmer Münster. Sein Innenraum hatte ein Fassungsvermögen von fast 30.000 Menschen, die reiche Ausstattung mit über sechzig Altären ging in der Reformation leider verloren, erhalten aber blieb das fantastische Chorgestühl von Jörg Syrlin.
    In seinem Bildprogramm vereinen sich Antike und Christentum. Im bayerischen Landshut wurde das Münster von insgesamt drei Baumeistern errichtet, der letzte war Hans Stetthaimer, einer der fortschrittlichsten Architekten seiner Zeit. Sein nun schon hochgotischer Bau ist lichtdurchflutet und wirkt entmaterialisiert, es ist eine der kühnsten Konstruktionen der deutschen Gotik. Mit einer kritischen Würdigung der gotischen Burgen und einer zeitgenössischen Beschreibung des mühevollen Lebens in solchen Gemäuern endet der Film. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.12.2006hr-Fernsehen
  • Folge 3
    Ende des 15. Jahrhunderts tritt die Gotik in ihre Spätphase. Während sich anderenorts längst die Kunstsprache der Renaissance durchgesetzt hat, hält man in Deutschland an dem über 200 Jahre alten Stil fest und zieht noch einmal alle Register der mittelalterlichen Formfantasie. Eines der schönsten spätgotischen profanen Gebäude ist die Albrechtsburg in Meißen. Ihre großen Fest- und Wohnräume haben die fantastischsten Gewölbeformen, die ihrer Funktion beraubt und zu reinen Zierelementen werden. Der so genannte Große Wendelstein ist ein Treppenhaus, dessen Brüstungen mit manchmal freizügigen Bildgeschichten geschmückt sind.
    In Blaubeuren hat sich eine Klosteranlage als vollständiges Ensemble erhalten. In der Kirche dominiert der gewaltige Flügelaltar von Gregor und Michael Erhart aus dem Jahr 1494. Er besitzt verschiedene Schauseiten, die ersten beiden mit Gemälden, die dritte mit Skulpturen. Als Kontrast zu Blaubeuren bietet sich Rothenburg ob der Tauber an. Obwohl im Krieg stark zerstört, konnte sein mittelalterliches Stadtbild weitgehend wiederhergestellt werden. In der Stadtpfarrkirche steht der monumentale Altar von Tilman Riemenschneider, der sich gut mit dem Blaubeurer vergleichen lässt.
    Riemenschneider spricht schon die Sprache der Renaissance, aber auch der strengen Reformation mit ihrer Farbenfeindlichkeit. Umso großartiger wirkt seine künstlerische Virtuosität. Die Reichsstadt Nürnberg erlebte ihren künstlerischen Höhepunkt kurz vor 1500. Jetzt werden die alten Gotteshäuser mit aufwändigen Stiftungen neuer Kunstwerke versehen: Das Heiligengrab in St. Sebald und der „Englische Gruß“ in St. Lorenz sind beeindruckende Zeugnisse der neuen Renaissancekunst.
    Von dem gewandelten Verständnis des Menschen spricht in Augsburg die Fuggerei: eine geschlossene Wohnsiedlung aus 53 Häusern für unverschuldet verarmte Bürger. Architektonisch lehnt sich die Anlage an die niederländischen Beginenhöfe an. In der Augsburger Kirche St. Anna richteten sich die Fugger eine Grabkapelle ein, die das früheste Baudenkmal der Renaissance auf deutschem Boden ist, richtungweisend für den zukünftigen Sakralbau. In Annaberg in Sachsen dagegen feiert die Spätgotik noch einmal Triumphe: Die dortige Stadtkirche präsentiert sich äußerlich bescheiden, im Inneren jedoch überaus schmuckfreudig mit völlig neuen Gewölbeformen aus Schlingrippen und figürlichen Schlusssteinen.
    Ein Besonderheit sind die hundert Reliefs der Emporenbrüstung, die – wie eine Bilderbibel – das Leben Christi erzählen. Die ganze Kirche erstrahlt in einer Feierlichkeit, wie sie nur die Spätgotik hervorzubringen vermochte. In München zieht derweil die Renaissance ein. Die dortige Residenz wird stark erweitert und im neuen Stil umgebaut. Höhepunkt ist das Antiquarium, eine siebzig Meter lange Halle zur Aufnahme der fürstlichen Antikensammlung.
    Etwa 270 Büsten von Kaisern und Kaiserinnen finden in dem prächtigen Raum Aufstellung. Als Raumkunstwerk ist das Antiquarium eine der größten Leistungen der Renaissance in Nordeuropa. In Schmalkalden in Thüringen erbaute Landgraf Wilhelm V. ein Jagd- und Lustschloss, das fast unverändert erhalten ist. Renaissance-Fresken schmücken die Wände der Wohn- und Repräsentationsräume. Die Schlosskapelle ist ein Gründungswerk des protestantischen Kirchenbaus, ganz auf die Bedürfnisse des evangelischen Gottesdienstes konzipiert. Mit dem wunderbaren Stadtbild von Görlitz in reinsten Renaissanceformen endet der Film. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.01.2007hr-Fernsehen
  • Folge 4
    Das 17. Jahrhundert steht noch immer unter dem Zeichen der Glaubenskämpfe, die im Dreißigjährigen Krieg kulminierten. Nach dessen Ende 1648 hatte sich der Absolutismus verfestigt, die Landesherren bestimmten die Konfession ihrer Untertanen. Die Kirche hielt sich zunächst mit großen Bauten zurück, ganz im Gegensatz zu den Territorialfürsten. Die neuen Schlösser von Heidelberg und Aschaffenburg geben ihren fortifikatorischen Anspruch auf und wenden sich der Stadt zu. In München entsteht die Michaelskirche, außen einem Rathaus ähnlicher als einer Kirche.
    Das Innere ist ein lichtdurchfluteter Saal mit einem gewaltigen Tonnengewölbe, ganz in Weiß gehalten. Der Altar reicht über drei Etagen bis in das Gewölbe; zum ersten Mal wird ein „Teatrum sacrum“ inszeniert, das später zu einer visuellen Illusion gesteigert werden sollte. Das Bildprogramm von St. Michael ist ein Zeugnis für die katholische Gegenreformation. Viele deutsche Fürsten schlossen sich jedoch dem Protestantismus an, auch aus finanziellen Gründen, denn die Säkularisierung der Klöster und Kirchen brachten einen wahren Geldregen.
    Dadurch konnten die Residenzen standesgemäß erneuert werden – so geschehen in Bückeburg, wo der Fürst in seinem modernisierten Schloss eine Kapelle einrichtete, die an Prachtentfaltung ihresgleichen sucht. Kein Stückchen Wand bleibt frei von Dekor. Desgleichen in der Bückeburger Stadt- und Hofkirche. Hier tritt der Bildhauer Adrian de Vries mit einem hervorragenden Taufstein in Erscheinung, dessen vollplastische Figuren ein neues Körpergefühl demonstrieren. Auch die Städte werden im neuen Stil des Barock umgebaut, etwa Freudenstadt im Schwarzwald, dessen Bauten in vollkommen regelmäßiger Anordnung um einen mittleren Platz errichtet sind.
    Architekt dieser ersten Idealstadt auf deutschem Boden war Heinrich Schickhardt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verlagert sich das Kunstzentrum in Deutschland an die Elbe, nach Dresden, das zu einer der schönsten Städte Deutschlands wird. Man braucht nur an den Zwinger zu denken. August der Starke tritt als Bauherr, Daniel Pöppelmann als Architekt und Balthasar Permoser als Bildhauer auf.
    Zusammen schufen sie mit dem Zwinger ein atemberaubendes Ensemble, eine Festarchitektur ohnegleichen. Auch Landgraf Karl von Hessen erweitert seine Kassler Residenz beträchtlich und legt den Bergpark in Wilhelmshöhe mit dem Riesenschloss und der weit überlebensgroßen Figur des Herkules an, ein unverkennbares Triumphzeichen seiner Herrschaft. Im katholischen Süddeutschland werden manche Gotteshäuser zu prunkvollen Theatern, wie die äußerlich unscheinbare Kirche in Rohr, erbaut von den Brüdern Asam. Mit der dortigen Figurengruppe einer Himmelfahrt Mariens entsteht ein einzigartiges Beispiel spätbarocker Illusionskunst, die alle Register zieht und die Künste in einem brausenden Crescendo vereint.
    Für die barocke Profankunst steht Schloss Weißenstein in Pommersfelden, ein Denkmal der mächtigen Familie Schönborn. Zum ersten Mal in Deutschland nimmt hier das Treppenhaus den gesamten Mittelbau ein. Das Deckenbild feiert die Familie Schönborn als Mäzene und ideale Herrscher. Das Schloss steht am Beginn einer Entwicklung zu immer größerer Pracht, die im folgenden Rokoko zu einem Endpunkt gesteigert werden sollte. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 14.01.2007hr-Fernsehen
  • Folge 5
    Der Facettenreichtum des Rokoko resultiert auch aus der politischen Situation im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Es gab mehr als 250 Länder; jeder Duodezfürst regierte in seinem Territorium absolut und benutzte die Kunst als Propaganda für sich und sein Reich. So verdankt Würzburg seine Bedeutung den mächtigen Fürstbischöfen, die sich ab 1720 eine neue Residenz errichteten. Balthasar Neumann, einer der besten Architekten seiner Zeit, verlieh dem Bau geradezu imperiale Größe. Giambattista Tiepolo schmückte die Decke des Treppenhauses mit dem größten Fresko, das jemals geschaffen wurde.
    Auch in Brühl bei Bonn tritt ein mächtiger Bischof auf: Sein Schloss Augustusburg ist eine einzige Apotheose des Bauherrn, dessen goldene Büste den Besucher schon im Treppenhaus begrüßt. Die Bauwut des Rokoko erstreckte sich auch auf die Kirchen und Klöster. Hervorragendes Beispiel ist das Freie Reichsstift Ottobeuren, das mit dem kaiserlichen Escorial wetteifern will. Johann Michael Fischer erbaute hier ein Gotteshaus mit größter Prachtentfaltung. Die Klostergebäude sind auch nicht bescheiden, sie beherbergen eine Bibliothek und einen Kaisersaal, die reich mit Fresken und Statuen ausgestattet sind.
    Selbst die Wallfahrtskirchen entwickeln sich zu theaterhaften Schauräumen, so in Steinhausen bei Biberach, wo die angeblich schönste Dorfkirche Europas steht. In dem dortigen Deckengemälde werden sogar profane Themen aufgenommen, wie die vier Erdteile, die bis dahin zu dem Programm von Schlössern gehörten. Die größte und bedeutendste Wallfahrtskirche aber ist Vierzehnheiligen, erbaut wiederum von Balthasar Neumann: ein farbiger Lichtraum, in dem die Architektur zu schwingen beginnt und die Mauern sich aufzulösen scheinen.
    Neben den Schlössern und Kirchen hat das Rokoko auch spezielle Anlagen hervorgebracht, die der Zerstreuung und Entspannung dienen. In der Nähe von Bayreuth gibt es einen Felsengarten, „Sanspareil“ – „Ohnegleichen“ genannt, und das ist er wirklich mit seinen vielen Höhlen, Spalten, Grotten und bizarren Felsformationen und sogar einem in den Fels gehauenen Theater. Die Bayreuther Markgrafen waren Theaterfans, in ihrer Hauptstadt ließen sie sich ein Opernhaus erbauen, das vor Dekor und Schmuck geradezu strotzt.
    Wenn sich die Kunst des Rokoko auch weitgehend im Süden Deutschlands entfaltet, so setzt doch der Norden den Schlusspunkt. Im ehemaligen Preußen entwarf der König Friedrich II. selbst sein Schloss Sanssoucis, das er dann von dem Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff ausführen ließ. Stilistisch wetteifert dieser Bau mit den kaiserlichen Schlössern in Wien. Friedrichs Neues Palais in Potsdam schließlich ist mit seiner 240 Meter langen Fassade ein reines Machtsymbol des Absolutismus. Mit ihm geht die Epoche des Rokoko zu Ende, der Stil mündet in einer hohlen Geste. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 21.01.2007hr-Fernsehen
  • Folge 6
    Bald nach der Mitte des 18. Jahrhunderts löst der strenge Klassizismus das verspielte Rokoko ab. Damit geht auch die Zeit des Absolutismus ihrem Ende entgegen, und die Ideen de Aufklärung greifen auch in Deutschland. Sie bringen ein neues Naturverständnis und Menschenbild mit sich. Protagonist ist Jean-Jacques Rousseau, der mit seinem Schlachtruf „zurück zur Natur“ Furore macht. In diesem geistigen Klima entstand die Kunstform des Englischen Gartens. Die ausgedehnten Parkanlagen in Wörlitz bei Dessau sind die ersten dieser Art in Deutschland.
    Zahlreiche Kleinarchitekturen und Monumente mit symbolischem oder pädagogischem Charakter beleben die Gartenlandschaft. Die aufgeklärten Herrscher fördern den neuen Stil. In Kassel entsteht das Fridericianum als erstes Museum auf dem europäischen Kontinent; es ist strikt in den Formen der Antike errichtet, fast einem griechischen Tempel gleich. Daneben aber gibt es die romantische Variante des Klassizismus, die sich dem Mittelalter zuwendet. Ein Beispiel ist die Löwenburg in Wilhelmshöhe, teilweise bewusst als Ruine gebaut.
    Zu den neuen Bauaufgaben gehören auch die Kurbäder, die von dem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein zeugen. Im hessischen Wilhelmsbad hat sich eine solche Anlage fast unverändert erhalten. Der Klassizismus bestimmt nun auch die Stadtgestaltung. In Berlin zieht er mit dem Brandenburger Tor ein. Es folgen Theater-, Museums- und Kirchenbauten von Friedrich Schinkel, dem genialen Architekten des Königs. In Potsdam werden riesige Parks um kleine Schlösser angelegt, die dem Hofe als Erholungsgebiete dienten.
    Ein Kuriosum ist das Wasserwerk und Maschinenhaus in Form einer Moschee, am Ufer der Havel gelegen. Was Schinkel für Berlin bedeutet, das ist in München Leo von Klenze. Auch er gestaltet die Stadt im neuen Stil um, baut den Königsplatz mit der Glyptothek und den Propyläen, die Ruhmeshalle mit der Bavaria von Ludwig von Schwanthaler und vor allem die Ludwigstraße mit ihren Palästen im Renaissancestil. Hier tritt nun Friedrich Gärtner hinzu mit seinen Entwürfen für die gotisierende Ludwigskirche, das Siegestor und die Feldherrnhalle.
    Auftraggeber ist jeweils König Ludwig I., der ein starkes Nationalbewusstsein hatte. Diesem sind die gewaltigen Bauten der Walhalla und der Befreiungshalle bei Regensburg zu verdanken. Während die Walhalla den Parthenon, den Haupttempel im antiken Athen, kopiert, ist die Befreiungshalle ein runder Kuppelbau, angelehnt an spätantike Gebäude in Byzanz und Rom. In diesen patriotischen Monumenten von strenger Schönheit feiert der Klassizismus die eigene, deutsche Größe. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.01.2007hr-Fernsehen
  • Folge 7
    „In welchem Style sollen wir bauen?“: Mit dieser Frage des Architekten Heinrich Hübsch im Jahre 1828 beginnt der Historismus. Die Formen der Vergangenheit stehen zur freien Verfügung, die Einheit des Stils ist aufgeben. Zeugnisse des Historismus sind vor allem in den großen Städten zu finden, die durch den enormen Bevölkerungszuwachs einen hohen Bedarf an Neubauten hatten. Ausgehend von dem Weiterbau des Kölner Domes, der seit nahezu 300 Jahren unvollendet war, beginnt die Wertschätzung der Gotik, die man besonders für sakrale und nationale Bauten als angemessen empfindet.
    Es kristallisieren sich aber auch eigenständige Formen heraus, wie der so genannte Maximilianstil in München, den der König Max Emanuel kreierte. Sein Sohn, Ludwig II., der „Märchenkönig“, ließ gar vier Schlösser in verschiedenen historischen Formen errichten, wobei die Kopie des Königschlosses von Versailles auf Herrenchiemsee die interessanteste Variante ist. In Berlin kam es unter den Hohenzollern-Königen zu einer wahren Bauwut. Es entstanden unter anderem das Rote Rathaus und der riesige Berliner Dom.
    Mit letzterem sollte ein protestantisches Gegenstück zur Peterskirche in Rom geschaffen werden. Nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich 1871 wurde Wilhelm I. zum deutschen Kaiser proklamiert, jetzt setzte ein wahrer Herrscherkult ein. Zu seinen Ehren wurden Nationaldenkmäler wie der Kyffhäuser und das Niederwalddenkmal errichtet. Eine neue Gattung sind die Opernhäuser, die nun aus dem höfischen Bereich heraustreten und zu eigenen, allen Bürgern zugänglichen Bauten werden, etwa die Semperoper in Dresden.
    Die meisten deutschen Städte haben ihr historisches Aussehen durch die Kriegszerstörungen verloren, bis auf eine Ausnahme: Wiesbaden. Hier ist ein geschlossenes Ensemble erhalten geblieben, an dem man die verschiedenen Formen des Historismus ablesen kann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich als Reaktion auf den „Plüsch und Pomp“ des Historismus der Jugendstil durchgesetzt. Er hatte seinen Schwerpunkt in Darmstadt, wo der dortige Erzherzog Ludwig 1899 eine Künstlerkolonie gründete.
    Von deren Bauten und Werken sind zahlreiche erhalten geblieben, ebenso wie in Bad Nauheim, wo ein neues Kurzentrum entstand. Der Jugendstil mit seiner kultischen Überhöhung des Lebens war realitätsfern und hatte keine Zukunft. Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg stellten sich der Kunst andere Aufgaben und Ziele, nämlich der Wohnungsbau und die Industriebauten. So schließt der Film mit Peter Behrens, einem ehemaligen Jugendstilkünstler, der nun mit dem Verwaltungsgebäude der IG-Farben den Schritt in die Moderne wagt. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.02.2007hr-Fernsehen
  • Folge 8
    Die Kunst der Moderne beginnt nach dem Ersten Weltkrieg mit der Gründung des Bauhauses. In Dessau stehen noch heute die Bauten von Walter Gropius, dem ersten Direktor und maßgelblichen Lehrer am Bauhaus. Ihre Kennzeichen sind das Flachdach, der Verzicht auf jegliches Ornament und die Verwendung von Stahl, Glas und Beton. Nach dem Krieg war der Wohnungsbau die größte Herausforderung für die Architektur. In Frankfurt entstanden unter der Leitung von Ernst May 30.000 Wohnungen in Siedlungsanlagen, von denen die „Römerstadt“ wegweisend wurde.
    Auch im Industriebau, wie etwa dem IG Farben-Haus von Hans Poelzig, wurden neue Maßstäbe gesetzt. Über den Wiederaufbau der zerstörten Städte gab es heftige Kontroversen. In Berlin bezog der Architekt Georg Eiermann die Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in seinen Neubau ein und schuf so ein Symbol für den Lebenswillen der Stadt. Die Philharmonie von Hans Scharoun mit ihrem zentralen Konzertsaal ist ein völliges Unikum und ganz individueller Ausdruck des Architekten. In Berlin wurde anlässlich der Olympiade 1972 eine Sport- und Freizeitanlage geschaffen, die durch ihr transparentes Zeltdach über 34.000 Quadratmeter weltberühmt wurde.
    In den achtziger Jahren war Frankfurt Vorreiter der modernen Architektur. Hier entstanden die ersten Hochhäuser in Deutschland und ein Museumsufer mit 13 Neu- oder Umbauten. Die besten internationalen Architekten waren hier tätig: Richard Meier, Sir Norman Foster, Hans Hollein, Albert Speer. Das Museum als Bauaufgabe spielt in der Moderne eine große Rolle, sie wird manchmal gegensätzlich gelöst: In Bad Frankenhausen entsteht ein äußerlich bescheidener Bau, in dessen Inneren sich aber ein Panoramabild von ungeheurem Ausmaß entfaltet.
    In Berlin setzt Daniel Libeskind mit seinem futuristischen Jüdischen Museum einen starken städtebaulichen Akzent. Nach der Wahl zur deutschen Hauptstadt 1991 übernahm Berlin die Führung in der modernen Architektur. Das ist besonders an der Gestaltung des Pariser Platzes abzulesen. Hier steht neben der DZ-Bank des kalifornischen Stararchitekten Frank O. Gehry die neue Akademie der Künste von Günther Benisch, ein vollkommen transparentes Gebäude mit luftigen Treppen und Stegen, die faszinierende Durchblicke erlauben.
    Berühmt wurde der alte Reichstag und neue Bundestag durch seine gläserne Kuppel von Sir Norman Foster. In seinem Inneren beherbergt er zahlreiche moderne Kunstwerke, die einen speziellen Bezug zu ihrer historischen Umgebung haben. Der Überblick über die Kunst der Moderne schließt vorläufig mit dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, das 2005 eingeweiht wurde. Es zeigt zugleich, wie sehr die Schatten der Vergangenheit auf die Kunst der Gegenwart fallen. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.02.2007hr-Fernsehen

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