Dokumentation in 4 Teilen, Folge 1–4

  • Folge 1
    Im Frühjahr 1957 wird im beschaulichen Münster an verschiedenen Stellen des Aasees die in Stücke geschnittene Leiche eines Mannes gefunden. Der Kopf fehlt. Es ist der Anstreicher Hermann Rohrbach. Die Ehefrau des Toten, Maria, gerät sofort ins Visier von Polizei und Justiz und wird im April 1958 wegen Mordes zu Zuchthaus verurteilt: lebenslänglich. Es ist ein Indizienprozess, in dem der angeblich im Küchenherd verbrannte Kopf eine entscheidende Rolle spielt – und der Lebenswandel des „Besatzerliebchens“. Doch eben dieser Kopf wird ein Jahr später in einem Bombentrichter gefunden. Vier lange Jahre bereits sitzt Maria Rohrbach hinter Gittern, dann gelingt dem Verteidiger die Wiederaufnahme des Verfahrens. 1961 wird sie schließlich frei gesprochen. Gutachter und Sachverständige hatten auf skandalöse Weise versagt. Der Mordfall erschütterte die deutsche Nachkriegsjustiz und führte zu Änderungen im Strafrecht und zur Neuregelung der Haftentschädigung. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereFr 24.12.2004NDR
    von Manfred Uhlig
  • Folge 2
    Hunderte von Schaulustigen drängen sich am 14. Juli 1965 in den Hamburger Schwurgerichtssaal, um das Urteil über Eva Mariotti zu hören. Die 47-jährige Schöne mit dem exotischen Namen ist angeklagt, mit ihrem Bekannten die reiche Zahnarztwitwe Maria Moser im noblen Hamburg-Eppendorf ermordet zu haben. Sie war tot in ihrer Wohnung gefunden worden, mit einem Tuch um den Hals. Der Verdacht fällt auf Mariotti und ihren Freund Erich Sterba. Beide pflegten Umgang mit der alten Dame und hatten Hamburg zwei Tage vor der Entdeckung der Leiche verlassen, um – so heißt es – von der Schweiz aus nach Südamerika zu gehen.
    In Brasilien wird Mariotti erkannt und ausgeliefert. Ihr Freund gesteht in Prag einen Doppelmord. Während Eva das Ave Maria sang, sei die Witwe von Erich Sterba erschlagen und dann von der Mariotti obendrein gewürgt worden. Die Angeklagte ist nach dem Geschmack der Presse: In Prag geboren, gilt sie als Geliebte von Diplomaten und Industriellen. Es ist bereits der zweite Prozess um den Mord in Eppendorf. Der erste war zunächst ausgesetzt worden, wegen mangelhafter Beweislage.
    Doch Mariotti verwickelte sich in Widersprüche. Das anschließende Urteil – zwanzig Jahre – wurde wegen eines Verfahrensfehlers kassiert. Im neuen Prozess schweigt die Angeklagte. Dann die Sensation: Freispruch nach fünf Jahren U-Haft. Die Mordversion des Bekannten erschien bei einem neuen Lokaltermin in der Todeswohnung als unhaltbar. Ihr Prozess machte Geschichte, da sich die Justiz mit der Frage auseinander setzen musste, ob schweigen im Verfahren als Schuldeingeständnis gewertet werden darf. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSa 25.12.2004NDR
    von Raymond Ley
  • Folge 3
    Im September 1953 sind die Zeitungen voll von Berichten über Konrad Adenauers Wahlkampf. Auf den hinteren Seiten eine andere Meldung: Eine unbekleidete weibliche Leiche wurde gefunden, an einer Bundesstraße in der Nähe von Offenburg. Das Opfer ist schnell identifiziert: eine junge Frau von 25 Jahren aus dem Osten Deutschlands. Kurz danach offenbart sich ein Mann den Behörden – und berichtet von einem nächtlichen Liebesabenteuer mit der jungen Frau und ihrem plötzlichem Tod als Folge. Der Mann heißt Hans Hetzel, ist Vertreter und vorbestraft. Keiner will dem ehemaligen Schlachter seine Version vom Tod der jungen Frau glauben – vor allem nicht der Gutachter im darauf folgenden Mordprozess. Der heißt Professor Albert Ponsold und ist der Star unter den westdeutschen Gerichtsmedizinern.
    Auf mangelhaften Fotos will er die Würgemale eines Kälberstricks am Hals der Toten gefunden haben. Diese vermeintlichen Indizien bestärken das Gericht in seiner Beweiskette: Hans Hetzel sei ein sadistischer Lustmörder. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt – der Kälberstrick wird nie gefunden. 1969 – nach 14 Jahren Haft – gelingt die Wiederaufnahme des Verfahrens: mit Hilfe eines Gutachters aus der damaligen DDR, ein Politikum zu jener Zeit. Professor Otto Prokop beweist zweifelsfrei, dass die vermeintlich sadistisch Ermordete in jener Liebesnacht einen plötzlichen Herztod durch Lungenembolie erlitt. Auf Grund von Prokops Gutachten wird Hetzel frei gesprochen – nach 14 Jahren im Gefängnis. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSa 25.12.2004NDR
    von Gunther Scholz
  • Folge 4
    1. Mai 1971 – kurz vor Mitternacht. An einem Bahndamm in Bremen wird die Schuhverkäuferin Carmen Kampa ermordet. Fahrgäste eines haltenden Zuges beobachten den Überfall auf die 17-Jährige, aber niemand hilft ihr. Erst Tage später wird die Tote gefunden. Carmen Kampa ist vergewaltigt und erwürgt worden. Außerdem hat der Täter ihr ein Messer ins Herz gestoßen. Die Kriminalpolizei verfolgt mehr als tausend Spuren, darunter die Spur 59 mit starken Verdachtsmomenten gegen den Kellner Helmut H. Aber die Indizien reichen nicht für eine Anklage. Schließlich wird die Spurenakte zur Seite gestellt und vergessen. Zwei Jahre nach der Tat gerät zufällig der alkoholsüchtige Bauarbeiter Otto Becker ins Visier der Kripo.
    Die Indizien gegen ihn sind eher schwach, und der Verdächtige ist obendrein homosexuell. Trotzdem wird Becker vor Gericht gestellt und als Mörder verurteilt. Beckers Verteidiger legt erfolgreich Revision ein – wegen eines Verfahrensfehlers. Da erfährt er angeblich zufällig in einer Kneipe von der Spurenakte 59 und Helmut H. In einem neuen Prozess stellt sich heraus, dass der Kellner mindestens so tatverdächtig ist wie Otto Becker. Er hat sogar an einer Art Drehbuch mitgearbeitet, in dem eine Frau mit einem Messer bedroht, vergewaltigt und getötet wird.
    Der Prozess endet mit Freispruch für Otto Becker. Er erhält 150.000 Mark Haftentschädigung. Gegen Helmut H. wird keine Anklage erhoben. Die möglichen Beweise, Spuren an der Kleidung des Opfers, wurden inzwischen vernichtet – es gab zu jener Zeit noch keine Genanalyse als gerichtliches Hilfsmittel. Nur der Zufall könnte heute noch helfen. Für diesen Film hat der inzwischen siebzigjährige Helmut H. sein erstes Interview über seine Verwicklung in den Fall gegeben. Er beteuert – natürlich – seine Unschuld. Der Fall Carmen Kampa ist bis heute ungeklärt. Aber die Bremer Kriminalpolizei ermittelt wieder – auch gegen Helmut H. (Text: hr)
    Deutsche TV-PremiereSa 25.12.2004NDR
    von Dirk Blumenthal

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