Staffel 1, Folge 1–10

Staffel 1 von „Heimatabend“ startete am 04.10.2013 im WDR.
  • Staffel 1, Folge 1 (45 Min.)
    Warum leben Menschen gern in ihrer Stadt und wollen sie vielleicht auch gar nicht mehr verlassen? Liebe Deine Stadt – so heißt es. Was das Liebenswerte an einer Stadt ist und was eher nicht, dokumentieren beeindruckende und zum größten Teil noch unveröffentlichte Filmaufnahmen aus zehn Städten Nordrhein-Westfalens. Zehn Städte in zehn Filmen über Heimat und Identität. Über Städte im Wandel. Wie wurden Aachen, Bonn, Bochum, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Köln und Münster zu den Städten, die sie sind? Zehn „Heimatabende“, die unter die Haut gehen.
    Zehn moderne Heimatabende aus der Sicht der Bewohner und Liebenden mit viel Herz und noch nie gesendetem Amateurmaterial – immer bewegt und bewegend. Filmschätze, die da enden, wo die Städte zu dem geworden sind, was sie heute sind und ausmacht. Überraschungen garantiert. Den Auftakt der zehnteiligen WDR-Reihe „Heimatabend“ macht am 4. Oktober Bonn. – Heimatabend Bonn Das kleine Bonn und die große Geschichte – in diesem Spannungsfeld erlebten viele Bonner ihre Heimatstadt. Als die verschlafene Provinzstadt am Rhein die Wahl zur provisorischen Hauptstadt gewann, waren die Bonner selbst am meisten überrascht.
    Bonn sei damals ein „beschauliches Rentnerstädtchen“ gewesen, glaubt Karnevalist Peter Brust. Spott und Häme waren häufig die Reaktion wie der Satz: „Die können das doch gar nicht“. Bonn musste sich „rüsten“ für den Ansturm der Bundesbediensteten, der Botschafter und Journalisten. Regierungsbauten mussten hochgezogen werden, Büros und vor allem auch Wohnraum. Dabei setzte man in den 50er Jahren auf das Provisorische. Denn Bonn sollte ja nur eine Art Übergangshauptstadt sein.
    Die deutsche Teilung wollte man nicht mit neuen repräsentativen Großbauten besiegeln. „Heimatabend Bonn“ erzählt die Geschichte der vorläufigen Bundeshauptstadt und nimmt den Zuschauer mit auf einen „Spaziergang“ durch den Bonner Alltag. Ausflüge zum Drachenfels, Schwimmen im Rhein, Pützchensmarkt und Fronleichnamsprozession – all das gehört zum Erlebnisschatz eines jeden Bonners. Schnell unterschied man zwischen den „Bonnern“ und den „Bönnchen“. Erstere waren die Hinzugezogenen, die nicht „Blutwoosch“ sagen konnten, letztere die echten Bonner.
    Herausragende Ereignisse waren stets die Besuche ausländischer Staatsgäste, zu deren Empfang notorisch Fähnchen geschwenkt wurden. Kinder mussten an diesen Tagen nicht zur Schule, auch viele Erwachsene nahmen sich frei und begrüßten die Gäste auf dem Marktplatz. „Ich bin sehr stolz darauf, dass ich aus unserer Hauptstadt Washington heute in die Hauptstadt der Bundesrepublik gekommen bin“, rief John F. Kennedy am 23. Juni 1965 den Bonnern zu. „Der überragende Erfolg war der Charles de Gaulles“, findet Peter Brust.
    „Das war das Absolute. Die Schulen hatten frei, die Betriebe haben nicht gearbeitet. Die ganzen Geschäfte hatten geflaggt. Kapellen, ein riesiger Umzug. Da ist nichts mit zu vergleichen.“ Auch die ausländische „Dauergäste“, die Botschafter und ihre Familien, brachten Glanz nach Bonn. 1951 gab es bereits 32 Botschaften, Mitte der 50er Jahre hatte sich die Zahl verdoppelt. Bonn wurde auch zum Treffpunkt der „protestierenden“ Welt. Zwischen 1949 und 1999 fanden 7.000 Demonstrationen in Bonn statt. Am 10. Oktober 1981 brach Bonn dann alle Rekorde: 300.000 Friedensbewegte rückten an, um gegen die nukleare Nachrüstung zu demonstrieren.
    Als die Mauer im Herbst 1989 fiel, entflammte die Diskussion um die Hauptstadt, Berlin oder Bonn? Am 20. Juni 1991 fiel die Entscheidung für den Umzug des Regierungssitzes. „Sehr viele haben um ihre Zukunft gebangt, um ihren Arbeitsplatz“, sagt der ehemalige Oberbürgermeister Hans Daniels. „Ich habe versucht, den Bonnern damals Mut zu machen. Ich habe gesagt: wir schaffen das.“ Mit den Bonnern: Colette Bouverat Peter Brust, Hans Daniels Werner D’Hein, Ferdinand Kösters Erna Neubauer, William Verpoorten und Dorothea Voigtländer, Sprecher: Rainer Pause. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 04.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 2 (45 Min.)
    Düsseldorf gibt sich immer schon gerne selbstbewusst und international, scheut nicht etwa den Vergleich zu Paris und anderen Metropolen. Gleichzeitig liebt man die Schützenfeste und den Karneval, das Altbier und den Sauerbraten. Nicht umsonst trägt die Stadt auch das Dörfliche in ihrem Namen. So recht festnageln lassen auf einen einzigen Charakterzug mag sie sich noch lange nicht. So ist die Landeshauptstadt ganz nebenbei noch Kunst- und Modestadt, Messestadt und Gartenstadt, Börsenplatz, Drehkreuz des Westens und vor allem auch Verwaltungssitz vieler großer Unternehmen.
    Am schönsten ist es für viele Düsseldorfer auf der Königsallee, die sie liebevoll und mit ungewohntem Understatement „Kö“ nennt. Auf Düsseldorfs Prachtmeile trug man schon den Pariser Chic zur Schau, als alle anderen noch im biederen 50er Jahre Look unterwegs waren. Sie galt als schönster Laufsteg des Wirtschaftswunders. Die Düsseldorfer verglichen ihre Kö gerne mit den Champs-Elysées – völlig ohne Ironie übrigens. Die Kö ist auch heute noch Flaniermeile, Laufsteg, Treffpunkt der Reichen und Schönen.
    Und kaum eine andere deutsche Adresse verzeichnet so viele Schönheitschirurgen wie sie. Kein Wunder, dass Düsseldorf schnell als Hauptstadt des Chi-Chi verlacht wurde. Man habe den Düsseldorfer immer mit dem „Lackschuh“ gleich gesetzt, ärgert sich Karnevalist Herrmann Schmitz. Dabei habe seine Heimatstadt doch immer auch viele andere Seiten gehabt. „Es gehört zum Klischee und zum Vorurteil, dass Düsseldorf oberflächlich, wohlstandsorientiert und langweilig ist“, empört sich Jacques Tilly.
    „Aber das ist nicht das Düsseldorf, das ich kenne.“ Düsseldorf war aber immer auch eine Arbeiterstadt. Rund um die Stadt lag ein dichter Industriegürtel. Henkel, Mannesmann und Thyssen Krupp haben oder hatten hier ihre Firmensitze. Vielleicht ist und war es gerade diese krude Mischung aus Chic und Industrie, Eleganz und Bodenständigem, die Düsseldorf von anderen Städten unterscheidet. Und noch eines scheint Düsseldorf von anderen Städten zu unterscheiden: In Düsseldorf seien „viele Gedanken aufgegangen“, glaubt Bettina Böttinger, die mitten in der Innenstadt aufwuchs.
    Es habe immer viele Ideen und viel kreative Unruhe gegeben. Und noch wichtiger: Viele dieser Ideen und Pläne wurden auch in die Tat umgesetzt. Als die Mode 1949 an den Rhein kam, wurde gleichzeitig an einem gut funktionierenden Verkehrsnetz gebaut. Vom Flughafen aus konnte man ab 1959 in alle Welt fliegen. Und die Börse entwickelte sich zur umsatzstärksten deutschen Börse. „Heimatabend Düsseldorf“ nimmt den Zuschauer mit auf eine rasante Zeitreise durch die Stadt.
    Über Königsallee und „Tausendfüssler“, vorbei an Schauspiel- und Dreischeibenhaus, den Sinnbildern der modernen Nachkriegsarchitektur. Ausgehend von den unmittelbaren Nachkriegsjahren erzählt der Film mithilfe vieler persönlicher Erinnerungen die Geschichte der Landeshauptstadt bis in die 90er Jahre, als mit dem Neubau des Landtagsgebäudes der Umbau der Stadt vorläufig abgeschlossen war. Dabei wird schnell klar: Düsseldorf ist nicht nur eine Stadt, die gut „funktioniert“, sondern auch eine Stadt der ungezählten Lieblingsorte.
    Die Düsseldorfer schimpfen nicht auf ihre Stadt wie die Kölner. Sie sind nicht ganz so stolz wie die Bonner, aber sie wissen die Vorteile ihrer Heimat durchaus zu genießen: „Eine Stadt am Strom hat sowieso immer einen besonderen Charakter“, glaubt Marlies Smeets, die ehemalige Oberbürgermeisterin. Mit den Düsseldorfern: Bettina Böttinger, Claus Franzen, Wulf Metzmacher, Hermann Schmitz, Marlies Smeets, Jacques Tilly, Udo van Meeteren, Ruth Willigalla, Sprecher: Jan Weiler. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 11.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 3 (45 Min.)
    „Mir geht immer das Herz auf, wenn ich nach Aachen komme“, sagt der Entertainer Jürgen von der Lippe, der in Aachen aufgewachsen ist. Als „überschaubar“ und „gemütlich“ beschreiben die meisten Aachener ihre Heimatstadt, in der einem auch schon mal im Sommer der Duft von Printen und Schokolade in die Nase wehen kann. Aachen ist die westlichste deutsche Großstadt. In einem Fernsehbeitrag aus den 60er Jahren heißt es: „Berlin ist 623,5 km und Paris nur 423 km weit weg. Es ist ein wahrhaft europäisches Gemisch.“ Und die Aachener fühlen sich wohl im Dreiländereck.
    Nicht nur was das „besondere Flair“ (Ulla Schmidt) angeht. Immer schon geschätzt wurden die legalen und oft auch weniger legalen Einkaufsmöglichkeiten bei den niederländischen und belgischen Nachbarn. Vor allem in den frühen Nachkriegsjahren nahm der Kaffee-Schmuggel ungeahnte Ausmaße an. Auch die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt schmuggelte gemeinsam mit ihrer Oma regelmäßig ein viertel Pfund Kaffee unter dem Röckchen über die Grenze. Aachen gab sich weltstädtisch und entwickelte sich zum „Schaufenster des Westens“. Tuche aus Aachen waren übrigens besonders beliebt.
    Erste Fernsehaufnahmen zeigen Holländer und Belgier an verkaufsoffenen Sonntagen in der Aachener Innenstadt. Auch wenn es mit der Verständigung nicht immer perfekt klappte, beim Geschäft wurde man sich schnell einig. Der Austausch funktionierte auch auf kulinarischem Gebiet: Schon 1958 gab es in der Innenstadt eine Bude mit den bald heiß geliebten belgischen Fritten. Jürgen Linden verdarb sich mit der Mayonaise den neuen Kommunionsanzug, Jürgen von der Lippe bevorzugte eine große Portion Senf, um das Geld für die Mayonaise zu sparen.
    Dem europäischen Gedanken verpflichtet waren auch das internationale Reitturnier, das ab 1947 in der Aachener Soers ausgerichtet wurde und die Verleihung des Karlspreises, mit dem man bis heute Persönlichkeiten auszeichnet, die sich um die Einigung Europas verdient machen. Aachens Aufstieg zur „Weltgeltung“ verdankt die Stadt nach Ansicht vieler Aachener seinem Heilwasser. Die Ingredienzien wurden angeblich schon von Karl dem Großen, Dürer, Händel und Kaiserin Josephine geschätzt. Und doch denken die Bundesbürger, wenn sie den Namen „Aachen“ hören nicht an die Bäder- und Kurstadt.
    Rund 40 Prozent verbinden Aachen mit einer historischen Stadt. Erst dann folgen die Reitturniere und die Aachener Printen. Nur wenige bringen Aachen mit einer Grenz- und Studentenstadt (mit heute 40.000 Studenten) in Verbindung. Der Aachener Dom, der als erstes deutsches Bauwerk in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen wurde, ist allerdings den meisten Touristen ein Begriff. Ulla Schmidt bekennt: „Ich gehe jetzt schon 60 Jahre in den Dom und jedes Mal bin ich erschlagen von der Schönheit.“ „Heimatabend Aachen“ nimmt den Zuschauer mit auf eine filmische Zeitreise, die mit Kriegsende im Oktober 1944 beginnt und zu weiteren Stationen führt wie Wiederaufbau und Stadtplanung, Studentenleben und -protest, Nachtleben und Grenzerfahrung, Kirche, Karl und Karneval.
    Und schnell wird klar: Aachen ist eine Stadt der gepflegten Gegensätze. Tradition trifft auf Moderne, Katholizismus auf Sinnenfreude. Nur so kann man auf die Idee kommen, Sauerbraten mit Printen zu kombinieren. Mit den Aachenern: Ulla Schmidt, Dorothée Hugot, Angela Maas, Jürgen von der Lippe, Jürgen Linden, Holger Dux, Klaus Quirini, Franz Hilbert, Heinz Malangré, Sprecher: Wendelin Haverkamp. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 11.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 4 (45 Min.)
    WDR Fernsehen HEIMATABEND KÖLN, ein Film von Ulrike Brincker, am Freitag (18.10.13) um 20:15 Uhr. Blick auf Köln über die Pollerwiesen mit der Seilbahn und dem Kölner Stadtwappen.
    Von „einem der größten Trümmerhaufen der Welt“ sprachen amerikanische Berichterstatter nach Kriegsende. Neunzig Prozent aller Gebäude in der Innenstadt waren zerstört. Doch über den Trümmern ragten zwei Türme trotzig in den Himmel: Der Kölner Dom hatte siebzig Bombenangriffen mehr oder weniger „überlebt“. Viele Kölner glauben bis heute, dass man „ihren“ Dom absichtlich geschont habe – ein Mythos. Der Dom, Kölns Wahrzeichen, bestimmt nicht nur die Silhouette der Stadt, sondern spiegelt einen Grundzug der Kölner Mentalität.
    632 Jahre und zwei Monate hatten die Bauarbeiten am Kölner Dom gedauert. 632 lange Jahre war er nicht fertig geworden. Der längste Baustopp dauerte sogar 300 Jahre. Weil man sich nicht einig war, weil das Geld fehlte. Und weil man in Köln immer schon gut mit dem Provisorium gelebt hatte. Bis heute. Frei nach dem Motto „schön kann jeder“ kultiviert man in Köln die ewige Baustelle. „Es gab eine Symphonie der kleinen Betonmischer“, erinnert sich Rolly Brings an die 50er und 60er Jahre. Bis Mitte der 60er Jahre war der Glaube an eine neue schönere und vor allem moderne Stadt noch ungebrochen, obwohl dem „alten“ Köln kräftig hinterher getrauert wurde.
    Dieses alte Köln war zwar „schmutziger und muffiger“ gewesen, aber dafür „heimeliger“. Unter dem „alten“ Köln versteht der Kölner das Köln der 20er und 30er Jahre. Das gemütliche Vorkriegsköln, das sich für viele in den winkeligen Häusern der Altstadt, den Marktplätzen und den prächtigen Ringen fest machte. Wie die Stadt in diesen Jahren aussah, dokumentieren die Filme von Herrmann Kahlo und seinem Kameramann Willy Krakau, die ab den 20er Jahren in der Stadt unterwegs waren.
    Ihre Aufnahmen zeigen das, was den Kölner wichtig war: den Dom und die St. Petersglocke, den „Dicker Pitter“, der 1924 mit einem großen Festakt Einzug in den Turm hielt, Sportveranstaltungen und natürlich den Karneval. Der 11.11.1929 wurde im Funkhaus in der Dagobertstraße groß gefeiert. Das Orchester trug schwarzen Anzug und Narrenkappe, die Gäste schunkelten sich warm und hinter dem Mikrofon stand der legendäre Willy Ostermann. „Heimatabend Köln“ nimmt den Zuschauer mit auf eine Zeitreise von den 20er Jahren bis in die späten 70er Jahre.
    Eins wird schnell klar: „Fertig“ wird diese Stadt nie. Und nicht immer gingen die architektonischen Konzepte auf. „Es ist nie mal so richtig gut“ glaubt die Journalistin Beatrix Novy. „Man hat das Gefühl: hier können die größten Architekten her kommen, es wird dann immer nur halb gut.“ Das größte Ärgernis der Stadt – da sind sich die Kölner einig – ist sicher die Nord-Süd-Fahrt. Gewachsene Viertel wurden einst auseinandergerissen, als die Stadt autogerecht werden sollte.
    Immer wieder mussten Wohnviertel zugunsten von ambitionierten Neubauten weichen. Der Gerling Konzern breitete sich im Friesenviertel aus, bis dahin die „Kleine-Leute-Welt“. Noch heute schwärmen viele über die schönen Zeiten, als es dort noch Oben-Ohne-Bars und leichte Mädchen gab. Alles nur Nostalgie? Eins scheint für den Kölner sicher: So schön wie „damals“ wird es in Köln nie wieder. Aber „schön“ ist eben nicht alles … Köln ist eine Stadt, die sich immer wieder verändert, in der Altes immer schon im Widerspruch mit Neuem standen.
    Die Gegensätze prägen das kölsche Denken: Der Kölner ist am liebsten in seinem Veedel zuhause. Er liebt die Kneipe um die Ecke im Besonderen und das Provinzielle im Allgemeinen. Und doch hält er sich für den Nabel der Welt. Dorf und Großstadt schließen sich in der Stadt nicht aus. Und kaum eine andere deutsche Stadt wird so leidenschaftlich besungen und „beschrieben“ wie Köln, wird so viel überbordender Lokalpatriotismus demonstriert. Mit den Kölnern: Rolly Brings, Aggi Hartfeld, Norbert Feldhoff, Maria Lieffertz, Beatrix Novy, Hartmut Priess, Ludwig Sebus und Gerd Steinenbach, Sprecher: Gerd Köster. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 18.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 5 (45 Min.)
    „Bochum, ich komm’ aus dir, Bochum, ich häng’ an dir …“, sang Herbert Grönemeyer 1985 das erste Mal über seinen Heimatort. Für die meisten Bochumer ist es die Liebeserklärung an ihre Stadt. Bochum ist seit jeher eine Malocherstadt. Kohle und Eisen bilden viele Jahrzehnte lang die entscheidenden Träger der Bochumer Wirtschaft. Der Bergbau bietet Arbeit und die Einwohnerzahl steigt rasant. Gleichzeitig wird gern gefeiert – bei großen Stadtparkfesten kommen 250.000 Besucher. Doch die große Bergbaukrise im Ruhrgebiet trifft auch Bochum. Aber die Stadt reagiert schnell.
    Schon Ende des Jahres 1959 beschließt man die Stilllegung der Schachtanlagen und schafft neue Arbeitsplätze. Damit sind sie in Bochum schon weiter, als in vielen Nachbarstädten mit vergleichbaren Problemen. Die Bochumer schätzen die schnelle Wandelbarkeit ihres Wohnortes. Bochum – die Flexible: Während der Horizont des Ruhrgebiets noch von Fördertürmen gesäumt ist, stellt sich Bochum dem Strukturwandel und sucht neue Möglichkeiten, um Arbeitsplätze zu schaffen. Und das mit Erfolg. Der Opel-Konzern entscheidet sich für Bochum als Standort für ein neues Werk.
    Das ist der Start für den großen Aufschwung. Und als in den 60er Jahren täglich fast 2.000 Autos vom Band laufen, wächst die Zuversicht der Beschäftigten. Opel wird zum größten Arbeitgeber in der Stadt. Eben noch die Schippe in der Hand und im nächsten Moment schon den Fuß auf dem Gaspedal. Darauf sind die Bochumer stolz. Mehr als 20.000 Beschäftigte sind auf den Autohersteller angewiesen. Die Bochumer Kabarettistin Esther Münch weiß: „Zu sagen, ich bin Opelaner hat immer bedeutet, ich habe einen sicheren Beruf, ich kann meine Familie ernähren.“ Doch damit gibt sich die Stadt nicht zufrieden.
    Und seit 1965 ist Bochum auch Universitätsstadt. Oberbürgermeister Fritz Heinemann ist damals schon klar, dass es mit einem Opelwerk nicht getan ist: „Bochum ist mit dem heutigen Tag Universitätsstadt geworden. Eine Universitätsstadt, in der sich die Welt der Arbeit mit der Welt des Geistes findet.“ Bochum kann auch anders. Der Wandel ist in der ganzen Stadt zu spüren, denn es gibt jetzt einen neuen Magneten, der Wissen und Bildung anzieht. Die Ruhr-Universität in Querenburg wächst schnell.1972 sind es bereits 18.000 Studenten.
    Die Stadt zeigt sich fortschrittlich und verliert nach und nach ihr Image einer grauen Kohlestadt. Man fördert die Kultur, feiert im Schauspielhaus unter Peter Zadek, in der Innenstadt im Kneipen- und Ausgehviertel Bermuda-Dreieck und bei Starlight Express. Heimatabend Bochum führt den Zuschauer an zeitgeschichtlich bedeutende Orte Bochums. Über Bergbausiedlungen, Deutschlands damals modernstes Stadtbad, vorbei an Opelwerk, Planetarium und Universität. Für ein Konzert hinein in die Ruhrlandhalle und zum Fußballgucken ins Stadion des VfL Bochum.
    Mithilfe vieler persönlicher Erinnerungen erzählt der Film die Geschichte der wandlungsfähigsten Stadt des Ruhrgebiets. Angefangen bei den goldenen 50er Jahren, zwischendrin die Krisenzeiten des Bergbaus, bis hin zu den studentisch geprägten 90er Jahren. Politiker Heinz Hossiep geht es so wie den meisten Bochumern: „Wenn ich heute höre, dass Grönemeyer „Bochum“ singt, freue ich mich, bin ich stolz … und es berührt mich, ja.“. Mit den Bochumern: Heinz Hossiep, Elli Altegoer, Hans-Georg Kerch, Hermann Gerland, Esther Münch, Sprecher: Frank Goosen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 18.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 6 (45 Min.)
    Die Älteren sagten: „Guck mal, Dortmund ist kaputt.“ Man ging davon aus, dass die Stadt nicht wieder aufgebaut würde. Ganz so schlimm, wie Hans-Eberhard Urbaniak es als Kind hörte, kam es dann aber doch nicht, denn so schnell lassen sich die Dortmunder nicht entmutigen. Dortmund gleich Stahl, Kohle und Bier. So stellt sich zumindest das liebgewonnene Klischee der westfälischen Metropole dar. Als die Stadt nach dem Krieg in Schutt und Asche lag oder „platt war“, wie man im Ruhrpott sagt, war es aber vor allem die Industrie, die ihr wieder neues Leben einhauchte.
    Denn trotz der zahlreichen Bombenangriffe bleiben die Hütten und Zechen betriebsbereit. Schon ein Jahr nach Kriegsende zählte Dortmund wieder 460.000 Einwohner, für die es jedoch an Wohnraum fehlte. Sieben Menschen lebten damals durchschnittlich in einer kleinen Wohnung. Dass in Dortmund mehr steckte als ein grauer Industriemoloch, wurde im Laufe der 1950er-Jahre wieder so richtig deutlich. Die große sportliche Tradition der Stadt wurde wiederentdeckt, mit der Fertigstellung der Westfalenhalle kehrte das Sechstagerennen zurück in die Stadt, das sich bereits in den 20er-Jahren als Volksfest etablierte, und bei dem es nicht ausschließlich um den Sport ging.
    Und: Borussia Dortmund wurde in den Jahren 1956 und 1957 Deutscher Fußballmeister. Das trug erheblich zum neuen Selbstbewusstsein der Stadt und ihrer Bewohner bei. Als Kontrast zu den Hochöfen, den Stahl- und Walzwerken, in denen zeitweise über 40.000 Menschen schufteten, entstand im Schatten der Phönix-Hütte der Westfalenpark, der zur grünen Lunge der Stadt wurde. „Die Kinder gewaschen, gekämmt, mit weißen Kniestrümpfe, weil Sonntag war, und die kleinen Mädchen mit den Lackschühchen“, so beschreibt Uta Rotermund die Kleiderordnung für den Ausflug in den Westfalenpark, in dem 1959 auch die Bundesgartenschau stattfand, die den Imagewandel Dortmunds in den nächsten Jahren maßgeblich beeinflusste.
    Mit dem Westfalenpark erhielt die Stadt gleichzeitig ein neues Wahrzeichen: Den 220 Meter hoher Fernsehturm, genannt „Florian“, für einige Zeit sogar das höchste Gebäude in Westdeutschland. Es ging spürbar aufwärts, neue Autobahnen verbanden die Innenstadt mit ihren ländlichen Außenbezirken, in denen am Reißbrett neue Stadtviertel geplant wurden.
    Ende der 1960er-Jahre dann auch in Dortmund das Zechensterben. Die Ära des Steinkohlenbergbaus ging zu Ende und traf auch die Stahlindustrie. Der Strukturwandel stellt Stadt und Menschen vor neue Herausforderungen. Die Menschen, Ruhrpottler eben, nahmen diese an. Der Umschwung: Ab 1968 werden an der Technischen Universität Dortmund Arbeiterkinder zu Akademikern ausgebildet. Die Universität zieht weitere Forschungsinstitute an, Akademien und Bundesämter kommen hinzu. Dortmund wird Wirtschafts-, Verwaltungs- und Einkaufszentrum für deutlich mehr als eine halbe Million Menschen.
    Wieder einmal ist Dortmund sogar ganz oben: 1976, als die Dortmunderin Annegret Richter in Montreal die olympische Goldmedaille gewinnt. Während die Industriestandorte zunehmend aus dem Stadtbild verschwinden, siedeln sich Firmen aus Technologie und dem Dienstleistungssektor an. Langsam vollzieht sich ein Wandel zu einem modernen Dortmund, das trotzdem stolz auf seine industrielle Geschichte ist und seine Wurzeln nicht verheimlicht. Heimatabend Dortmund zeigt den mühevollen Wiederaufbau einer völlig zerstörten, von Industrie geprägten Stadt und deren Wandel zu einer modernen Metropole.
    Dortmund? Das sind auch die Menschen hier. Einfache, ehrliche Menschen, die in ihrer direkten Ansprache manchmal etwas forsch wirken. „Der Kontakt ist sehr schnell hier“, meint die Kabarettistin Uta Rotermund. „Die sagen ihnen auch ziemlich direkt, was sie von ihnen halten, und das finde ich sehr angenehm, damit kann ich umgehen.“ Mit den Dortmundern: Hans-Eberhard Urbaniak, Edda Pferdekämper, Gerd Kolbe, Werner Pawlak, Uta Rotermund, Jimmy Horschler, Annegret Richter, Sprecher: Fritz Eckenga. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 25.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 7 (45 Min.)
    „Auf’m Kaiserberg wohnten die feinen Leute – die wohnen auch heute noch da“, erinnert sich die fast hundertjährige Emmi Pannenbecker lachend an das alte Duisburg und seine ganz besondere Ordnung. Kaiserberg, Ruhrort oder Meiderich, das sind ganz eigene Welten. Zusammen sind sie Duisburg, die Hauptstadt der europäischen Binnenschifffahrt, die Hafenstadt, die aber nicht einmal eine Uferpromenade hat. Der Verbundenheit zu Duisburg tut das keinen Abbruch. „Ich habe zwar nur kurze Zeit meines Lebens in Duisburg gelebt, aber ich fühle mich immer noch als Duisburger“, sagt Fritz Pleitgen noch heute.
    Duisburg hat schon immer von seiner verkehrsgünstigen Lage profitiert, hier mündet die Ruhr in den Rhein. Schifffahrt, Stahlindustrie und Bergbau hatten der Stadt früh einen beträchtlichen Wohlstand beschert – und man sah es Duisburg an. Historische Aufnahmen zeigen die stolze „Stadt Montan“ der 1920er Jahre. Mehr als 200.000 Menschen lebten zu Beginn des 20.Jahrhunderts in der Stadt. Zum Einkaufen fuhren sie mit der elektrischen Straßenbahn in die Stadt, wo sich Geschäft an Geschäft reihte und das kulturelle Leben florierte.
    Selbst Thomas Mann hielt Lesungen in Duisburg, Emmi Pannenbecker war dabei. Meiderich, Hamborn, Laar und Hüttenheim hingegen glichen zu dieser Zeit einem einzigen Werksgelände. Vom Rhein aus betrachtet, bestand Duisburg fast ausschließlich aus Industrie- und Hafenanlagen mit vier großen Hüttenwerken im Norden und drei im Süden der Stadt. Der Innenhafen war als „Brotkorb des Reviers“ das Nadelöhr für die Versorgung des Ruhrgebietes und Ruhrort die Drehscheibe im europäischen Kohle- und Stahlhandel. „Auch Ruhrort war eine noble Stadt.
    Alle, na sagen wir mal die Direktoren der Schifffahrtsgesellschaften, die Direktoren von Phoenix und Rheinstahl, die wohnten in Ruhrort,“ erinnert sich Emmi Pannenbecker. „Heimatabend Duisburg“ erinnert aber auch an das Leben in den Hafenkneipen Ruhrorts, dokumentiert die goldenen Jahre in den 1950ern und blickt zurück auf längst untergegangene Stadtteile. Duisburg-Alsum, einst ein kleines Fischerdorf im Schatten der August-Thyssen-Hütte, verschwand in der Nachkriegszeit unter den Schutthaufen des Zweiten Weltkrieges. Vom sündigen Nachtleben in den Hafenkneipen Ruhrorts erzählt Friedbert Barg, der zunächst Schiffsjunge und später Polizist in Duisburg ist: „Duisburg ist für mich die Quelle, aus der ich in mein Leben schwimmen konnte.
    Ich habe in Duisburg mein Selbstbewusstsein gelernt, bin da aufgewachsen. Ich bin Teil Duisburgs, weil ich Charakterzüge von Duisburg übernommen habe.“ Duisburg hat aber immer auch unter der Abhängigkeit von Kohle sowie Stahl gelitten und einen hohen Preis dafür bezahlt. Da sind einerseits die Anstrengungen für mehr Grün und zur Verbesserung der Luftqualität zu nennen, aber vor allem auch die Maßnahmen zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit, die die Konjunkturkrisen in der Montanindustrie nach sich ziehen.
    Schließlich wurde der leidenschaftliche, aber am Ende doch vergebliche Kampf um das Stahlwerk Rheinhausen zum Wendepunkt in der Duisburger Industriegeschichte. Duisburg wurde zum nationalen Synonym für den Niedergang der Montanära und zum Musterbeispiel für den „schmuddeligen Kohlenpott“. Die Duisburger schafften aber den Wandel. Auf dem ehemaligen Gelände des Krupp-Stahlwerks ist einer der größten Standorte internationaler Logistikunternehmen entstanden.
    Mit dem Logport erfindet sich die Hafenstadt praktisch neu und wird zu einem der größten Umschlagplätze für die Containerschifffahrt. Der größte Binnenhafen der Welt wird zum Drehkreuz für Schiffs- und Bahnverkehr von der Nordsee bis nach Südeuropa. Und der neue Innenhafen ist heute eine Freizeit- und Büromeile. Fritz Pleitgen verwundert das nicht: „ Das ist eben auch der Charakter dieser Stadt. Die Bereitschaft zum Comeback.“ Mit den Duisburgern: Emmi Pannenbecker, Ali Güzel, Annegret Finke, Friedbert Barg, Werner Konrad, Walter Gries, Fritz Pleitgen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 25.10.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 8 (45 Min.)
    Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, erzählte einmal: „Und wenn ich in einer schönen Stadt war, habe ich immer gesagt, sie sei die zweitschönste in Deutschland, ob es nun Bamberg oder Bremen war. Damit provozierte ich die Frage, welche denn die schönste sei. Und dann habe ich gesagt: Münster.“ Sicherlich hatte Theodor Heuss den Prinzipalmarkt gesehen, der für viele der schönste Fleck Münsters ist. Beim Anblick der Giebelhäuser, Kaufleute und Passanten kann man leicht den Eindruck bekommen, dass Wohlstand und Sicherheit die Stadt Münster prägen.
    Nicht umsonst fühlen sich viele Münsteraner wie auf einer Insel der Glückseligen. In Münster scheint es sie noch zu geben: die heile Welt! Sie vereint alteingesessene Konservative mit jungen, weltoffenen Studenten, Katholiken mit kritischen Künstlern und bewegt sich bevorzugt auf Fahrrädern und Pferden. Katholizismus und Münster gehören eng zusammen. Bis heute sind 55 Prozent der Bevölkerung Münsters katholisch. Der 89-jährige Willy Eichel erinnert sich an die 30er Jahre: „Unser Pfarrer warnte mal meine Mutter vor evangelischen Kindern, als wir mit denen Fußball spielten.“ Die Kirche versuchte stets, das Leben der Münsteraner zu beeinflussen.
    Bischof Clemens August Graf von Galen predigte öffentlich gegen die grauenvollen Taten der Nationalsozialisten. Nach dem zweiten Weltkrieg gewann noch eine andere Gruppe Einfluss in Münster: Während die Kirche beim seelischen Aufbau half, engagierten sich die Kaufleute beim Wiederaufbau des zu 90 Prozent zerstörten Prinzipalmarktes. 1950 setzten sie die Stadt unter Druck und initiieren eine Spendenkampagne – die Rathauslotterie.
    Mit dem Geld der Bürger konnte so das Rathaus 1957 originalgetreu wieder aufgebaut werden. Kaufleute, Politiker und Prominente waren es auch, die 1956 die Eröffnung des Stadttheaters feierten. Fachpresse und Bürgertum bejubelten den Neubau, und die Münsteraner Studenten nutzten in den 60er Jahren seine Bühne für ihren eigenen Protest. Sie ärgerten sich über schlechte Wohnbedingungen und überfüllte Universitäts-Hörsäle. In den 70er Jahren wurde im Sitzen blockiert. In den 80er und 90er Jahren schaffte es dann die Musik- und Clubszene, den Frust in kreative Energie zu wandeln.
    Bands wie die Gebrüder Engel, Alphaville, die H-Blockx sowie Szeneplätze wie die Cavete oder das Jovel sorgten für Unterhaltung. Die Studenten wurden immer friedlicher – typisch Münster eben. „Heimatabend Münster“ nimmt den Zuschauer mit auf eine rasante Zeitreise durch die westfälische Stadt. Über den Prinzipalmarkt, die Promenade, vorbei an Aasee-Wiesen, Universität und Kiepenkerl-Denkmal. Für Rad- und Pferderennen hinein in die Halle Münsterland, mit der feinen Gesellschaft ins Stadttheater und den punkigen Rockbands ins Jovel.
    Persönliche Erinnerungen untermauern das Image der anscheinend glückseligsten Stadt Nordrhein-Westfalens. Von den friedlichen 20er Jahren über Krieg und Wiederaufbau bis hin zu den Studentenprotesten in den 70ern und den lauten Konzerten in den 90er Jahren. Karnevalist Willy Eichel schwelgt in Kindheitserinnerungen und Vielseitigkeitsreiterin Ingrid Klimke schwärmt vom westfälischen Paradies: „Wenn ich von Turnieren aus aller Welt zurück nach Münster komme, fühle ich mich wie im Urlaub. Ich brauche eigentlich keine Reisen. Münster ist entspannend genug, und ich habe hier einfach alles, um glücklich zu sein“. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 01.11.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 9 (45 Min.)
    „Also mich kriegt keiner hier weg. Also wenn, dann musst du mich schon mit dem Sarg hier wegfahren.“ Wer so etwas sagt, muss es ernst meinen mit seiner Heimatstadt. Willy Goeken, ehemaliger Kiosk-Besitzer, liebt Essen. Für viele ist es die heimliche Hauptstadt des Ruhrgebiets. Essen ist die zweitgrößte Stadt des Ruhrgebiets und erinnert schon mit ihrer Silhouette an eine große Metropole. Hinter den Fassaden der Essener Hochhäuser verbirgt sich eine Wahrheit, die wenige Außenstehende mit der Ruhrstadt in Verbindung bringen: Essen ist heute Heimat von einigen der umsatzstärksten Wirtschaftsunternehmen in Deutschland.
    Die Energieriesen E.ON und RWE sind längst aus dem langen Schatten der Kruppdynastie getreten. Der Essener Ballonfahrer Raimund Dreker erinnert sich: „Krupp war das Unternehmen für Essen und umgedreht: Essen war Krupp.“ Viele Menschen arbeiteten im Krieg in der wichtigsten Rüstungsschmiede des Landes. Und die Gussstahlfabrik wurde so natürlich zu einem der wichtigsten Ziele der britischen Bomber. Die Folge: Bei Kriegsende waren fast 90 Prozent der Essener Innenstadt zerstört.
    Für die Überlebenden und die Heimkehrer begann das Wegräumen der Trümmer und der Wiederaufbau der Stadt. Und das ging schnell. Schon Anfang der 1960er Jahre entstand in der Innenstadt eine der populärsten Einkaufsmeilen des Ruhrgebietes, die Kettwiger Straße. Essen nannte sich jetzt die Einkaufsstadt. Und schon früh konnten die Menschen hier wieder stolz sein auf ihre Stadt: 1955 wurde Rot-Weiß Essen Deutscher Fußballmeister. Neben Essens Idol Helmut Rahn feierten internationale Filmstars bei großen Premieren in der Lichtburg.
    Romy Schneider entzückte dort auf dem roten Teppich, während die Beatles in der Grugahalle rockten. Zeitweilig hatte die Stadt mehr als 700.000 Einwohner und war damit die größte Stadt des Ruhrgebietes. Das Bergbauimage ließ sich dennoch nicht ganz abschütteln. Denn viele Essener fanden Arbeit im größten Bergwerk der Region: der Zeche Zollverein. Immer wichtiger wurden aber die Beschäftigungsmöglichkeiten in den Büros der großen Firmen. Essen wurde mehr und mehr auch Verwaltungsstadt.
    Der Konflikt zwischen gut und weniger gut verdienenden Menschen zeichnete sich bald geografisch ab. Hier der graue, von Industrie geprägte Norden, dort der grüne Essener Süden als Heimat des bürgerlichen Establishments. Und 1986 kam dann noch das Aus für die Zeche Zollverein. Essen ist seitdem kohlefreie Zone. Im Verlauf des Strukturwandels entstanden in den ehemaligen Industriestätten kulturelle Zentren, Tanz und Design breiteten sich in den alten Förderanlagen aus. Wo früher Arbeit war, ist jetzt Kultur.
    Dank des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Essen zum Weltkulturerbe. Und 2010 schaffte es Essen zu einem offiziellen Hauptstadttitel: Ein Jahr lang schaute die Welt auf die Kulturhauptstadt Europas. „Heimatabend Essen“ bringt den Zuschauer an Orte, die für Essen von 1940 an eine bedeutende Rolle gespielt haben: das Gelände des Industriegiganten Krupp, das Areal der Zeche Zollverein oder die Regierungszentrale der englischen Militärregierung, die Villa Hügel. Lebendig werden die Orte durch die persönlichen Erinnerungen der Essener Zeitzeugen.
    Sie schwärmen beispielsweise von der Blumenvielfalt und dem Streichelzoo in den Parkanlagen von Buga und Gruga. Kritisiert werden dabei gerne Stadtplanung und Architektur. Gerd Petermeyer liebt dennoch seine Stadt: „Man sieht es schon von der Ferne, also wenn man einen guten Blick hat, dann sieht man die vier, fünf Riesen schon als Skyline. Es hat schon was Mondänes, ist doch klar.“ Mit den Essenern: Raimund Dreker, Willy Goeken, Ilse Storb, Hennes Multhaup, Gerd Petermeyer, Stefan Stoppok. Sprecherin: Marie-Luise Marjan (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 08.11.2013WDR
  • Staffel 1, Folge 10 (45 Min.)
    „Man ist von dieser Stadt nicht frei, sondern man lebt in dieser Stadt und man wird auch geprägt durch diese Stadt“, sagt Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museum und bekennender Gelsenkirchener. Gelsenkirchen, das ist die Stadt der großen Dramen. Auf glänzende Perspektiven folgten böse Abstürze. Immer wenn sich die Dinge zum Guten zu wenden schienen, kam etwas dazwischen. Damit ist die Stadt wie ihr Fußballverein – denn die Geschicke und das Lebensgefühl sind in Gelsenkirchen untrennbar mit dem FC Schalke 04 verknüpft.
    Die Entwicklung von Stadt und Verein, in Höhen wie Tiefen, ist in Gelsenkirchen eng verknüpft. Quasi aus dem Nichts entstand Anfang des 20. Jahrhunderts eine Großstadt, als Zusammenschluss ehemals eigenständiger Gemeinden und Dörfer. Um 1920 war die Stadt dann das größte Bergbauzentrum Europas, die nächtliche Silhouette mit den Fackeln der Koksöfen verleiht Gelsenkirchen den Beinamen „Stadt der tausend Feuer“. Die Erfolge des „Schalker Kreisels“ gaben der jungen Großstadt, deren Bevölkerung in großen Teilen aus osteuropäischen Zuwanderern bestand, eine Identität, denn ausgerechnet der „Malocher- und Polackenclub“ Schalke 04 spielte den elegantesten Fußball Deutschlands.
    „Heimatabend Gelsenkirchen“ erzählt von der wechselhaften Geschichte der Stadt. Den Zerstörungen des 2. Weltkrieges folgte in den 1950er Jahren ein goldenes Jahrzehnt. Gekrönt wurde es durch die siebte – und bis heute letzte – Deutsche Meisterschaft des FC Schalke 04 sowie einen Theater-Neubau, der deutschlandweit Furore machte.
    Kohle und Stahl hatten Hochkonjunktur, der Städtebau blühte, jede Feierlichkeit in der Stadt wurde zu einem Massenereignis. „Wir sind in den Sommermonaten von Fest zu Fest gezogen“, erinnerte sich der spätere Sparkassendirektor Rudolf Heib an seine Sturm- und Drangzeit. Die Stadtväter hatten die Urkunde für den vierhunderttausendsten Einwohner bereits in der Schublade, als die Bergbaukrise den Strukturwandel einleitete. In den folgenden 30 Jahren verlor die Stadt nach und nach fast 100.000 Arbeitsplätze.
    Zunächst quasi unbemerkt, schlitterte Gelsenkirchen nach und nach in eine tiefe Krise. Begleitet wurde die De-Industrialisierung von einigen umstrittenen Stadtplanungen und der verzweifelten Suche nach Auswegen für die Stadt. Auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Niedergangs stieg der FC Schalke 04 auch noch in die 2. Liga ab. Erst die Internationale Bauausstellung Emscherpark schaffte, ab 1989, neue Perspektiven … und auch Schalke 04 wurde 1991 wieder erstklassig. Die historischen Stadtfilme Gelsenkirchen, produziert zwischen 1952 und 1996, dokumentieren in einzigartiger Weise die wechselnden Geschicke der Stadt.
    Sie berichten von zukunftsweisenden Projekten, empfindlichen Rückschlägen und rauschenden Festen. Und sie verdeutlichen, warum viele Gelsenkirchener bis heute so an ihrer Stadt hängen. Rolf Nölle: „Ich könnte morgen mehrfacher Millionär werden, ich zöge nicht aus Gelsenkirchen weg.“ Mit den Gelsenkirchenern: Marianne Bechmann, Theodor Grütter, Rolf Nölle, Hans van der Forst, Ernst Otto Glasmeier, Werner Hansch. Sprecher: Manni Breuckmann. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 08.11.2013WDR

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