2013, Folge 103–114

  • Folge 103 (55 Min.)
    Seit Somuncu auf der Bühne steht, beleidigt, attackiert und provoziert er hemmungslos. Legendär sind seine gewagten öffentlichen Lesungen aus „Mein Kampf“, die ihm zu Polizeischutz verhalfen, umstritten sein Bühnenprogramm „Hassprediger“, und durch seine selbst gedrehten „Hate-Night-Videos“ wurde er schließlich zum Internet-Star. Immer wieder verwirrt er sein Publikum und seine Kritiker mit einem Wechselspiel aus Substanz und Plattitüden. Somuncu bewegt sich zwischen den Welten, ambivalent wie Istanbul.
    Zwischen Moschee und dem schwul-lesbischen Verein Lambda, zwischen CNN und Rapstudio, zwischen Okzident und Orient lassen sich Anne Will und Serdar Somuncu durch die Metropole am Bosporus treiben. Dabei zeigt sie viel Sinn für Humor und er seine weiche Seite. Immer wieder wird Anne Will herausgefordert. Nach jedem sinnvollen Gespräch folgt eine absurde Wendung, die sie manchmal sprachlos macht. Auf dem Basar, auf dem Serdar nach einem ernsten Gespräch über Burkas plötzlich ein Hochzeitsgeschenk für Anne Will kauft oder im Restaurant, in dem Anne Will darüber spricht, warum sie ihre Lebenspartnerin der Öffentlichkeit präsentiert hat, und er behauptet, die Gabe zu haben, paarungswillige Frauen riechen zu können.
    Während des anschließenden Besuchs beim Fernsehsender CNN aber wird das Gespräch hitzig und sehr ernst. Eine der beliebtesten Talkshowmoderatorinnen der Türkei, Sirin Payzin, erzählt den beiden, dass sie in ihrer 20-jährigen Karriere keine Pressefreiheit erlebt hat und einige Dutzend Journalisten im Gefängnis sitzen.
    Gleichzeitig sei die Türkei weltoffener und moderner als die meisten islamischen Staaten. Nur mit Ironie könne das Land nicht umgehen, moniert Serdar. Bei der erfolgreichen Rapperin Ayben, die in ihren Songs die Belästigung von Frauen anprangert, lässt Anne Will sich herausfordern, „ein bisschen zu rappen“. Nun erlebt man die toughe Fernsehfrau sichtlich verunsichert. Doch sie lässt sich auf alles ein, was diese Nacht bietet. Zum Ende „wird es schwul“ kündigt Serdar an. Anne Will reagiert mit einem Kopfschütteln. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 05.01.2013arte
  • Folge 104 (55 Min.)
    Ein Mann und eine Frau, die die Liebe zum Klavier eint: Die erfolgreiche amerikanische Musikerin Tori Amos trifft den deutschen Experimentalpianisten Hauschka im frostigen Berlin. Tori Amos ist nicht zum ersten Mal in Berlin. Gerade erst vor wenigen Wochen hat sie in der Berliner Philharmonie ihr Publikum mit ihrer Musik begeistert. Amos, die mit ihren Pop- und Rockalben mehr als 15 Millionen Platten verkauft hat, steht nämlich seit 2011 bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag und arbeitet mit klassischen Arrangements – mit Erfolg: Das Album „Night of the Hunters“ erhielt 2012 den Klassik-Echo. Tori Amos ist also bestens vorbereitet auf ihren „Durch die Nacht mit …“-Partner Volker Bertelmann, der unter dem Pseudonym Hauschka seit Jahren sein Publikum zu begeistern weiß.
    Wie kein Zweiter präpariert Hauschka Klaviere mit Alltagsgegenständen und entlockt den Instrumenten ganz neue Töne und perkussive Elemente. Zuletzt hat er mit der Starviolinistin Hilary Hahn ein Album aufgenommen. In Berlin hat der geniale Musiker aus Düsseldorf viele Verbindungen zur Musik- und Kunstwelt, doch zunächst gilt es, eine von Tori Amos’ größten Leidenschaften zu bedienen: High Heels. In einem exklusiven Laden in Berlin-Mitte erklärt die Musikerin, sich nur auf hohen Absätzen sicher zu fühlen.
    Danach besuchen die beiden die international erfolgreiche Künstlerin Katharina Grosse, die sogleich Gemeinsamkeiten in den Arbeitsweisen der zwei Musiker entdeckt. Im Klaviergeschäft „Klavieretage“ präpariert Hauschka einen der von Tori Amos so geliebten Bösendorfer-Flügel und eröffnet der begeisterten Amerikanerin ganz neue Welten. Das Eis ist gebrochen, und so ist sogar eine gemeinsame wilde Jam Session im Kellerstudio von Elektrofrickler Schneider TM möglich. Beim Absacker in der Bar von Hauschkas Cousin stellt Tori Amos dementsprechend erfreut klar: „Das ist nicht das Ende, das ist der Anfang.“ Hier haben sich zwei gefunden, die sich wiedersehen werden. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 09.02.2013arte
  • Folge 105 (50 Min.)
    Jung, sportlich, ehrgeizig, mutig, humorvoll, kämpferisch – Mimi Knoop und Faith Dickey mischen momentan die Sportwelt auf. Faith Dickey ist die erste weibliche Profi-Slacklinerin der Welt. Sie lebt am Limit, wenn sie beispielsweise zwischen zwei fahrenden Lkw auf der Slackline balanciert. Trotzdem will sie nicht als Powerfrau gesehen werden: „Als starke Frau werden einem immer männliche Qualitäten zugeschrieben. Ich sage dazu: Leute, ich bin ein Weib, Punkt!“ Genauso hält es Skateboarderin Mimi Knoop.
    Als sie vor zehn Jahren ihre Profi-Karriere begann, war sie eine absolute Ausnahme und musste hart dafür kämpfen, wahrgenommen zu werden. Mit einem Boykott der X-Games, dem wichtigsten Wettbewerb für Skateboarder, haben Knoop und ihre Mitstreiterinnen es 2005 geschafft, dass die Preisgelder für Männer und Frauen endlich gleich verteilt werden. Heute führt Knoop ein eigenes Team und eine Skateboard-Marke für Mädchen. Am legendären Küstenstreifen von Los Angeles wagt sich Mimi Knoop zum ersten Mal auf eine zwischen zwei Palmen gespannte Slackline, und Faith Dickey versucht sich im Skateboarden.
    Durch gegenseitigen Respekt und ähnliche Erfahrungen, die beide in von Männern dominierten Sportarten gemacht haben, entsteht schnell eine lockere, freundschaftliche Atmosphäre. Bei ihrem nächtlichen Besuch im kalifornischen Venice, dem Mekka für Künstler, Freaks und Übriggebliebene, begegnen sie einigen interessanten Persönlichkeiten. So werden sie vom Künstlerkollektiv Odyssey Works mit verbundenen Augen zu einem Gespräch über Angst und Überwindung entführt.
    Der Abend gipfelt in einem nächtlichen Besuch bei einer echten Legende und Mimi Knoops Jugendschwarm: Christian Hosoi. Hätte der nicht die 90er Jahre im Drogenrausch verbracht, wäre er vermutlich der beste Skateboarder der Welt geworden. So hat er im Gefängnis die Erleuchtung gefunden, sein Leben umgekrempelt und skatet nun als Priester zwischen Kirche und Halfpipe und ist tief beeindruckt von den beiden toughen Frauen Faith Dickey und Mimi Knoop. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 09.03.2013arte
  • Folge 106 (50 Min.)
    Der erfolgreiche deutsche Rapper Max Herre und Reggae-Star Patrice treffen sich in einer tief verschneiten Nacht in Paris. Der „Goût de l“Afrique“, der Geschmack Afrikas, würzt die Begegnung: Ob beim Streifzug über den afrikanischen Straßenmarkt oder beim Eintauchen in den unvergleichlichen musikalischen Sound des afrikanischen Viertels: Patrice schwelgt in Erinnerungen an Sierra Leone und seine afrikanischen Wurzeln. Die nigerianische Schlagzeuger-Legende Tony Allen erwartet die beiden Musiker in einem der bedeutenden Pariser Analogstudios.
    Allen, der gemeinsam mit Fela Kuti den Afrobeat erfand, gibt den Rhythmus vor: Virtuos schüttelt er den komplexen Beat aus dem Handgelenk, es klingt, als wären mehrere Schlagzeuger am Werk. Ehrfurchtsvoll lassen sich Patrice und Max Herre in die groovige Jam-Session des Meisters hineinziehen. Frankreichs weltberühmter Urban-Artist JR und Patrice sind alte Freunde. JR hat die letzte Kampagne des Reggae-Sängers fotografiert und gestaltet, Patrice wiederum war im Team von „Women Are Heroes“ in Kenia, dem Projekt, das JR und seine gesellschaftskritische Arbeit bekannt machte.
    Spritzig und kreativ ist ihre Begegnung in JRs Pariser Atelier, voller Anekdoten und kleiner Sticheleien. Die Frage, wie weit Kunst sich einmischen und tatsächlich die Welt verändern kann, kommt auf. Dabei ist der radikal unabhängige Fotograf eine Herausforderung für die Musiker. Wofür engagieren sich ihre Songs? Hat die Message Priorität oder die Musik? Es geht um die Macht der Musikindustrie, den Kampf zwischen hellen und dunklen Kräften und das Ringen um künstlerische Freiheit.
    Bei klirrender Kälte treffen Patrice und Max Herre unter einer Autobahnunterführung die Breakdance-Gruppe 9–1pact. Nebenbei geht es um den musikalischen Output des Zivildienstes und darum, was die Englisch-Kompetenz der Franzosen mit Patrices Riesenerfolg zu tun haben könnte. Wir erfahren, wozu Max sich auf dem Fußballplatz hinreißen lässt und wie Patrice vom Antialkoholiker zum Rum-Liebhaber wurde. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 06.04.2013arte
  • Folge 107 (55 Min.)
    Für Palina Rojinski beginnt der Abend bei einem Fotoshooting. Von einer Zeitschrift wurde sie zu einer der „40 besten Frauen unter 40“ gekürt – neben Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Medienmacherinnen. Im Eiltempo geht es danach zum Studio von Frida Gold. Deren Frontfrau Alina Süggeler und Palina sind sich mehrmals auf dem roten Teppich begegnet und wollten sich schon lange mal auf einen Kaffee verabreden. Nun klappt es endlich. Neben Kaffee und selbst gebackenem Kuchen bekommt Palina als erste Außenstehende eine Kostprobe aus dem gerade entstehenden Frida-Gold-Album.
    Alinas Nervosität lässt langsam nach, als sie merkt, dass ihr „Baby“ sehr gut ankommt. Als nächstes müssen die beiden Stilikonen ihr Modegespür bei einem „Style-Battle“ unter Beweis stellen: An den endlosen Kleiderständern eines Secondhand-Lagers suchen sie für die jeweils andere ein Outfit aus. In einer der führenden Werbeagenturen Deutschlands lassen sich Palina und Alina auf ein Gespräch über Marken und Selbstdarstellung ein, erweisen sich jedoch als beratungsresistent: Alina will keine Nichtigkeiten in den einschlägigen Social-Media-Kanälen posten und Palina will sich weiterhin in allen Netzwerken als Tausendsassa präsentieren.
    Beim Essen in einem russischen Restaurant führt die in Sankt Petersburg geborene Palina ihre neue Freundin Alina in die Welt des russischen Aberglaubens und der Trinksprüche ein. Bei Alinas jamaikanischem Stage-Coach Nikeata Thompson legt Palina ihr Mixtape mit Dancehall und Hip-Hop-Rhythmen auf und die Drei sind nicht zu bremsen. Noch um 2:00 Uhr morgens erwartet die beiden eine musikalische Überraschung: In einem russischen 24-Stunden-Imbiss spielt eine Polka-Kapelle Frida Golds Hit „Wovon sollen wir träumen“, und die Party nimmt kein Ende. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 04.05.2013arte
  • Folge 108 (55 Min.)
    Ein Treffen zweier Musiklegenden und Pop-Ikonen. Ein Clash der Genres: Punk vs. Techno und die Erfüllung eines Jugendtraums: Deutschlands bekanntester DJ und einstiger Punk Westbam begegnet zum ersten Mal seinem Jugendhelden Hugh Cornwell, Frontmann der Stranglers. Cornwell und Westbam in London, das ist ein Treffen der Generationen und Genres: Punk trifft auf Techno, Gitarrist auf DJ, Songschreiber auf Produzent. Beide haben Pop-Geschichte geschrieben, beide standen an der Spitze einer Bewegung – und beide zeichnen sich durch ihre Vielseitigkeit aus. Was sie eint, ist die ‚attitude‘: der Do-it-yourself-Geist des Punk. Ausgerechnet der Schöpfer des Punk-Klassikers „No More Heroes“ ist für Westbam genau das: ein Hero! (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 01.06.2013arte
  • Folge 109 (55 Min.)
    Los geht es mit einem Tennismatch – Tom Schillings liebster Form der Körperertüchtigung – im Volkspark Friedrichshain. Olli Schulz klagt über die Titanschrauben in seiner Hand, die ihn zur Vorsicht zwingen und manchmal richtig weh tun können – die Folgen einer Operation. Beide erinnern sich an ihre erste Begegnung in der WG von Robert Stadlober, als Olli Schulz dort für ein paar Nächte zu Gast war. Anschließend gibt es erst einmal eine Erfrischung im Café Schönbrunn, einer von Tom Schillings Berliner Lieblingsorten. Danach steigen sie in ihren blauen Benz mit den roten Ledersitzen, um den Machern von „Fairnopoly“ einen Besuch in ihrem Großraumbüro in Kreuzberg abzustatten.
    Die Idee: auch im Kapitalismus kann man sauber bleiben, Profit ist auf faire Weise möglich. Auf der Fahrt ins Regierungsviertel fragen sich beide, ob ihre Verabredung mit Steffen Seibert wirklich zustande kommt. Der wollte nach einem Essen mit der Kanzlerin zu ihnen stoßen, um mit ihnen über ‚Rollenspiele‘ in der Politik zu sprechen – Seibert ist ein großer Fan von beiden. Hungrig setzen sie sich etwas später in den Öko-Imbiss „Glück to go“. Die Erkenntnis: Auch Bio-Fast-Food kann lecker und deftig sein. Beim anschließenden Besuch in der Scorsese-Ausstellung offenbart sich die große Film-Leidenschaft der beiden.
    Nach einer kurzen Stippvisite bei der renommierten Musikerin Ada – Anke Engelkes Lieblings-Trackmacherin -, die im Chalet an diesem Abend ein Konzert gibt, geht es weiter zur legendären DDR-Fahrbereitschaft, die der Galerist Axel Haubrok der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. An der Bar, an der schon ‚Honni‘ sich den einen oder anderen Schnaps genehmigte, trinken sie sich warm für den finalen Wettbewerb des Abends: auf der jahrzehntelang geheim gehaltenen Kegelbahn der SED-Granden im obersten Stockwerk kommt es zum Showdown. Der Abend endet, wie er begonnen hat: mit Körperertüchtigung alter Schule. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 06.07.2013arte
  • Folge 110 (55 Min.)
    „Ich bin der Student, Bootsy der Lehrer“, sagt der englische Elektro-Soul Sänger Jamie Lidell am Anfang ein wenig aufgeregt, denn vor Bootsy Collins kann man nur Respekt haben. Seine Karriere als Musiker sowie seine Zusammenarbeit mit James Brown, Funkadelic und Parliament, mit Snoop Dogg, Sly, LL Cool J, Bobby Womack und Keith Richards verunsichern die meisten Musiker. Doch die Unsicherheit hält bei Jamie Lidell nicht lange an, denn Bootsy hat sich mit Lidells Musik beschäftigt und zeigt sich beeindruckt von der souligen Stimme seines nächtlichen Begleiters. Auf seinem Anwesen außerhalb seiner Heimatstadt Cincinnati in Ohio hat Bootsy ein kleines Funk-Paradies geschaffen, und Lidell fühlt sich zwischen den zahlreichen Gitarren und glitzernden Anzügen wie ein Kind im Spielzeugladen.
    Im großen Studio spielt Bootsys Band: „Go ahead Lidell, go ahead“ und Lidell zeigt der Funk-Legende eindrucksvoll, was er kann, als er spontan einige von Bootsys größten Hits singt. Im Soul-Food-Restaurant „Ollie’s Trolley“ werden die besten Hähnchen der Stadt aus einem traditionellen Kugelgrill serviert. Die beiden bedienen sich reichlich und reden Tacheles über den häufig zu beobachtenden Drogenkonsum im Musikgeschäft.
    Danach besuchen sie das mittlerweile leerstehende Gebäude des legendären Plattenlabels King Records, mit dem James Brown seinen Durchbruch schaffte. Bootsy gerät ins Schwärmen, als er von der Zusammenarbeit mit dem „Godfather of Soul“ erzählt – auch wenn er nicht bezahlt wurde. In der „New Jerusalem Baptist“-Kirche traut Bootsy seine Ohren kaum, als Jamie spontan mit einem Gospel-Chor sein Lied „Another Day“ singt. „There’s something in you“, stellt die Funk-Legende begeistert fest und fordert Lidell auf, den Soul aus sich herauszulassen. Bei einem Essen im Steakhouse, in dem die Steaks am Fließband an den Tisch serviert werden, erklärt Bootsy, dass sein B-Funk-Planet von seiner Frau regiert werde und er damit sehr zufrieden sei.
    Lidell ist vor allem glücklich, dass er mit Bootsy zusammen sein darf. „Jede Begegnung ist eine Möglichkeit“, antwortet die Funk-Legende, und Lidell nickt sichtlich bewegt. Der Abend endet in einem ehemaligen Packhaus, in dem sich Cincinnatis überschaubare elektronische Musikszene trifft. Als Lidell dann die Computer übernimmt, lässt sich auch der Großmaster des E-Bass nicht lange bitten und setzt sich ans Schlagzeug. Eine ernsthafte musikalische Zusammenarbeit ist zu diesem Zeitpunkt schon längst beschlossene Sache. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 03.08.2013arte
  • Folge 111 (55 Min.)
    Der österreichische Regisseur Ulrich Seidl ist ein großer Fan des bayerischen Schauspielers Josef Bierbichler – und umgekehrt. Doch zusammengearbeitet haben die beiden Filmschaffenden bisher noch nie. Höchste Zeit, sich etwas näher kennen zu lernen, dachte sich Ulrich Seidl – und wünschte sich einen gemeinsamen Abend mit dem ewigen Grantler Bierbichler in Kiew. Seit seinem Film „Import/​Export“ hat Ulrich Seidl eine Schwäche für die Hauptstadt der Ukraine. Dabei interessieren ihn nicht so sehr Kunst und Architektur, sondern vor allem die Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen.
    Kiew bildet den perfekten Rahmen für eine Begegnung zweier Einzelgänger, bei denen es um die ganz großen und die ganz kleinen Fragen geht: um Kunst und Demokratie, den Unterschied zwischen Film und Theater, um Ängste und Eitelkeiten – und natürlich darum, den besten Wodka zu bekommen. In einem schäbigen Wagen der Marke Wolga erkunden sie die gigantische Plattenbausiedlung „Massiv“, einen typischen Markt, auf dem beide eine Badehose erstehen und den Hidropark, in dem die Jugendlichen der Stadt an selbst zusammengeschweißten Trainingsgeräten im Freien ihre Muskeln stählen.
    Immer wieder versucht Seidl, Bierbichler zu einem gemeinsamen Filmprojekt zu überreden, doch der Umworbene bleibt kühl und gesteht sogar, in Zukunft gar nicht mehr vor die Kamera zu wollen: „Dieser Zugriff des ganzen Apparates auf meinen Körper, das mag ich nimmer.“ In einer Strandbar essen sie zu Abend – unbeeindruckt von dem herrlichen Sonnenuntergang. Der passionierte Fluss-Schwimmer Seidl steigt in seiner neuen Tiger-Badehose schließlich allein in die Fluten, dem See-Schwimmer Bierbichler ist die Strömung nicht geheuer. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 07.09.2013arte
  • Folge 112 (52 Min.)
    „Hoffentlich denkt er nicht, er trifft Justin Timberlake“, unkt Jamie Cullum, bevor er die Tennislegende abholt. Aber Boris Becker weiß genau, mit wem er es zu tun hat. Und als Großbritanniens liebster Deutscher kann er in London auch die Türen zu exklusiven Orten öffnen. Natürlich beginnt der Abend im berühmtesten Tennis-Club der Welt. „Hier kommt man nur rein, wenn jemand stirbt oder wenn man Wimbledon gewinnt“, erklärt Becker, plaudert unbefangen über psychologische Kriegsführung in der Umkleidekabine und erläutert, warum er morgens meistens schlechter gespielt hat.
    Cullum ist begeistert von den Insider-Geschichten und tief beeindruckt, als er auf dem heiligen Rasen des Centre Court steht. Um dem berüchtigten Londoner Verkehr aus dem Weg zu gehen, nähern sich die beiden der Stadt mit einem kleinen Boot auf der Themse. Bei schönstem Sonnenschein trinken sie Champagner, und Boris Becker erweist sich als interessierter Gesprächspartner, der alles über das Sex-Drugs-Rock-’n’-Roll-Klischee und über das Leben auf Konzerttourneen wissen will.
    Auch Cullum hat Zugang zu extravaganten Orten. Er lädt Becker zu einem kleinen Privatkonzert mit spektakulärer Aussicht in Londons höchstes Gebäude ein. Spätestens als er in der Bar des Shard-Building in die Tasten greift, wird klar, dass Becker großen Respekt vor Cullums Talent und dessen Disziplin hat und dass er sich selbst weit weniger wichtig nimmt, als es manchmal den Anschein hat. Seine Popularität in England ist fast grenzenlos – nicht nur bei Tennis-Fans. Beim Go-Cart-Fahren wird all das zur Nebensache.
    Hier zählt nur der Drive. Cullum stellt begeistert fest, dass er zumindest eine Runde lang der Schnellere war. Nach dem Rennen sind sich beide einig: Wir sehen uns hier wieder. Nachdem die Freundschaft auf diese Weise besiegelt ist, geht es erst richtig los. Beim Dinner erklärt Becker dem mehr als zehn Jahre Jüngeren, was für ihn im Leben wirklich wichtig ist. Danach widmen sich beide ausgiebig einem Whisky-Tasting, bei dem Becker nicht verhehlt, dass er das „savoir vivre“ sehr schätzt.
    Zwar hat Cullum beim Pokern in Beckers Stammcasino wenig zu melden, aber dafür zieht er am Ende des Abends noch einmal alle Register. Die Tatsache, dass er nicht nur ein begnadeter Entertainer, sondern vor allen Dingen ein zutiefst emotionaler Musiker ist, beweist er in der letzten Location: einer kleinen Jazz-Bar im Keller, in der seine Karriere angefangen hat. Die Begegnung zwischen Becker und Cullum zeigt, wie zwei Menschen sich trotz des enormen Größenunterschiedes absolut auf Augenhöhe begegnen – zwei Entertainer, die nicht anders können, als sich mitzuteilen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 05.10.2013arte
  • Folge 113 (52 Min.)
    Multimedia-Pop-Art-Künstler Francesco Vezzoli lädt den von seiner Welttournee erschöpften Musiker Rufus Wainwright nach Rom ein, um ihm seine Retrospektive im Museum Maxxi für moderne Kunst vorzustellen. Als sie die von Vezzoli kreierte Welt betreten, wird der müde Sänger schnell wieder munter, denn Vezzoli hat das von Zaha Hadid gebaute Museum auf den ersten Blick in eine Bildergalerie des 19. Jahrhunderts verwandelt: Die „Galleria Vezzoli“ präsentiert sich inklusive schwerer Samtvorhänge, blutroten Fußbodens, Repliken antiker Statuen sowie etlicher Plasmabildschirme und Leinwände, über die Vezzolis provokante Videoarbeiten flimmern.
    Das alles ist genau nach Wainwrights Geschmack, der seine Songs mit genauso viel Pomp und Glamour auflädt wie Vezzoli seine Videos. Durch ein Selbstporträt Vezzolis als Kaiser Hadrian entdecken die beiden Künstler die gemeinsame Faszination für den Kaiser, und bedauern, dass seine bedeutenden Leistungen im Laufe der Geschichte nicht genügend Anerkennung fanden, wohl weil er homosexuell war. Nach den Repliken geht es zu den Originalen in die Galleria Borghèse, eine der wertvollsten privaten Kunstsammlungen der Welt.
    Die Statuen aus Marmor beeindrucken die beiden Kunstliebhaber durch die Sinnlichkeit perfekter Körper. Nach dem anstrengenden Aufstieg zum Turm der Engelsburg staunen beide über die Schönheit Roms in der beginnenden Dämmerung. Das Dinner im Ar Galletto auf der Piazza Farnèse wird zunächst zum Arbeitsessen. Wainwright überzeugt Vezzoli, ein Video für seine Oper „Prima Donna“ zu drehen. Mit feierlichem Handschlag verabreden sie, dass die Premiere in New York stattfinden soll.
    Danach beginnt der private Teil des Abends. Beim Spaziergang über die Piazza Navona philosophiert Wainwright beim Anblick Neptuns Zepter und eines Obelisken über die perfekte Penisform und schwelgt in Erinnerungen an seinen römischen Liebhaber. Vezzoli erzählt, dass dank seiner liberalen Eltern Schwulsein in Italien für ihn nie problematisch war. So ähnlich sich die beiden Protagonisten im Hinblick auf ihre sexuellen Präferenzen sind, so unterschiedlich sind ihre Strategien: Während Rufus Wainwright nach attraktiven Römern Ausschau hält, sind für Vezzoli Begegnungen der analogen Art nicht mehr zeitgemäß: „Effective cruising is online“, erklärt er seinem Gegenüber in einer beim Kolosseum gelegenen Bar der „Gay Street“.
    Den Abschluss dieses von Sinn und Sinnlichkeit geprägten Abends bildet ein kleines Privatkonzert im Foyer des Hilton Hotels. Am Ende hat der Zuschauer nicht nur viel Neues über die beiden Künstler erfahren, über Wainwrights zehnjährige Sexabstinenz oder Vezzolis Vorliebe für süditalienische Männer, sondern auch einen entspannten Kurztrip in eine der schönsten Städte der Welt hinter sich. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 02.11.2013arte
  • Folge 114 (52 Min.)
    In Hamburg trifft die außergewöhnliche Ex-Pornodarstellerin Sasha Grey auf die russisch-stämmige Musikerin und Künstlerin Mary Ocher, die aufgrund ihrer unkonventionellen Videos und ihrer eigenwilligen, Pop und Polka fusionierenden Musik hohes Ansehen in der Indie-Szene genießt. Für Ocher ist Grey mehr als nur ein Ex-Porno- und künftiger Hollywood-Star: Sie sieht in ihr ein Vorbild für junge Frauen. Grey habe gezeigt, dass Frauen in Sachen Sex die Initiative ergreifen können. Die Voraussetzungen für den Abend sind gut: Es treffen zwei Frauen aufeinander, die genau das machen, was sie wollen – Sasha Grey hat ihre eigene Karriere fest im Blick, Mary Ocher ihre Kunst.
    Und doch könnten sie, obwohl sie alterstechnisch nur drei Jahre auseinander liegen, unterschiedlicher nicht sein. Schon bei der ersten Begegnung der beiden wird klar: Hier stoßen zwei Welten aufeinander. Mary bewundert Sasha für ihren offenen und expliziten Umgang mit Sex, weil die bekennende Exzentrikerin eigentlich introvertiert ist.
    Nur wenn sie am Klavier sitzt, geht sie aus sich heraus. Sasha dagegen bleibt die schüchterne, oft verlegen kichernde Liedermacherin fremd. Zu professionell und business-like ist ihr Denken, um den auf viele charmant wirkenden Dilettantismus Ochers schätzen zu können. Sie gibt den Profi, betont immerzu die geschäftlichen Aspekte ihrer Karriere. Für sie ist auch ihr erster Roman „Die Juliette Society“, der sich im Fahrwasser von „Shades of Grey“ bewegt, Ergebnis eines Markt-Kalküls.
    Bei der Stadtrundfahrt mit einem der berühmten roten Doppeldecker werden die unterschiedlichen Charaktere klar. Während Grey sich über den im Bus für sie bereitgestellten Alkohol freut, betont Ocher: „I don’t drink alcohol. Only on special occasions.“ – wozu dieser Abend für sie offensichtlich nicht gehört. Beim Besuch der „Dionysos“-Ausstellung bleiben beide für sich – still versunken in die modellierten Penisse und erotischen Anzüglichkeiten auf den antiken Vasen.
    Doch dann offenbart Hamburg sein Potential. Im Rotlichtviertel zeigt sich, dass Greys rebellisches Image alles andere als ein Fake ist. Die Herbertstraße ist für Frauen verboten? „Ok, let’s go“, entscheidet sie kurzerhand, und Ocher folgt ihr fröhlich kichernd in den wohl berühmtesten Freilicht-Strich der Welt. Und die Reaktion der Prostituierten lässt nicht lange auf sich warten. Anschließend klärt Ocher ihre Begleitung darüber auf, dass es sich um ein „perfectly safe environment“ handle und auch die Gesundheits-Versorgung der käuflichen Damen in Hamburg vorbildlich sei.
    Beim Besuch des Ateliers der Hamburger Künstlerin Mariola Brillowska und bei dem ‚etwas anderen‘ Schauspielunterricht der Open Acting Academy erleben sie herrlich bizarre, unfreiwillig komische Momente der Körperarbeit. Aber zueinander finden die beiden Frauen trotzdem nicht. Zu groß ist der Mentalitätsunterschied. So bleibt der Abend Dokument einer gescheiterten Annäherung zweier Welten: Europa und die USA, Indie-Kleinkunst und Hollywood-Business. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 07.12.2013arte

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