Dokumentation in 3 Teilen, Folge 1–3

  • Folge 1
    Vor gut 160 Jahren befindet sich Deutschland in einem radikalen Wandel, der das Leben der Menschen grundlegend verändert. Die industrielle Revolution macht aus beschaulichen Dörfern bizarre Fabriklandschaften mit qualmenden Schloten und Wohnsiedlungen für das Heer der Arbeiter, die in die wachsenden Städte strömen. Textilfabrikanten, Stahlbarone und Zechenbesitzer bestimmen zunächst ziemlich ungestört und willkürlich die Regeln von Produktionsablauf, Arbeitszeit und Verdienst und regieren sogar bis ins Privatleben der von ihnen Abhängigen hinein.
    Fügen müssen und sollen sich die Arbeiter. Doch die werden anfangen, für gerechten Lohn und verträgliche Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Es ist die Basis für eine neue politische Bewegung, und mit Streiks und Protesten demonstrieren die Arbeiter ihr neues Selbstverständnis. Am Ende ist aus dem zersplitterten Agrarstaat eine der wichtigsten Industrienationen der Welt geworden. Es wurden die Wurzeln für den Wohlstand geschaffen, von dem wir heute noch leben. Doch wer waren die Menschen, die den Wandel erlebten, erlitten und gestalteten? Was dachten und fühlten sie? Die dreiteilige Reihe ‚Die Stählerne Zeit‘ erzählt die Schicksale von sechs Menschen, deren Lebensläufe verbürgt sind.
    Und lässt so die Bedrängnisse und Hoffnungen dieser Epoche wieder aufleben. Teil 1: Eine Kindheit im Wuppertal Mitte des 19. Jahrhunderts. Der junge Hermann Enters muss seinem Vater den ganzen Tag helfen, das Garn für den Webstuhl vorzubereiten. Sein Vater arbeitet als Bandwirker zu Hause, unter erbärmlichen Bedingungen.
    Oft möchte er in die neuen Fabriken stürmen, die Maschinen einfach kurz und klein schlagen. Fortschritt im Maschinentakt. Die Region um das Wuppertal ist im frühen 19. Jahrhundert das Manchester Deutschlands: Überall werden Fabriken gebaut, Wasserräder errichtet, Dampfmaschinen aufgestellt. Und die Fabrikware ist billiger und oft von besserer Qualität als die Handarbeit. Hermanns Vater arbeitet verzweifelt und vergeblich gegen diese Konkurrenz an. Immer weniger bekommt er für seine Arbeit.
    Doch in die Fabrik will er nicht, sich dem Maschinentakt unterwerfen, seine Tage in Lärm und Gestank verbringen. Er will frei bleiben, seine Zeit selbst einteilen können. Auch wenn sein Sohn dafür von der Schule genommen wird und in die Lehre verkauft werden muss. Der kleine Hermann fügt sich und wird später in die USA auswandern und dort seine Erinnerungen aufschreiben. Ein einmaliges Dokument dieser Zeitenwende. Zu den Wirtschaftspionieren seiner Zeit im Wuppertal gehört auch der strengprotestantische Friedrich Engels, der gleichnamige Vater des späteren Mitbegründers des Kommunismus.
    Er fährt nach England, schaut sich die neuen riesigen Fabriken genau an. Daheim gründet er 1838 selbst eine Textilfabrik in Engelskirchen – nach englischem Vorbild. Er wird – mit Hilfe von Kinderarbeit – reich. Und seine protestantische Erwerbsethik lässt ihn darin einen Gewinn für die arme Bevölkerung sehen, deren Kindern er in seiner Fabrik ein geordnetes und sinnvolles Leben ermöglicht. Doch seinen Sohn dagegen empört das Elend der Arbeiter. Er wird sich gegen den Vater auflehnen. (Text: EinsExtra)
    Deutsche TV-PremiereFr 01.05.2009Das Erste
  • Folge 2
    Kein deutscher Unternehmer des 19. Jahrhunderts war so umstritten wie der saarländische Stahlbaron Karl Ferdinand Stumm, der spätere Freiherr von Stumm-Halberg (1836–1901). Er ist erst 22 Jahre alt, als er ein kleines Stahlwerk übernimmt und es zum größten privaten Unternehmen im Saarland ausbaut. Es ist die Zeit nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871. Die Zollschranken sind Vergangenheit und es gibt große Nachfrage nach Produkten aus Eisen und Stahl. Das neue Kaiserreich industrialisiert sich mit rasanter Geschwindigkeit und viele werden in kürzester Zeit märchenhaft reich.
    Es ist das Reich der Stahlbarone, und einer der mächtigsten von ihnen ist Karl Ferdinand Stumm. Täglich ist er in seinem Werk, kontrolliert alles und jeden, sein Regiment ist eisern. Er sorgt wie ein Vater für seine Arbeiter – aber nur, wenn sie sich seinem Willen unterwerfen und gehorsam sind. In ganz Deutschland berüchtigt ist sein Heiratsverbot, mit dem er seinen Arbeitern mit der Entlassung drohte, wenn sie ohne seine Einwilligung heiraten. Dahinter steht die Sorge, seine Arbeiter könnten zu früh eine zu große Familie gründen und sie nicht mehr ernähren können.
    So entmündigt er sie. Gleichzeitig war Stumm einer der ersten Unternehmer, die Hilfskassen für ihre Arbeiter einführten. Der Stahlbaron, Freund Kaiser Wilhelms II., sah sein System der ‚milden und der strengen Hand‘ als Vorbild für das gesamte Reich. Bis heute ist in Neunkirchen das Schicksal des Stummschen Arbeiters Johann Groß im Gedächtnis der ‚Hüttenmänner‘. Er kam, wie viele damals, vom Lande und wurde Industriearbeiter.
    Er begann als Puddlerlehrling im Stahlwerk, musste sich erst daran gewöhnen, in Hitze und Staub schwer zu arbeiten. Als Puddler muss er das flüssige Eisen so lange von Hand umrühren und kochen, bis Stahl daraus wird. Die Schienen und die Achsen der Züge, aber auch der Eiffelturm: Den Stahl haben unzählige Puddler von Hand hergestellt. Knochenarbeit. Doch dann verliebt sich Johann Groß und heiratet heimlich, ohne den Stahlbaron um Erlaubnis zu bitten. Ihm wird sofort gekündigt. Und aus Verzweiflung über seine darauf folgende Entlassung erhängt er sich. (Text: EinsExtra)
    Deutsche TV-PremiereFr 01.05.2009Das Erste
  • Folge 3
    Das Ruhrgebiet um 1873. Wer zu dieser Zeit Arbeit sucht, den zieht es hierhin. Das Deutsche Reich wurde zwei Jahre zuvor gegründet und die Region zwischen Ruhr und Emscher boomt. Stahlfabriken und Kohlezechen brauchen Arbeitskräfte. Sie kommen aus dem Münsterland und aus Hessen, aus Sachsen oder Schlesien. Sie sind jung und ledig und fangen auf einer der vielen Ruhrzechen an. Einer von ihnen ist August Siegel, 17 Jahre alt, als er als ungelernter Arbeiter auf der Dortmunder Zeche anfängt und ganz unten auf der sozialen Leiter steht. Auf Margarethe wird er Kohle aus bis zu 300 Metern Tiefe fördern.
    August arbeitet sich hoch. Ihn empört die Willkür, mit der die Unternehmer Löhne und Arbeitszeiten festsetzen. Als 1889 der erste große Streik das Deutsche Reich erschüttert und 90.000 Bergarbeiter aus Protest die Arbeit niederlegen, wird August Siegel zum Arbeiterführer. Eine Streikdelegation wird sogar von Kaiser Wilhelm II. empfangen und August Siegel ist dabei. Seine Erinnerungen hat er niedergeschrieben und so ein einzigartiges Zeugnis dieser Jahre hinterlassen. Doch nach dem Streik muss er Frau und Kinder verlassen und nach England fliehen. Gegner im großen Streik ist Emil Kirdorf, der den Bau der heute als Weltkulturerbe ausgezeichneten Zeche Zollverein initiiert.
    Er ist ein angestellter Direktor der Gelsenkirchener Bergbau AG, abhängig von den Tycoons des Ruhrgebiets und im Gegensatz zu den patriarchalischen Unternehmern ein schroff und streitlustig kämpfender Manager. Verständnis für die Arbeiter hat er nicht, er will beweisen, wie effektiv und gewinnbringend er so ein Unternehmen führen kann. Und während der Bergarbeiter August Siegel zum Mitbegründer der Keimzelle der späteren IG Bergbau und Chemie wird, führt Emil Kirdorfs kompromisslose Haltung ihn nach 1933 an die Seite Hitlers. (Text: EinsExtra)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.05.2009Das Erste

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Die stählerne Zeit online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…