Fernsehfilm in 2 Teilen, Folge 1–2

  • Folge 1
    7. Oktober 1989. Mit den Feiern zum 40. Jahrestag der DDR beginnt die Schlussapotheose des sozialistischen Experiments auf deutschem Boden. Während die Hardliner des sozialistischen Weltlagers ihrem deutschen Musterschüler Honecker zuprosten und die Parade der NVA abnehmen, verlangt die Bürgerrechtsbewegung lautstark nach Freiheitsrechten.
    Der SED-Chef hält nichts von Glasnost und Perestroika, auch wenn ihm die „Gorbi, Gorbi“-Rufe seines Volkes nicht entgehen. Als der Kreml-Chef am Abend des 7. Oktober seinen Besuch verärgert abbricht, weil der starrsinnige Gastgeber zu keinerlei Reformen zu bewegen ist, prügeln in den Straßen von Ostberlin bewaffnete Einheiten die friedlichen Demonstrationen am Prenzlauer Berg und anderswo brutal nieder.
    Der erste Teil des „Deutschlandspiel“ schildert die Ereignisse zwischen dem DDR-Jubiläum und dem 9. November 1989 aus der Sicht der Haupt- und Staatsakteure, aber auch aus ungewöhnlichen Perspektiven: Etwa aus der Sicht einer jungen Fernsehmoderatorin, Viktoria Herrmann, die damals eher zufällig in die Prügelszenen gerät. Sie arbeitet für das neue Jugend-Magazin „ELF 99“, das eigentlich gegründet worden war, um rebellische Tendenzen linientreu abzufedern. In den Oktober-Wochen entdecken die jungen TV-Journalisten allmählich die Lust am Widerstand. Auch die Bürgerrechtler und Videofilmer Aram Radomski und Siegbert Schefke – sie halten für westliche Fernsehsender heimlich die großen Montags-Demonstrationen in Leipzig am 9. und am 16. Oktober im Bild fest. „Deutschlandspiel“ erzählt auch von der Macht der Bilder.
    Der 9. Oktober war der Tag der Entscheidung in Leipzig. 70.000 Bürger reihen sich in den Protestmarsch gegen das SED-Regime ein. Kommt es zur Gewaltanwendung wie wenige Monate zuvor auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking? Ein Krimi – wer da an der Spirale der Gewalt drehte und wer schließlich Gewaltanwendung verhinderte. Die Versuche, Honecker umzustimmen, die schwierige Genese des von Kurt Masur verlesenen Leipziger Friedensappells, die Entscheidung des Sekretärs der SED-Bezirksleitung, Helmut Hackenberg, eigenmächtig die Truppen zurückzuziehen – all das zeigt, wie sehr der friedliche Erfolg der Revolution in der DDR auf des Messers Schneide stand.
    Dann der Fall der Mauer in Berlin. Wie es durch eine groteske Verkettung von Missverständnissen zur schönsten Panne der jüngsten Geschichte kam, ist hinlänglich bekannt. „Deutschlandspiel“ hebt Personen hervor, die damals im Stillen wirkten und kaum wahrgenommen wurden, etwa der stellvertretende Sowjetbotschafter in Ostberlin Igor Maximytschew (Peter Ustinov). Durch geschickte Unterschlagung von brisanten Informationen schonte er nachhaltig die Nerven seiner Vorgesetzten – vor Ort und in Moskau. So beruhigte er die durch den Mauerfall aggressiv aufgeladene Stimmung. Desinformation, Irrtümer und schlichtes Kopf-in-den-Sand-stecken schienen ohnedies wesentliche Faktoren des „Wende-Wunders“ gewesen zu sein.
    Der Film rekonstruiert im Detail die höchst spannende Vor- und Hintergrundgeschichte des 9. November und das schönste Versehen des Jahrhunderts, das zur „Nacht der Nächte“ in Berlin führte. Der erste Teil des Doku-Dramas endet mit dem Augenblick, in dem an der Bornholmer Straße DDR-Bürger jubelnd die Grenze Richtung Ku’damm passieren. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereFr 29.09.2000arte
  • Folge 2
    Nach dem Fall der Mauer beginnt ein internationales Tauziehen um die deutsche Frage. „Falken“ in den eigenen Reihen provozieren Gorbatschow mit Falschmeldungen: Es bestehe die Gefahr, dass Sowjeteinrichtungen von der aufgebrachten Menge in Ost-Berlin gestürmt werden. Die Panzer bleiben in den Kasernen.
    Die DDR bekommt eine neue Regierung. Hans Modrow wird Ministerpräsident einer Koalitionsregierung, die SED muss die Macht teilen. Bonn ergreift die Initiative. Ausgelöst von einem informellen Besuch des sowjetischen Deutschland-Experten Nikolai Portugalow bei Kanzler-Berater Horst Teltschik entsteht der Eindruck, die Sowjets seien bereit, über die Einheit zu reden.
    Kohl überrascht Moskau, aber fast noch mehr die westlichen Verbündeten mit dem Zehn-Punkte-Programm zur deutschen Einigung.
    In Paris ist man verstimmt, in London verärgert. Wiedervereinigung der Deutschen, da sind sich der französische Präsident François Mitterand und die englische Premierministerin Margaret Thatcher beim EG-Gipfel in Straßburg einig, das kann warten. Während London versucht, den deutschen Einheitszug zu bremsen, steuert Frankreichs Präsident Mitterand zunächst einen Schlingerkurs. Ein diplomatisches Ränkespiel setzt sich in Bewegung, nur US-Präsident George Bush signalisiert Unterstützung für Bonn.
    Der Schlüssel zur Einheit aber liegt in Moskau. Gorbatschow befindet sich im Zangengriff zwischen Befürwortern und strikten Gegnern der „Perestroika“.
    „Deutschlandspiel“ zeigt, auf welch schwankendem Boden sich der Kremlchef damals bewegte: Zum ersten Mal überhaupt räumt Ex-Gorbatschow-Berater Valentin Falin ein, dass schon im Laufe des Jahres ’90 akute Putschgefahr drohte – von Seiten der Hardliner in der Sowjetarmee. Die Westgruppe der Streitkräfte in der DDR, das stand fest, war im Falle einer deutschen Einigung der große Verlierer. So reifte der Plan hoher Militärs, Gorbatschow in die DDR einzuladen, ihn dort zu verhaften, nach Moskau zu verbringen und zu entmachten. Nicht einmal der sowjetische Geheimdienst KGB soll davon gewusst haben. Erstmals bezeugt ein hoher Sowjetfunktionär einen solchen Plan zu diesem frühen Zeitpunkt. Wie anders wäre die Geschichte verlaufen, wäre es damals schon zu dem Putsch gekommen, der später stattfand. In welcher Atmosphäre jene Verschwörung gedieh, vermitteln packende Spielszenen.
    Nach Kohls Februar-Besuch in Moskau, wo Gorbatschow das grundsätzliche Signal zur Einheit gibt, spitzt sich alles auf die entscheidende Frage zu, welchem Bündnis ein vereinigtes Deutschland angehören soll.
    Der Durchbruch gelingt beim amerikanisch-sowjetischen Gipfel Ende Mai/​Anfang Juni in Washington. Condoleezza Rice, Kreml-Expertin der amerikanischen Regierung, berichtet von der dramatischen Konferenz, bei der Gorbatschow zum Entsetzen einiger seiner Berater plötzlich der NATO-Zugehörigkeit des vereinten Deutschland zustimmt. Für Valentin Falin ist Gorbatschows Verhalten bis heute Kapitulation und Rätsel zugleich.
    Das strickjackenbewehrte „Familientreffen“ Kohl-Gorbatschow im Kaukasus Mitte Juli ist ein wesentlicher Schlusspunkt, doch auch Medienspektakel: Die NATO-Mitgliedschaft des geeinten Deutschland war im Prinzip schon bei Gorbatschows Washington-Besuch beschlossene Sache. Dennoch stand die Tür zur Einheit nur eine Handbreit offen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereFr 29.09.2000arte

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