Dokumentation in 3 Teilen, Folge 1–3

  • Folge 1
    In Perfektion hat das Albrecht Dürer schon um 1500 vorgemacht. Er ist der erste wirkliche Selbstdarsteller in der Geschichte der Porträtmalerei. Mit seinem berühmten Selbstbildnis im Pelzrock, in dem er sich zur Christus-Ikone stilisiert, erfindet er das autonome Künstlerselbstporträt. Und indem er sich als eine Art irdischer Schöpfer präsentiert, erhebt er nicht nur das eigene Ich geradezu in den Himmel, sondern betont den neuen Künstlerstatus in der Renaissance. Seit jener Epoche verstehen sich Künstler nicht länger als Handwerker. Der Hofmaler Diego Velázquez wagt es, die Hofgesellschaft samt Infantin wie eine Statistenschar um sein Porträt zu gruppieren und sich selbst wie einen Monarchen zu präsentieren.
    Sein Meisterwerk „Las Meninas“ gilt in dieser Hinsicht als einmalig in der Geschichte der Malerei. Ganz andere Selbstdarstellerqualitäten stellt später sein Landsmann Salvador Dalí unter Beweis, der sich mit Vorliebe in seinen gemalten Wahn- und Traumwelten platziert und damit seine Selbstporträts mit vielfach interpretierbarer Bedeutung auflädt. Ein überragendes Talent der Selbstdarstellung ist Andy Warhol. Er macht keinen Hehl daraus, welche Absicht er verfolgt, wenn er sein Gesicht wie am Fließband und in Serien reproduziert: Seine in Pop-Art-Ästhetik erscheinenden Selbstporträts haben die Funktion, ihn so berühmt und reich zu machen wie die Hollywoodstars, die er mit Vorliebe porträtiert.
    Der Künstler – eine Celebrity. In den rund 500 Jahren, die zwischen Dürer und Warhol liegen, fällt eines auf: Selbstdarstellung ist männlich. Was aber nicht überrascht, waren doch Kunstakademien bis ins 20. Jahrhundert reine Herrenclubs. Die Hofmalerin Élisabeth-Louise Vigée-Lebrun ist eine große Ausnahme, sie gilt als erfolgreichste Porträtmalerin im vorrevolutionären Frankreich. Gemalt hat sie sich auch selber gerne und oft, um ihre Schönheit zur Schau zu stellen. Deshalb wurde sie mit dem Etikett der weiblichen Eitelkeit versehen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.01.2012arte
  • Folge 2
    Das Selbstporträt in der Kunst ist nicht nur eine Bühne der Selbstdarstellung. Diese Bildgattung fordert Künstler geradezu heraus, die Konfrontation mit dem Ich zu suchen und die existenzielle Frage zu stellen: Wer bin ich? Das taten schon die alten Meister. Die Suche nach Selbsterkenntnis erreicht mit Rembrandt einen ersten Höhepunkt. Seine unzähligen Bilder vom eigenen Ich machen ihn zum intensivsten Selbsterforscher seiner Zeit. In Bildern wie Momentaufnahmen untersucht er akribisch, wie sich Gemütszustände in seinem Äußeren spiegeln, erprobt aber auch den Einfluss von Kostümierungen auf Körperhaltung und Gesicht.
    Max Beckmann, bis heute der Rekordhalter in Sachen Selbstporträt, steht ihm darin rund 300 Jahre später in nichts nach. Inklusive aller Zeichnungen hat der große Porträtist an die hundert Selbstbildnisse geschaffen, in denen er mal den Clown, mal den Artisten, mal das großbürgerliche Salonmitglied gibt. „Ich habe mein Leben lang versucht, ein Ich zu werden“, bekennt er. Im 19. Jahrhundert ist es Vincent van Gogh, der mit 29 Selbstbildnissen in nur drei Jahren einen eher traurigen Rekord aufstellt. Denn es ist die Geschichte seiner Geisteskrankheit, die er in ihnen dokumentiert.
    Geradezu manisch hat er sich immer wieder gemalt, um nach Spuren des Wahnsinns in seinem Gesicht zu suchen. Seine zwanghafte Selbstbefragung führt in die Selbstverstümmelung. Eine Art melancholischer Stolz unterscheidet Frida Kahlo von Vincent van Gogh. Fast all ihre Bilder sind Selbstporträts. Mit jedem scheint sie sich ihrer weiblichen Existenz zu vergewissern, jedes hat die Botschaft: Ich bin nichts als mein schmerzender Körper und meine leidende Seele. Aber es ist die Würde im Schmerz, die in ihren Bildern ins Auge springt.
    Während van Gogh und Kahlo das Innerste nach außen kehren, um dem Ich auf die Spur zu kommen, suchte ausgerechnet Lucian Freud, der Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud, an der Oberfläche nach Antworten. Auf der Haut studiert er sein seelisches Befinden, sie ist sein Medium der Selbsterkenntnis. Unter dicken Farbschichten begräbt er sie und erschafft sie dadurch neu. Sein Ich entsteht erst durch Farbe. „Für mich ist die Farbe die Person“, sagt Lucian Freud. Die Frage, ob die Farbschichten in seinen Selbstporträts das Innere hervorheben oder nicht doch eher versperren, bleibt am Ende offen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.01.2012arte
  • Folge 3
    Die amerikanische Fotokünstlerin Cindy Sherman schlüpft seit über 30 Jahren in sämtliche Rollen und Masken unserer Gesellschaft; inszeniert sich als Mätresse und Monster, Mann und Modell; ist immer selbst im Bild, ohne je sie selbst zu sein. Das Selbstporträt als forsche Behauptung: Ich ist ein Anderer. Ich bin überall – und nirgends. Der englische Malerstar Francis Bacon hat sein Selbstbild bis zur Unkenntlichkeit verformt und verunstaltet. Immer auf der Suche nach seinem inneren Kern, seinem anderen Ich.
    Indem er sich malerisch von seinem Spiegelbild lossagte, löste er sich auch von allen gesellschaftlichen Zwängen. Das Selbstporträt als Befreiungsschlag: Ich ist grenzenlos – ich ist ein Anderer. Die österreichische Malerin Maria Lassnig nennt ihre Selbstporträts „Körperbewusstseins-Bilder“; denn sie malt nur, was sie spürt: ihr Körpergefühl. Und das ist – ihr anderes Ich. Ob Kochtopf oder Nervenbündel, Zyklop oder Froschkönigin – ihr Körper hat viele Gesichter. Das Selbstporträt als heiter-melancholisches Spiel mit dem Alter Ego, dem anderen Ich.
    Die französische Performancekünstlerin Orlan bearbeitet ihr Selbstporträt radikal und blutig: Ihr Atelier ist der Operationssaal, ihr Material der eigene Körper. Für sie heißt „Ich ist ein Anderer“ konkret: das äußere Spiegelbild dem inneren Selbstbild anpassen, mit allen Mitteln der plastischen Chirurgie. Das Selbstporträt als Akt schmerzvoller Selbsterschaffung. Der deutsche Maler Jonathan Meese produziert Selbstporträts im Akkord, versteht das Genre als fantastische Spielwiese Hunderter neuer Meeses: Ob Stalin oder Hitler, Teufel oder Messias – sein Ich will nicht nur ein Anderer sein, sondern alle Anderen.
    Das Selbstporträt als egozentrisches Universum unendlicher anderer Ichs. Cindy Sherman, Francis Bacon, Maria Lassnig, Orlan und Jonathan Meese – sie alle haben das Selbstporträt für sich völlig neu erfunden. „Ich ist ein Anderer“: eine künstlerische Kampfansage an das traditionelle Selbstporträt; und es gilt, das Künstler-Ich in all den anderen Ichs zu entdecken. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.01.2012arte

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