Staffel 9, Folge 1–8

Staffel 9 von „Baukunst“ startete am 30.08.2015 bei arte.
  • Staffel 9, Folge 1 (26 Min.)
    Eine sanft gewellte Glasfassade, eine weiße Kuppel: Das am Fuße des Parks Buttes-Chaumont gelegene Haus der Kommunistischen Partei Frankreichs im Nordosten von Paris verkörpert die architektonische Umsetzung einer politischen Ideologie und gilt als Meilenstein moderner Architektur. Der von dem Brasilianer Oscar Niemeyer zwischen 1965 und 1980 errichtete Bau befindet sich an einem Ort von hoher architektonischer und politischer Relevanz, befanden sich hier doch einst das Haus der Gewerkschaften, die Arbeiteruniversität sowie der Pavillon des sowjetischen Konstruktivisten Konstantin Melnikow während der internationalen Kunstgewerbeausstellung im Jahr 1925. Die Vorhangfassade des riegelförmigen Gebäudes wurde vom französischen Architekten Jean Prouvé entworfen.
    Seine geschwungenen Formen scheinen mit denen der weißen Kuppel zu kommunizieren, unter der sich der beeindruckende Versammlungssaal des Zentralkomitees befindet. Der schlichte Glasbau, bei dem bewusst auf Prunk und überflüssige Schnörkel verzichtet wurde, ruht auf fünf Betonsäulen und scheint auf einer hauchdünnen Luftschicht zu schweben.
    Auch im Gebäude setzte Niemeyer auf Schlichtheit und auf ausgeklügelte Methoden zur Reflektion des Lichts und der Zirkulation von Schallwellen. Da die Kommunistische Partei Frankreichs im Laufe der Jahre viele Wähler einbüßen müsste, teilt sie sich die Büros mittlerweile mit einer E-Commerce-Firma. Dennoch bleibt der Komplex bis heute eines der schönsten Zeitzeugnisse moderner Architektur der 60er Jahre. Was damals als Symbol für den Aufstieg der Kommunistischen Partei Frankreichs galt, dient heute häufig als Kulisse für Kinofilme, Werbeclips und Modenschauen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 30.08.2015arte
  • Staffel 9, Folge 2 (26 Min.)
    Fernab der üblichen Katalogangebote verwirklichte sich das Ehepaar Unal seinen Traum von einem eigenen Haus in der Natur, weit entfernt vom hektischen modernen Leben. Die Besonderheit: Das von Claude Häusermann-Costy entworfene und zwischen 1972 und 2008 von Joël Unal erbaute Eigenheim ist ein Kugelhaus, gänzlich frei von geraden Linien. Es wird der Architekturströmung des Skulpturalen Bauens zugeordnet, welche Bauten umfasst, die Kunst und Architektur in sich vereinen. Für das aus mehreren Kugeln bestehende Ensemble wurde ein und dieselbe Bauweise verwendet, bei der Beton ohne Schalung von Hand auf ein Metallstützwerk aufgetragen wird.
    Die Kugel ist die stabilste und energetisch günstigste Form. Abgesehen von ihrer besonderen Ästhetik, erweist sich die Kugel auch als eine äußerst effiziente wirtschaftliche Konstruktion. Joël Unal erbaute sein Haus über einen Zeitraum von 36 Jahren hinweg und orientierte sich dabei zwar an den Plänen der Architektin, passte diese aber bisweilen gemäß seiner eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse an.
    Frei gestaltete Formen sind heutzutage geradezu das Symbol eines monumentalen, von Computersoftware entwickelten Baustils geworden. Doch was für große Museen oder Sportanlagen gang und gäbe ist, ist für kleinere Bauten eher ungewöhnlich. Das Haus der Unals ist daher ein außergewöhnliches Beispiel kleinerer skulpturaler Bauten. Seine sanften Formen und ineinanderfließenden Räume lassen es wie eine Hommage an die organische Architektur Antoni Gaudís wirken. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 06.09.2015arte
  • Staffel 9, Folge 3 (26 Min.)
    In Schiedam, einem Vorort von Rotterdam, steht die Van-Nelle-Fabrik, gebaut zwischen 1926 und 1931 nach Plänen der Architekten Jan Brinkman und Leendert van der Vlugt. Van Nelle, eine holländische Tabak-, Kaffee- und Teefabrik, die bereits seit über 100 Jahren besteht, expandiert Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Fabrik im alten Leuvehafen wird den Bedürfnissen des Unternehmens nicht mehr gerecht. Doch die innerstädtische Lage lässt keine Vergrößerung zu. 1924 wird daher der Bau einer neuen Fabrik beschlossen, außerhalb der Stadt, wo noch viel Platz ist. Der neue Standort liegt an einem großen Kanal, was den Effekt noch verstärkt, dass die Stirnseite und Hauptfassade der Fabrik an den Bug eines großen Schiffes erinnern.
    In diesem riesigen Gebäudekomplex wurden bis in die 80er Jahre Tabak, Kaffee und Tee verarbeitet. Entsprechend der verschiedenen Produkte sind die Gebäude unterschiedlich hoch. Für den Tabak, dessen Verarbeitung am kompliziertesten ist, stehen acht Stockwerke zur Verfügung, für den Kaffee sechs und für den Tee nur drei. Die Produkte werden nach modernsten, aus den USA übernommenen Methoden verarbeitet. Der gesamte Raum ist so eingeteilt, dass mehr und schneller produziert werden kann.
    Alle Wege haben die Form einer Geraden – die Form der größtmöglichen Effektivität. Die Van-Nelle-Fabrik verband also wirtschaftliche Prinzipien des Taylorismus mit architektonischen Visionen des Bauhauses. Beim Bau war das heutige Industriedenkmal in vieler Hinsicht seiner Zeit weit voraus. Eine Innovation, die den Entwurf der Fabrik mit ihren vollverglasten Fassaden beeinflusst hat, ist das Prinzip der sogenannten Daylight Factory, bei dem das Tageslicht bestmöglich genutzt wird. Diese Transparenz verleiht dem Gebäude trotz seiner gewaltigen Dimensionen Leichtigkeit und Eleganz. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.09.2015arte
  • Staffel 9, Folge 4 (26 Min.)
    Keine vertikalen Linien, keine einheitliche Fassade, keine Wiederholungen: Im Namen der Fondation Louis Vuitton errichtete der berühmte kanadisch-US-amerikanische Architekt Frank Gehry zwischen 2006 und 2014 am Rande des Pariser Bois de Boulogne ein Bauwerk ohnegleichen: ein Glasschiff, das die Illusion von Bewegung vermittelt und getrieben vom Westwind nach Paris zu segeln scheint. Das beeindruckende, die Baumwipfel überragende Gebäude besteht aus einer Ansammlung von 19 weißen, organischen Blöcken. Jeder einzelne ist eine abstrakte Komposition mit zahlreichen Facetten und gekrümmten oder abgeschrägten Oberflächen; bedeckt mit Platten aus Ductal, einem weißen Faserbeton.
    Darüber liegen, in Anlehnung an das Glasdach des Pariser Grand Palais, weitläufig angeordnete Glasflächen. Jede Fläche, jeder Block hat eine individuelle Form und Größe, etwa wie ein dreidimensionales Puzzle, das den Eindruck eines „Erdbebenmusters“ verleiht. Durch die überlappende Anordnung entstehen für den Besucher zugängliche Freiräume und Durchgänge. Das Museum besteht aus einem großen Auditorium und elf Galerien, in denen zeitgenössische Kunst einen Ausstellungsort findet.
    Sechs der Galerien werden dank spezieller Lichtröhren mit Tageslicht beleuchtet. Durch die präzise Verwendung vieler einzigartiger Elemente aus Glas und Beton vereint das Gebäude industrielle Herstellung und Handwerkskunst sowie auch die Luxusindustrie, deren jüngstes Aushängeschild dieser bemerkenswerte Komplex ist. Seine von den Glassegeln geschützten Terrassen laden auf einen architektonischen Spaziergang ein und eröffnen eine wunderbare Sicht auf die französische Hauptstadt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.09.2015arte
  • Staffel 9, Folge 5 (26 Min.)
    Das Mausoleum Itimad ud-Daula im nordindischen Agra wurde zwischen 1622 und 1628 im Auftrag von Nur Jahan, der Gattin des Mogulherrschers Jahangir, für ihren Vater errichtet. Das monumentale, quadratische Grabmal aus weißem Marmor liegt inmitten einer viereckigen Gartenanlage am Fluss Yamuna und war ursprünglich als Ort der Besinnung für Familie und Freunde gedacht. Während die Pavillons der äußeren Mauer rot sind, besteht das Mausoleum aus weißem Marmor. Dies stellte einen Bruch mit der Tradition dar, denn weißer Marmor war bis dahin den Gräbern der Heiligen vorbehalten gewesen.
    Die Achsen der vier Pavillons entlang der Gartenmauer schneiden sich in der Mitte des Mausoleums und erzeugen somit eine doppelte Symmetrieachse – im Mogulreich ein Symbol für Kraft, durch die Gleichgewicht und Harmonie entstehen. Der weiße Marmor, mit dem das massive Ziegelsteinmonument verkleidet ist, ist auf allen Außenseiten mit Halbedelsteinen verziert. Sterne, Dreiecke, Trapeze und Sechsecke sind mit der „parchiri kiri“-Technik in den Marmor eingelassen und lassen die große Fassade wie ein großes Puzzle wirken. Ebenso faszinierend sind die 16 Jalis – steinerne, geometrische Fensterstrukturen, die die Wände des Mausoleums in sanft gemustertes Sonnenlicht hüllen.
    Außergewöhnliche sind auch die zwei Grabkammern des Mausoleums, eine im Inneren und eine zweite, lichtdurchflutete Ausführung der selbigen auf der Terrasse direkt darüber. Die Errichtung eines Bauwerks über einem bestatteten Leichnam war schon damals kontrovers und beschäftigte die gesamte islamische Welt. Die dekorativen Malereien im Inneren des Gebäudes bilden Themen aus Persien, China und sogar Europa ab und gelten als Beweis für die Toleranz, die Mogul Jahangir gegenüber allen Religionen walten ließ. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.10.2015arte
  • Staffel 9, Folge 6 (26 Min.)
    Nach dem Erdbeben in Japan im März 2011 rief ein Architektenkollektiv unter der Leitung von Toyo Ito das Projekt „Ein Haus für alle“ ins Leben, das es sich zum Ziel setzte, Gemeinschaftseinrichtungen und Begegnungsstätten für die Einwohner der zerstörten Städte zu schaffen. Die drei jungen Architekten Sou Fujimoto, Kumiko Inui und Akihisa Hirata bauten ein solches Haus in der Küstenstadt Rikuzentakata, die von dem Tsunami im Anschluss an das Erdbeben besonders schwer betroffen war. Sie schufen ein Gebäude mit Spitzdach und säulenartig in den Himmel aufragenden Baumstämmen aus dem zerstörten Wald. Die Tragglieder wirken wie archaische Säulen und erinnern an die monumentalen Holzpfeiler japanischer Shinto-Schreine.
    Die Außenmauern werden von einer Treppen- bzw. Terrassenanlage spiralförmig umfangen. Der Bau gibt den Blick auf die vernichtete Stadt frei, von der wenig mehr als das Straßenraster erhalten ist. Das Haus wurde in sechs Monaten entworfen und in fünf Monaten gebaut. Das Projekt, das bei der Architekturbiennale 2012 in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, ist ein Beispiel für Hilfsbereitschaft und Solidarität nach verheerenden Naturereignissen, oder – wie der Filmtitel besagt – für „Hoffnung nach der Katastrophe“. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.10.2015arte
  • Staffel 9, Folge 7 (26 Min.)
    In Hangzhou, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Zhejiang, steht ein Gästehaus der besonderen Art: das Wa Shan – was wörtlich so viel bedeutet wie „Berg aus Ziegeln“. Das Haus wurde zwischen 2011 und 2013 auf dem Campus der angesehensten Kunsthochschule des Landes errichtet. Sein Architekt ist der Chinese Wang Shu, Jahrgang 1963, der selbst dort lehrt. In Hangzhou, der jahrtausendealten Kulturhauptstadt Chinas, vollzieht sich seit geraumer Zeit eine rasante Entwicklung: Innerhalb von weniger als 30 Jahren verlor die Stadt 90 Prozent ihrer traditionellen Wohngebäude. Diese radikale Verwandlung der Stadtlandschaft entspricht dem rasanten kapitalistischen Wandel des Landes.
    Mit seiner Arbeit will der umwelt- und traditionsbewusste Architekt ein Gegenmodell zur fortschreitenden Globalisierung schaffen. Er engagiert sich sehr auf dem Gebiet des nachhaltigen Bauens. Dabei verbindet er moderne und überlieferte Bauweisen, insbesondere solche, die historisch vor Ort gewachsen sind. Für seine experimentelle Praxis und seine Werke wurde er 2012 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet. Wang Shu lädt den Besucher in sein Gästehaus zu einer Erkundungstour ein, bei der Innen- und Außenwelt, Landschaft und Gebäude, harmonisch miteinander verschmelzen.
    Auf dem Weg durch die kleinen labyrinthischen Räume ergeben sich ständig neue Aus- und Einblicke. Die Raumerlebnisse gleichen denen, die durch die traditionellen Kulturlandschaften auf den chinesischen Tusche-Rollbildern vermittelt werden. Wang Shu ist ein begnadeter Szenograf. Darüber hinaus setzt er sich in seinem Kampf um die Nachhaltigkeit dafür ein, Ziegel und anderen Bauschutt zu verwenden, den er aus abgerissenen traditionellen Häusern der Provinz rettet. So wurde das Wa Shan aus recyceltem Material und aus Stampflehm gebaut – eine wahre Provokation in einer Stadt, die rücksichtslos zubetoniert wird. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 18.10.2015arte
  • Staffel 9, Folge 8 (26 Min.)
    Die zwischen 1897 und 1909 errichtete Kunstschule von Glasgow gilt als wichtigstes Werk des britischen Architekten, Malers und Designers Charles Rennie Mackintosh, einem Wegbereiter der Moderne. Trotz genauster Vorgaben der Geldgeber bezüglich der Größe des Bauwerks, der Flure und Fenster gelang es dem Architekten mit seiner obsessiven Liebe zum Detail und seiner Vorliebe für Brüche, dem Gebäude einen einzigartig modernen Charakter zu verleihen. Er nutzte seine Spielräume und schuf ein Werk, das verschiedenste Architekturstile unter einem Dach vereint und konstruktive Funktionalität mit dem Subjektivismus des Art nouveau verbindet.
    So brach er beispielsweise die Fassade des fabrikähnlichen Gebäudes auf, indem er in die Mitte eine Villa setzte. Auch die asymmetrische Anordnung des Eingangsbereichs und der Fenster lockern das Erscheinungsbild der Hochschule auf. Die seitlichen Fassaden ähneln auf der einen Seite einer mittelalterlichen Burg, auf der anderen Seite dominieren moderne geometrische Glasfronten. Das Innere der Schule folgt einem rein funktionalen Schema. In drei übereinanderliegenden Etagen befinden sich Ateliers mit großen Glasfronten.
    Bibliothek, Verwaltungsräume und Treppenhäuser sind an die Rückseite des Riegels ausgelagert. In den Ateliers verzichtete Mackintosh bewusst auf dekorative, raumgebende Elemente, um den Künstlern ihre Freiheit zu lassen. Nachdem die Schule jahrelang wenig Beachtung fand, wurde sie zur Pilgerstätte für Generationen von Architekten. Sie hatte prägenden Einfluss auf die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts – und das, obwohl Mackintosh während der gesamten Bauzeit keinen Fuß auf die Baustelle setzte. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 25.10.2015arte

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