Staffel 2, Folge 1–10

Staffel 2 von „Baukunst“ startete am 03.03.2001 bei arte.
  • Staffel 2, Folge 1 (30 Min.)
    Dessau liegt zwei Zugstunden von Berlin entfernt. Hier entstand 1926 nach Entwürfen von Walter Gropius die Hochschule für Gestaltung, das Bauhaus. Gegründet wurde es 1919 in Weimar in einem bereits existierenden öffentlichen Gebäude. Aus politischen Gründen – Druck vonseiten der örtlichen Rechten – wurde es aber 1925 nach Dessau verlegt, wo der Stadtrat Gropius Mittel für die Errichtung des neuen Bauhaus-Komplexes zur Verfügung stellte. Das eigenartige Gebäude mit seinen geradwinkligen Glasfassaden und seinen Flachdächern sollte zu einem der markantesten Beispiele der Architektur des 20. Jahrhunderts werden.
    Ziel des Bauhauses war es, die Trennung von Kunst und Produktion durch eine Rückkehr zum Handwerk zu überwinden und unter Einbeziehung verschiedenster Disziplinen eine neue industrielle Formgebung zu schaffen. Da sich das von der Stadt zur Verfügung gestellte Gelände etwas außerhalb der Stadt befand, wurde der Bau nicht von vorhandenen städtischen Strukturen eingeengt. So konnte Gropius seine Schule bedarfsgerecht konzipieren und ihr die gewünschte Form geben. Er legte einen weitläufigen Campus an, auf dem sich bewusst asymmetrisch gestaltete Formen ineinander verschachteln: Die Architektur der Gebäude wird durch die jeweiligen Nutzungen für Werkstätten oder Verwaltung bedingt.
    Das Gebäude des Bauhauses ist ein veritables Manifest für eine Ästhetik der Transparenz: Alle Räume stehen miteinander in Verbindung, alles fördert die Bewegung, den Austausch und den Kontakt der Studenten mit den verschiedenen Räumen und Disziplinen. Schon 1926, ein Jahr nach Baubeginn, galt das Bauhaus, das Stadt, Fabrik und Schule zu einer Einheit verbindet, als Gropius’ Hauptwerk. Doch es wurde schnell zum Politikum und musste 1932, auf Betreiben der NSDAP -Mehrheit im Stadtrat von Dessau, nach Berlin umziehen, wo es letztendlich geschlossen wurde.
    Der Plan, das als Provokation empfundene Gebäude teilweise abzureißen, wurde schließlich fallengelassen, und die Nationalsozialisten nutzten das Bauhaus als Ausbildungsstätte für ihre Parteikader. Auch den Kommunisten gefiel das Bauhaus nicht, doch auch sie wagten nicht, es abzureißen und ließen in den 50er Jahren die durch Bombardierungen beschädigten Gebäudeteile notdürftig ausbessern. Erst 20 Jahre später wurde das Bauhaus restauriert. Gropius ließ sich in den USA nieder und gelangte dort als radikaler Erneuerer der amerikanischen Architektur zu Berühmtheit. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 03.03.2001arte
  • Staffel 2, Folge 2 (30 Min.)
    Wie die anderen Londoner Kopfbahnhöfe sollte auch St. Pancras über ein stählernes Bogendach sowie über ein Luxushotel verfügen: Das heißt, es wurden zwei getrennte Einrichtungen und zwei unterschiedliche Bauprojekte geplant. Zwei Männer leiteten sie, die allerdings von Zusammenarbeit nichts hielten. Als die Midland-Eisenbahngesellschaft 1863 die Genehmigung zum Bau des Bahnhofs erhielt, erteilte sie William Barlow, einem der glänzendsten Ingenieure der damaligen Zeit, den Auftrag. Die Rekordtragweite seiner 1865 fertiggestellten Bahnsteighalle, mit einer Höhe von über 30 Metern und einer Länge von über 200 Metern, blieb bis zur Pariser Weltausstellung 1889 unübertroffen.
    Die Stahlarmatur wird bei St. Pancras nicht durch Stützen oder Pfeiler getragen. Barlow entwarf eine waghalsige und effiziente Konstruktion: Da das Bauwerk aufgrund der Bodenunebenheiten erhöht errichtet werden musste, verlegte er den Träger für die Fundamentplatte ins Untergeschoss, wo er die ganze Belastung aufnehmen konnte. So wurde der Bau einer höheren und breiteren Stahlstruktur möglich. Der Auftrag des Hotels ging an Sir George Gilbert Scott. Der Vertreter der Neugotik sollte den Erwartungen der Midland Company in punkto Luxus Gestalt geben – und das Midland Grand Hotel wurde tatsächlich das größte und luxuriöseste der Hauptstadt.
    Es weist Zitate aus allen Epochen der Gotik auf, vom flandrischen Rathaus bis zur französischen Kathedrale, besonders aber liebäugelte Scott mit dem Mittelalter. Er gestaltete eine moderne Gotik, die den funktionalen Anforderungen gerecht werden konnte. Vom Glanz des Hotels ist heute nicht mehr viel übrig: Leer und unbeheizbar dämmert es einem ungewissen Schicksal entgegen. Es bleibt nur noch die denkmalgeschützte Fassade, monumentales Überbleibsel des grenzenlosen Ehrgeizes einer Eisenbahngesellschaft. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 10.03.2001arte
  • Staffel 2, Folge 3 (30 Min.)
    Als S. C. Johnson 1936 den Bau eines neuen Firmensitzes beschloss, riet man ihm nach einem misslungenen Anlauf mit einem ortsansässigen Architekten, sich an Frank Lloyd Wright zu wenden. Es kam zu einer Begegnung zwischen den beiden Männern, die völlig unterschiedliche Ansichten vertraten, trotzdem aber Gefallen aneinander fanden. Frank Lloyd Wright galt zu dieser Zeit als der größte lebende Architekt. Die Beziehungen zwischen Architekt und Bauherr gestalteten sich keineswegs einfach: Johnson stellte sich zwar ein modernes Gebäude vor, war von den futuristischen Vorstellungen Frank Lloyd Wrights jedoch teils fasziniert, teils abgeschreckt.
    Die Diskussionen zwischen den beiden Männern kamen nur zäh voran. Da Frank Lloyd Wright die Umgebung als unschön empfand und deshalb nicht mit einbeziehen wollte, entwarf er ein in sich ruhendes Gebäude, das keine Verbindung zur Außenwelt zu haben scheint. Mit seinen fensterlosen Pyrex-Fassaden, langen Backsteinmauern, Rundungen und scheinbar fehlenden Eingängen wirkt der Bau auf den ersten Blick völlig unzugänglich.
    Das Gebäude hat etwas Umhüllendes, Bergendes, das vor dem Zugriff der Außenwelt schützt und zu konzentriertem Arbeiten anregt. In diesem Kokon ohne monumentalen Eingangsbereich umschließen offene Zwischengeschosse den großflächigen Arbeitsraum, der circa 200 Personen Platz bietet. Obwohl das Gebäude wie eine der Arbeit geweihte Kathedrale anmutet, hat es nichts Bedrückendes. Das Innere wird von Ober- und Seitenlicht durchflutet, das durch Spalten am Dachansatz einfällt.
    Der Ort regt nicht nur zum konzentrierten Arbeiten an, sondern hat mit seinen warmen Farben – dem von Frank Lloyd Wright erfundenen Cherockee-Rot – und seinen runden Formen zugleich etwas Sinnliches. Der Architekt hatte Johnson ein Gebäude versprochen, in dem sich jeder wie in einem Kiefernwald fühlen könne. Dazu entwarf er einen Wald aus schlanken, zylinderförmigen Säulen, die auf Metallstümpfen fußen und sich zur Spitze hin zu einem eleganten Rund verbreitern.
    Auffallend ist die erlesene Ausführung der gestalterischen Details: Der Architekt verwendete 40 verschiedene Backsteinformen und unterschiedliche Querschnitte für die Pyrex-Röhren. Sogar die Wände und der Sesselstoff in den verschiedensten Rottönen sind raffiniert aufeinander abgestimmt, und das Gebäudemobiliar von den Tischen bis hin zu den Türklinken wurde von Frank Lloyd Wright selbst entworfen. Der Bau artete schließlich in einen regelrechten Ideenwettstreit zwischen Bauherr und Architekt aus, wodurch sich die Bauzeit hinauszog.
    Das Verwaltungsgebäude von Johnson brachte Frank Lloyd Wrights Karriere neuen Aufwind. Als der Architekt 1959 im Alter von 90 Jahren starb, hinterließ er über 30 unvollendete Bauprojekte. Das Verwaltungsgebäude ist in fast unverändertem Zustand erhalten geblieben. Die Firmenangestellten huldigen ihm regelrecht. Auch in der Unternehmenskommunikation nimmt das Gebäude weiterhin einen wichtigen Platz ein, denn das Werk Frank Lloyd Wrights ist inzwischen zum Markenzeichen und Label der Firma SC Johnson geworden. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 17.03.2001arte
  • Staffel 2, Folge 4 (30 Min.)
    Zeichnen und dabei nach dem Vorbild der Antike oder eines Meisters kopieren. Jahrhundertelang war das die Grundlage des von der Akademie definierten Kunstunterrichts. Zu diesem Zweck häuften sich dort Modelle, architektonische Bruchstücke und Kopien der Gemälde von Renaissancemeistern. François Debret, der erste mit der Raumgestaltung beauftragte Architekt, beschränkte sich bei seinem Projekt auf den Garten am äußersten Ende des Grundstücks, wo er zwei neue Gebäude errichten wollte. Félix Duban, ein junger Student, der von Anfang an am Projekt mitarbeitete, gewann 1823 den „Prix de Rome“ und ging für fünf Jahre in die Villa Medici.
    Dem Preisträger, dem die Académie de France einen fünfjährigen Aufenthalt in Rom finanzierte, war nach seiner Rückkehr eine Karriere sicher. Kurz nach seiner Rückkehr aus Rom wurde Félix Duban dann im Zuge der Revolution von 1830 zum Architekten der École des Beaux Arts ernannt. Duban sollte das seit mehreren Jahren ruhende Projekt von Debret wiederbeleben.
    Keine einfache Aufgabe. Er fand ein von Debret fertiggestelltes und ein begonnenes Gebäude vor, beide zwischen älteren Gebäuden eingezwängt und ohne Zugang zur Straße. Als erste Maßnahme entfernte er die alten Konstruktionen, die den Blick auf das Palais verstellten. Den drei älteren Gebäuden wies er drei verschiedene Funktionen zu. Das sogenannte Logengebäude diente fortan den Wettbewerben. Das Palais, nunmehr von trivialen Funktionen befreit, wurde in das dem Studium dienende Museum verwandelt und enthält Sammlungen, die Bibliothek und einen Raum für die Preisverleihung.
    Aber das Verdienst von Dubans Konzeption besteht vor allem darin, dass er sich nicht damit begnügte, Modelle im Innern der Mauern auszustellen: Die Mauern selbst erhielten museale Funktion. Um das im hinteren Teil des Terrains eingeschlossene Studienpalais freizulegen, entwarf Duban eine halbkreisförmige Exedra, durch die eine Art Ehrenhof vor dem Palais entstand. Den Durchgang von diesem Hof zum Lenoire-Garten bildet der Gaillon-Bogen, nach dem gleichnamigen Schloss aus der französischen Renaissance benannt.
    Diesen Bogen, ein Rest des Musée des Monuments Français, hatte Lenoire dort aufgestellt, und Duban war von seiner Schönheit so beeindruckt, dass er ihn zum Kernstück seiner Raumkomposition machte. Das war für ihn die Gelegenheit, Spuren der Geschichte in seine Konzeption aufzunehmen. Auch das von Philibert Delorme erbaute Château d’Anet, ein Meisterwerk der französischen Renaissance, war während der Französischen Revolution zerstört worden.
    Duban nahm auch dieses Hauptportal in seine Konstruktion auf, indem er architektonische Bruchstücke in die Bögen einließ, die dadurch eine Art Freiluftmuseum darstellen. Mit der chronologischen Anordnung von Bruchstücken knüpfte Duban an eine Idee von Alexandre Lenoire an. Die Mauern werden zum pädagogischen Anschauungsmaterial zur Geschichte der Architektur, die über Antike und italienische Renaissance hinausreicht und zugleich die Kontinuität der Entwicklung veranschaulicht.
    Duban starb 1870, erbittert darüber, nur Restaurationen, so angesehen sie auch sein mochten, geleistet zu haben. Aber Duban hat mit seiner Konzeption den sogenannten „Beaux-Arts-Stil“ geprägt, der erheblichen Einfluss auf Generationen von Architekten in Europa, Afrika und sogar Amerika ausübte. Das unvollendet gebliebene, damals moderne Werk Dubans ist heute nicht mehr erkennbar, da dem Betrachter des 21. Jahrhunderts die Bezugspunkte fehlen. Wie die Ruinen des antiken Rom hat auch Dubans Schule das Schicksal der Zeit ereilt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 24.03.2001arte
  • Staffel 2, Folge 5 (30 Min.)
    Das von Alvaro Siza gebaute Institut für Architektur liegt am Stadtrand und grenzt an den neuen Universitätscampus. Auf den ersten Blick ähnelt die zwischen einer Brücke und der Autobahn nach Lissabon eingekesselte Anlage einer Vorstadtsiedlung. Tatsächlich aber handelt es sich um ein wunderbares Gelände, am Hang über dem Douro gelegen, wo einst das Großbürgertum die prunkvollsten Villen der Stadt errichten ließ. Von der früheren Pracht ist zwar nicht viel übrig geblieben, doch Sizas Bau schafft ständig Bezüge zu dieser Landschaft und dem terrassenförmigen Terrain.
    Das Institut besteht aus einem Hauptgebäude im Norden des Geländes, das der nahen Autobahn den Rücken zukehrt, und aus vier in einem gewissen Abstand zueinander errichteten Pavillons im Süden. Zwischen diesen beiden Komplexen liegt ein großer Innenhof. Das Hauptgebäude beherbergt die kollektiven Einrichtungen: Verwaltung, Ausstellungsraum und Bibliothek. Diese drei Bereiche mit unterschiedlichen Funktionen sind durch eine gelungene geometrische Anordnung von Kreisbögen und Geraden miteinander verbunden.
    In den gegenüberliegenden Pavillons befinden sich die Unterrichtsräume. Auch hier finden sich die gleichen einfachen architektonischen Gestaltungselemente wieder, die leicht abgewandelt werden, um keine Monotonie entstehen zu lassen. Alle Gebäude sind Ausdruck eines ausgesprochen subtilen architektonischen Konzepts. Für Siza „erfindet ein Architekt nichts, sondern verändert das Existierende“; seine Ideen lassen sich unendlich variieren.
    So werden die Öffnungen im Institut besonders vielfältig gestaltet: In den Unterrichtsräumen fällt das Licht durch sparsame, schießschartenähnliche Fenster ein, während die Bibliothek über Oberlichter verfügt. Die von außen nicht sichtbaren Verbindungen zwischen den einzelnen Gebäuden gehen von einer zentral gelegenen Verbindungsstraße und dem Gefälle des Geländes folgenden Aufgängen aus. Ein Überhang auf einem der Gebäude verdankt seine Existenz einem 100-jährigen Baum, den Siza unbedingt erhalten wollte. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 14.04.2001arte
  • Staffel 2, Folge 6 (30 Min.)
    Deutsche TV-PremiereSa 21.04.2001arte
  • Staffel 2, Folge 7 (30 Min.)
    Die Galleria Umberto I. ist eine der letzten überdachten Passagen, die in Europa erbaut wurden. Die ersten überdachten Passagen wurden ab 1820 in Frankreich, später auch in anderen europäischen Ländern gebaut und fanden rasche Verbreitung. Mit der Schaffung von geschützten Passagen in den Stadtzentren wurden zwei Ziele verfolgt: Durch die so entstandenen Fußgängerzonen wurde das Straßennetz entlastet und dem Einzelhandel konnten wetterunabhängige Geschäftsräume zur Verfügung gestellt werden. Die Passage Umberto I. gehört zur letzten Generation von Passagen, die sich durch ihren Monumentalstil auszeichnen.
    Passagen bescheidenerer Ausmaße gingen häufig auf die Initiative privater Unternehmer zurück, wohingegen Monumentalpassagen eindeutig als öffentliche Bauwerke verstanden wurden und fester Bestandteil städtebaulicher Sanierungsprojekte waren. Neben praktischen Beweggründen gab es auch politische und wirtschaftliche Motive, zum Beispiel entstanden bei diesem Vorhaben mitten in der Stadt auf Tausenden von Quadratmetern Raum für Geschäfte, Büros und elegante Wohnungen. Im Zuge dieser großangelegten Immobilienspekulation fügten sich neue palastähnliche Gebäude zu einem Luxusviertel, das sich bewusst vom alten Stadtbild abheben wollte.
    Trotz des Monumentalstils handelt es sich aber nicht um ein echtes Architektenbauwerk: Die Passage war vor allem das Projekt von Investoren. Daher drückt sich das mit dem Bau einer überdachten Passage verfolgte Modernitätsideal lediglich in den gigantischen Ausmaßen, nicht aber in einer technisch oder architektonisch kühnen Gestaltung aus. Zum eigentlichen Erfolg der Passage Umberto I. wurde ihre riesige, öffentlich zugängliche Halle, die bei jedem Wetter von allen genutzt werden kann. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 19.05.2001arte
  • Staffel 2, Folge 8 (30 Min.)
    Deutsche TV-PremiereSa 02.06.2001arte
  • Staffel 2, Folge 9 (30 Min.)
    Die traditionelle Architektur auf Martinique bedient sich bereits des Passatwindes als natürliches Kühlsystem: Spezielle Jalousien regeln den Ein- und Austritt des Windes. Aber noch nie hatte man versucht, dieses Prinzip allgemeiner Durchlässigkeit auf ein dreistöckiges Gebäude, das 200 Personen aufnehmen soll, anzuwenden. Der Architekt Christian Hauvette ließ sich auf diese Weise auf ein Experiment mit unsicherem Ausgang ein. Unter Verwendung der in Martinique üblichen Jalousien entwarf er ein völlig winddurchlässiges Gebäude. Die Türen des Gebäudes bestehen aus riesigen Metallflügeln, die geschlossen eine Wand bilden, aber jeden Morgen zurückweichen, um Menschen und Wind die freie Zirkulation zu gestatten.
    Die normalen Zugangswege des Gebäudes stellen also zugleich die natürlichen Belüftungswege dar. Gleich hinter dem Portal streicht der Wind durch trennwandartige Jalousien aus Holz und tritt auf der gegenüberliegenden Gebäudefassade aus, die aus Tausenden von beweglichen Glaslamellen besteht. Jeder kann in seinem Büro die Öffnung zwischen den Glasplättchen individuell verstellen und so den Luftzug selbst regulieren. Im Innern des Gebäudes hat der Architekt fünf große Innenhöfe eingerichtet, die die Büroräume direkt mit Tageslicht versorgen und zugleich als kleine tropische Gärten angelegt sind.
    Die Architektur des Rektorats beruht auf der Überlagerung verschiedener Raster aus festen und beweglichen Jalousien einerseits und Vegetationsrastern andererseits. Diese Überlagerung bringt ständig neue Effekte und neue optische Eindrücke hervor, die dem Raum etwas außergewöhnlich Fließendes verleihen. Die Tatsache, dass Feinregulierungen von den Nutzern vorgenommen werden müssen, wird nicht immer positiv bewertet. So wird der Passatwind nach und nach durch Ventilatoren oder elektrische Klimaanlagen ersetzt und damit das Prinzip natürlicher Belüftung unterlaufen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 09.06.2001arte
  • Staffel 2, Folge 10 (30 Min.)
    Nach 15-jähriger Bauzeit wurde am 5. Januar 1875 die Opéra Garnier, nach ihrem Erbauer Charles Garnier benannt, eingeweiht. Als Charles Garnier seinen Entwurf beim Architektenwettbewerb einreichte, war er noch ein junger, fast unbekannter Architekt. Den Wettbewerb hatte Napoleon III. im Jahr 1860 im Rahmen der architektonischen Umgestaltung der Stadt Paris durch Baron Haussmann ausgeschrieben. Von den 171 anonym vorgelegten Entwürfen wurde am 29. Dezember 1860 der von Charles Garnier ausgewählt.
    Während der Bauzeit war das Projekt den Wechselfällen der französischen Politik ausgesetzt, so dem Fall der Reichsregierung und dem deutsch-französischen Krieg von 1870. Die Geschichte der Pariser Oper reicht bis zur Gründung der „Académie Royale de Musique“ durch Ludwig XIV. ins Jahr 1669 zurück. Das Opernhaus ist kugelartig konzipiert, schirmt den Besucher von der Außenwelt ab und gestattet ihm, in die Traumsphäre der Oper einzutauchen. Der Eingangsbereich stellt den Übergang von der realen in die Traumwelt dar und bildet das architektonische Pendant zur Opernouvertüre.
    Das Bauwerk verbindet Klassizismus und Rationalismus im Sinne einer funktional ausgerichteten Architektur. Diese Begegnung von Tradition und Moderne zeigt sich auch in der Auswahl der Baustoffe: Der Zuschauerraum besteht aus einer riesigen Konstruktion aus verkleidetem Stahl und bildet somit den ersten Opernbau mit einer stählernen Innenstruktur. Der Zuschauerraum selbst ist nur sparsam ausgeschmückt, damit das Publikum nicht vom Geschehen auf der Bühne abgelenkt wird.
    Im Jahr 1964 gestaltet Marc Chagall das Deckengemälde, das verschiedene Allegorien zeigt und beim Betrachter Szenen aus dem Opern- und Ballettrepertoire heraufbeschwört. Das Palais Garnier leitete zudem eine kleine Revolution der Sitten ein: Während der Pausen wandelten die Besucher durch die Gänge und das von Paul Baudry in zehnjähriger Arbeit dekorierte Foyer, anstatt in ihren Logen Gäste zu empfangen, wie das zuvor üblich war.
    Im Foyer ganz nahe an einem Fenster befindet sich übrigens eine Büste des Architekten, deren Blick nach draußen auf die Avenue de l’Opéra gerichtet ist. Charles Garnier wollte einen Bau errichten, der selbst ein Schauobjekt sein würde, gewissermaßen als Kontrapunkt zu der im Inneren stattfindenden Opernaufführung. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzte er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel. Dabei war es sein großes Anliegen, nicht nur als Erbauer der Oper, sondern auch als ihr Direktor in die Geschichte einzugehen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSa 16.06.2001arte

zurückweiter

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Baukunst online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…