Staffel 1, Folge 1–9

Staffel 1 von „Baukunst“ startete am 02.07.1998 bei arte.
  • Staffel 1, Folge 1 (30 Min.)
    Das Gebäude der Wiener Postsparkasse wird heute, über 100 Jahre nach seiner Fertigstellung, noch immer genutzt und befindet sich weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand. Ihr Architekt Otto Wagner gehörte zur „Wiener Secession“ der Jahrhundertwende. In dem Gebäude sind Büros für 2.700 Mitarbeiter und Schalterräume für die Kundenbetreuung untergebracht. Obwohl dabei auf architektonische Lösungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgegriffen wurde, setzt der Stil entschieden auf Modernität. Von der Wiener Ringstraße aus ist nur die zentrale Fassade des leicht im Hintergrund stehenden Gebäudes sichtbar. Die von der industriellen Gestaltung inspirierte glatte Oberfläche und die klaren Linien waren damals in der Architektur revolutionär.
    Sie stehen für Schnelligkeit und Rationalität und charakterisieren die moderne Stadt. Die Fassade nimmt die geradlinige Straßenführung auf. Die Gestalt des Gebäudes ergibt sich unmittelbar aus seiner Struktur, während sich die äußerst sparsame Verzierung den verwendeten Materialien anpasst. Über die Haupthalle mit dem Schalterraum und drei Büroetagen spannt sich ein Glasdach, das von einer Eisenstruktur getragen wird. Während in anderen Banken die Eisen- und Glasstrukturen durch ein Dekor „geadelt“ werden, entschied sich Wagner für Schlichtheit und scheinbare Einfachheit zugunsten des natürlich wechselnden Lichtes.
    Die Postsparkasse als einzig modernes Gebäude steht zur prächtigen Ringstraße in einem zwiespältigen Verhältnis und ist durch einen kleinen Platz leicht von der Straße zurückgesetzt. Diese Widersprüchlichkeit zwischen Tradition und Moderne spiegelt sich auch in Otto Wagners Biografie wieder: Er stand mit einem Bein noch in der Welt der Kaiserin Sissi, aber mit dem anderen bereits in der Welt Schieles und Klimts. Insgeheim träumte er davon, zugleich Architekt des alten österreichisch-ungarischen Kaiserreichs und Baumeister der Moderne zu sein. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 02.07.1998arte
  • Staffel 1, Folge 2 (30 Min.)
    Herr und Frau B. haben in St. Cloud ein besonderes Grundstück gekauft: die Hälfte einer zwischen zwei Straßen gelegenen großen Parzelle; auf dem höher gelegenen Teil des Geländes steht ein Haus mit Swimmingpool und unterhalb davon eine große Baumwiese. Herr und Frau B. haben beide eine große Leidenschaft … die Architektur. Sie wünschen sich einen ausgefallenen Entwurf, ein Haus aus Glas, um in den Genuss des Gartens zu kommen, den sie mit viel Liebe pflegen. Sie suchen nicht irgendeinen Architekten, sondern den Architekten, der in der Lage ist, ihre Ideen und Vorstellungen umzusetzen. Sie entscheiden sich schließlich für einen Holländer, der noch kein Bauvorhaben realisiert hat: Rem Koolhaas. Bei der Durchführung des Vorhabens hat er mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen.
    Zunächst einmal beschweren sich die Nachbarn. Sie erheben Einspruch, beziehen sich auf die Bauvorschriften und machen geltend, dass eine Glaswand keine Mauer sei. Innerhalb von fünf Jahren kommt es zu drei Prozessen. Der Architekt reagiert darauf nicht ausschließlich als Techniker, sondern er setzt sich auch mit der Privatsphäre in einem Haus auseinander: Hat man einen Anspruch darauf, seinen Nachbarn zu sehen und von ihm gesehen zu werden? Die zweite Schwierigkeit ist das Gewicht. Was soll das Gewicht der beiden Wohneinheiten und die 56 Tonnen Wasser des Swimmingpools tragen, wenn die untere Einheit aus Glas gebaut werden soll? Wie lassen sich die beiden widersprüchlichen Forderungen miteinander vereinbaren? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 09.07.1998arte
  • Staffel 1, Folge 3 (30 Min.)
    Ende des letzten Jahrhunderts war Brüssel ein Jahrzehnt lang die Hauptstadt der modernen Architektur. Die Art Nouveau- oder Jugendstil-Bewegung, die mit der Nachahmung historischer Stile brach, schaffte die Grundlagen für eine neue Auffassung von der Architektur und der Rolle des Architekten. Victor Horta galt als ihr Meister. Dem Wohnhaus, das er zwischen 1895 und 1897 für Edmond Van Eetvelde baute, liegt ein in mehrfacher Hinsicht origineller Entwurf zugrunde. Es ist weniger luxuriös und beeindruckend als frühere Bauwerke von Victor Horta, wie etwa das Solvay-Haus oder das heute abgerissene „Volkshaus“ („Maison du Peuple“).
    Dafür bringt es am entschiedensten die Modernität seines Schöpfers zum Ausdruck. Horta wagte es als Erster, für ein privates Wohnhaus eine Eisenkonstruktion zu verwenden, die bis dahin Bahnhöfen, Gewächshäusern oder Industriebauten vorbehalten war. Dadurch entstand eine Fassade, die die durchsichtigen Fassaden zeitgenössischer Gebäude vorwegnahm. Ganz Künstler geht es Horta nie nur um praktische und zweckrationale Lösungen. So auch beim Lichthof, der das Zentrum des Hauses bildet und in dem seine Funktionen in genialer Weise zusammenlaufen.
    Er ist als glasüberdachter Wintergarten gestaltet, um den herum kaleidoskopartig die Festräume angeordnet sind. An ihm kann man am besten die Vielfalt der Parameter sehen, die der Architekt in seine Entwürfe hat einfließen lassen: Horta gelingt es, unter einem Dach Luxus und Fantasie, Zweckrationalität und Komfort zu vereinigen. Jenseits der landläufigen Auffassung vom Jugendstil erweist sich das Van Eetvelde-Haus somit als ein Gebäude, das bereits am Ende des 19. Jahrhunderts Zeichen der Überlegungen und Bestrebungen zeitgenössischer Architektur in sich trägt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 16.07.1998arte
  • Staffel 1, Folge 4 (30 Min.)
    Nach siebenjähriger Bauzeit wurde 1977 das „Centre National d’Art et de Culture Georges Pompidou“ eingeweiht. Das Kulturzentrum, das nach dem historischen Stadtviertel, in dem es sich befindet, auch Centre Beaubourg genannt wird, beherbergt neben einem neuen Museum für moderne Kunst unter anderem eine öffentliche Bibliothek, mehrere Lesesäle, Ausstellungsräume für wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kunst sowie ein Kino. Auch Pierre Boulez sollte dort sein Zentrum für zeitgenössische Musik bekommen; außerdem war die Unterbringung eines ohnehin notwendigen Design Centers geplant.
    Ganz nach Pompidous Motto: „Wir packen sie alle in ein Gebäude, und möglichst viele sollen Zugang haben.“ Die beiden Architekten, der Engländer Richard Rogers und der Italiener Renzo Piano, waren damals kaum 30 Jahre alt und noch ganz unbekannt. Zum ersten Mal gewannen sie mit einem gemeinsamen Entwurf einen Wettbewerb. Ihr „Informationszentrum“ geht mit der Zeit, denn es ist wandelbar. Außerdem bestach an dem Entwurf, dass er die Beteiligung der Besucher an Veranstaltungen in den Mittelpunkt stellte.
    Die Veranstaltungen auf dem von einer Fußgängerzone umgebenen Vorplatz verweisen bereits auf das Geschehen im Innern des Gebäudes: Man kann sich setzen, mit anderen sprechen oder einfach nur schauen, kurz, das Miteinander auf der Straße verlängert sich bis ins Gebäude hinein: Zum riesigen Eingangsbereich des Kulturzentrums ist der Zutritt frei. Hinter der transparenten Fassade zum Vorplatz gewährleisten Rolltreppen und Fahrstühle die Beförderung der Besucher und führen gleichsam in der Vertikalen die Bewegung der Fußgänger im städtischen Raum weiter.
    In der Fassade zur Rue du Renard hin sichtbar und durch die Verwendung unterschiedlicher Farben gekennzeichnet, sind alle technischen Einrichtungen wie Belüftung, Wasser- und Stromversorgung und Lastenaufzüge untergebracht. Das Prinzip, alles zu zeigen und alles als nützlich auszuweisen, war zumindest zur Zeit des Entwurfs eine Provokation. Mittlerweile ist das Centre Beaubourg ein Pariser Wahrzeichen geworden, das tagsüber an seinen bunten und metallfarbenen Röhren erkennbar ist und nachts wie ein riesiges, beleuchtetes Schiff im Lichtermeer weithin sichtbar ist. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 23.07.1998arte
  • Staffel 1, Folge 5 (30 Min.)
    Die Ruine des im 15. Jahrhundert von Louis d’Orléans erbauten Schlosses in Pierrefonds bei Compiègne wurde von Napoleon I. gekauft. Napoleon III., der an der romantischen Ruine Gefallen fand und einen kaiserlichen Landsitz daraus machen wollte, beauftragte Viollet-Le-Duc mit dem Wiederaufbau. Die „Restauration“ dauerte von 1858 bis 1886 und war ein höchst komplexes Unternehmen. Napoleon III. wünschte eine archäologisch getreue Wiederherstellung, während Viollet-Le-Duc sich der Vergangenheit lediglich bediente, um ein neues Verhältnis von umbautem Raum und dessen Ausschmückung zu erfinden.
    Viollet-Le-Duc, der unter anderem Notre-Dame de Paris restauriert hatte, entwickelte sich als Baumeister des Schlosses von Pierrefonds zum wahren Regisseur eines Gesamtschauspiels, in dem er jedes Detail selbst konzipierte. Nicht umsonst betrachteten ihn die belgischen Jugendstilarchitekten Victor Horta und Paul Hanka als ihren Vorgänger. Die besondere Wirkung von Pierrefonds beruht auf der doppelten Strategie des Architekten, einerseits die Struktur und Farben der Materialien, andererseits die Struktur selbst, die reine geometrische Form, zur Geltung zu bringen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 30.07.1998arte
  • Staffel 1, Folge 6 (30 Min.)
    Im Mai 1968 folgten 50.000 Menschen dem Ruf des französischen Politikers Pierre Mendès-France zu einer Kundgebung auf das Gelände des ehemaligen Sébastien-Charléty-Stadions im 13. Pariser Arrondissement. Heute steht hier an der Peripherie zwischen Vorstadt und Stadtgrenze ein anderes, ein moderneres Stadion, das weiterhin Menschen auf unterschiedlichste Weise zusammenführt. Das an der Porte de Gentilly gelegene Stadion erstreckt sich von der Pariser Stadtgrenze bis hin zu den Wohnsilos der 30er Jahre der südlichen Pariser Vorstädte. Auf dem acht Hektar großen Terrain des ehemaligen Sébastien-Charléty-Stadions haben Henri Gaudin und sein Sohn Bruno 1994 ihr großartiges Projekt mit 20.000 überdachten Plätzen, verschiedenen Sporteinrichtungen und einem Bürokomplex des Nationalen Olympischen Komitees realisiert.
    Zwar ist das Stadion, wie die meisten städtisch finanzierten Einrichtungen, abgeschoben in einen der vielen Pariser Vororte, doch verbindet es gekonnt Erholungscharakter, soziales Miteinander und Wirtschaftlichkeit. Das Stadion, als riesiger Ring mit elliptischen Zuschauerrängen und einem luftigen Dach konzipiert, soll nach der Vorstellung seiner Architekten die Energie darstellen, die die Materie belebt und in der sportlichen Leistung Gestalt annimmt. Der Entwurf privilegierte die Bewegung und knüpft so an die klassische Architektur des altertümlichen Amphitheaters an.
    Die gängige Trennung zwischen sportlichem Wettkampf und Zuschauer wird aufgehoben und lässt beide Bereiche miteinander kommunizieren. So sind beispielsweise der Lauf der Athleten und der wandernde Blick des Zuschauers in der Architektur der steilen Tribünen miteinander verbunden. Sicherheit soll im Unterschied zur herkömmlichen Architektur des Genres im Charléty-Stadion durch Offenheit gewährleistet werden und somit, fast spielerisch, die Grenze des alten Stadtrings überwinden. Paris schaut auf das Stadion und das Stadion schaut auf Paris. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 06.08.1998arte
  • Staffel 1, Folge 7 (30 Min.)
    Die Mauer eines riesigen Industriegeländes, auf der ein Firmenschild mit dem Namen „Godin“ angebracht ist. Gegenüber der Eingang zu einem Gelände mit dem Hinweis: „Schritttempo – Privatgrundstück“. Eine kleine Brücke überspannt eine Flusskrümmung. Am anderen Ufer steht ein langgezogenes, massiges Gebäude aus rotem Backstein, das sich radikal von seiner Umgebung abhebt: die von Jean-Baptiste André Godin entworfene Familistère in Guise. Die Familistère stellt zunächst die Verwirklichung eines Projektes dar: das einer gemeinschaftlichen Wohnform – ein Novum in der damaligen Zeit, das so ausgereift war, dass es als Vorläufer des sozialen Wohnungsbaus betrachtet werden kann.
    In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand im Zuge der Industriellen Revolution eine neue Bevölkerungsschicht, das Proletariat, das in den Städten auf engstem Raum unter teils gesundheitsschädlichen Bedingungen zusammenlebte. Zum ersten Mal stellte sich die Frage nach Arbeiterwohnungen: Die ersten Arbeitersiedlungen wurden nach dem Vorbild von Einfamilienhäusern gebaut, denn selbst die aufgeklärtesten Industriellen scheuten vor kollektiven Wohnformen zurück. Denn sie befürchteten, in diesen revolutionären Zeiten durch die Konzentration einer großen Anzahl von Arbeitern in gemeinsamen Unterbringungen einen Unruheherd zu schaffen.
    Ganz anders die Familistère in Guise: Die Siedlung besteht aus einem einzigen 450 Meter langen Gebäude mit erhöhtem Erdgeschoss, drei Stockwerken und einem Dachgeschoss; 16 Gemeinschaftstreppen führen zu den Wohnungen, in denen 1.500 Menschen – und damit genauso viele wie in 300 Einfamilienhäusern – untergebracht werden können. Realisiert hat die Anlage der Industrielle Godin: Um sein utopistisches Bauvorhaben für seine eigenen Arbeiter zu realisieren, wurde Godin vom Besitzer einer Firma für gusseiserne Öfen zum Architekten. Das Ergebnis ist mehr als Architektur, es ist in die Praxis umgesetztes sozialpolitisches Programm. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 13.08.1998arte
  • Staffel 1, Folge 8 (30 Min.)
    Der französische Architekt Jean Nouvel hat für die südfranzösische Stadt Nîmes 114 Sozialwohnungen gebaut. Für Nouvel ist „eine schöne Wohnung vor allem eine große Wohnung“. Bei Nemausus ist Quantität die ästhetische Grundvoraussetzung. Nemausus sieht aus wie ein Raumschiff aus dem Film „Krieg der Sterne“ und wurde seitdem vielfach kopiert. Diese Wohnungen haben bis zu 40 Prozent mehr Grundfläche als die herkömmlichen Sozialbauwohnungen – ohne mehr zu kosten. Das kommt einer Revolution gleich, denn Wohnungen dieser Kategorie wurden bisher immer nach dem „Schuhkartonprinzip“ entworfen. Für Nouvel ist die futuristische Formgebung von Nemausus keine künstlerische Laune, sondern das Ergebnis gründlichen Nachdenkens, eines Kampfes für den Raum und gegen die Kosten.
    Nouvels Hauptziele sind: Platz in den Wohnungen gewinnen, indem die überdachte kollektive Nutzungsfläche des Hauses verkleinert wird, Raum und Licht gewinnen, die Kosten reduzieren, indem die Struktur des Gebäudes so weit wie möglich vereinfacht wird. Die Wohnungen von Jean Nouvel setzen sich über den typischen Grundriss der modernen Sozialbauwohnung hinweg. Die Nemausus-Wohnungen – zwischen 90 und 160 Quadratmeter groß – haben meist drei oder vier Zimmer und erstrecken sich als Maisonettewohnungen über zwei oder drei Stockwerke.
    So entfallen die traditionellen Eingänge und Flure. Raum wird also nicht nur durch zusätzliche Grundfläche, sondern auch durch Volumen gewonnen. Jean Nouvels Wohnungen aus den 80er Jahren haben dadurch – obwohl sie Prinzipien des sozialen Wohnungsbaus folgen – nichts mehr mit den tristen Siedlungen und beengenden Wohnverhältnissen in den französischen Vororten gemein. Über dieses Sozialbauprojekt hinaus sind Jean Nouvels wichtigste Werke die Lyoner Oper, die Kongresshalle von Tours und die Cartier-Stiftung, das „Institut du Monde Arabe“ sowie das Musée du Quai Branly in Paris. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDo 20.08.1998arte
  • Staffel 1, Folge 9 (30 Min.)
    Deutsche TV-PremiereDo 27.08.1998arte

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